warum die Narren den Triumph genossen, den der Weise errungen hatte. Aber
der Donner grollte schon, und fern am Horizont zog schon das furchtbare Gewitter
herauf, dessen Blitze die Statue selbst und alle die vernichten sollte, die es jetzt
noch so festlich umringten. Am Postament des Denkmals Ludwigs XV. sollte
sich das Schafott Ludwigs XVI. erheben!
Für die Ewigkeit schien Bouchardons geniale Schöpfung bestimmt, und sie sollte
nicht einmal ihr eigenes Jahrhundert überdauern!
Ludwig XV. auf der Place de la Revolution fiel als das erste Opfer unter den Königs-
statuen. Eine Virago hoch zu Roß, Mademoiselle Theroigne, zeigte der heulenden,
beutedurstigen Menge den Weg143). Hören wir die Augenzeugen dieser Katastrophe,
hören wir sie alle, denn man zerstörte am ii. August 1792 nicht nur Bouchardons
Königsstatue auf der Place cidevant Louis XV. Hier geschah es zum erstenmal,
daß das Verbrechen ungesühnt blieb, ja, daß man es sogar mit dem trügerischen
Glanz der Vaterlandsliebe umkleidete. Von dieser Stunde an waren in ganz Frank-
reich die Kirchen und die Schlösser, die öffentlichen Monumente, die Ehrensäulen
und die Grabdenkmäler rettungslos dem Untergange preisgegeben. „Viele Schmiede
waren beschäftigt," so schreibt Twiss, „die eisernen Stangen durchzufeilen, die sich
in den Beinen des Pferdes befanden und es an dem marmornen Postament be-
festigten, und nachher rissen die Sanskulotten durch Stricke die Bildsäule nieder
und brachen sie in Stücke wie die vier Statuen, das Piedestal und die neue präch-
tige Balustrade von weißem Marmor"144).
Mercier, der damals ein ebenso wütender Demagog war wie alle anderen, glaubte
bei der Menge nur ein einziges Gefühl des Staunens darüber zu entdecken, daß
das Reiterbild hohl war und die Bronze selbst nicht dicker als ein Talerstück.
Ja," antwortete er der erstaunten Menge, „alles war hohl, die Macht selbst und
auch die Statue!"145).
„Das Meisterwerk Bouchardons lag schon auf den Stufen seines Postaments,"
berichtet Duval in seinen Erinnerungen, „überall wurde gehämmert, es auseinander
zu schlagen; schon war der Kopf losgelöst und man war dabei, die Arme und die
Beine herunterzuschlagen, da erschien auf dem Platz der Kommandant der Gendar-
merie zu Pferde, Guingerlo: „Törichte Kanaille," rief er aus, als er den Greuel der
Zerstörung erblickte, „willst du die Anarchie auf das Postament setzen, von dem
du das Königtum heruntergerissen hast?"
Kaum war das mutige Wort gesprochen, so erhoben sich hundert Hände gegen
den todgeweihten Verteidiger des Königtums. Zwischen den Trümmern der Statue
brach er zusammen als das erste Opfer von den Tausenden, die hier zum letzten-
mal das Licht der Sonne erblicken sollten146).
Ein Zufall bewahrte vom Reiterbildnis Ludwigs XIV. den linken Fuß. Ein
grotesker Gedanke des Patrioten Palloy rettete vom Denkmal Ludwigs XV. die
rechte Hand147). Wenige Tage nach der Zerstörung sah man an den Stufen des
Postaments Ludwigs XV., in einem prächtigen Lehnsessel einen Mann sitzen, der
sich Henri Maser de Latude nannte. Es war derselbe Unglückliche, der dreißig
Jahre seines Lebens teils im Gefängnis von Vincennes und teils in der Bastille
verbracht hatte, weil er versucht hatte, die Marquise von Pompadour zu vergiften.
Es war derselbe Latude, dem es auf die wunderbarste Weise gelungen war, auf
der wunderbarsten Leiter aus der Bastille zu entkommen. „Latude," redete Palloy
ihn an, „merkwürdiges Opfer des Despotismus, die Nation schuldet dir eine glän-
zende Entschädigung für alles das, was du erlitten hast. Hier dieser Stein, er
kommt aus deinem Kerker hier die rechte Hand des Tyrannen, die jenen Be-
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der Donner grollte schon, und fern am Horizont zog schon das furchtbare Gewitter
herauf, dessen Blitze die Statue selbst und alle die vernichten sollte, die es jetzt
noch so festlich umringten. Am Postament des Denkmals Ludwigs XV. sollte
sich das Schafott Ludwigs XVI. erheben!
Für die Ewigkeit schien Bouchardons geniale Schöpfung bestimmt, und sie sollte
nicht einmal ihr eigenes Jahrhundert überdauern!
Ludwig XV. auf der Place de la Revolution fiel als das erste Opfer unter den Königs-
statuen. Eine Virago hoch zu Roß, Mademoiselle Theroigne, zeigte der heulenden,
beutedurstigen Menge den Weg143). Hören wir die Augenzeugen dieser Katastrophe,
hören wir sie alle, denn man zerstörte am ii. August 1792 nicht nur Bouchardons
Königsstatue auf der Place cidevant Louis XV. Hier geschah es zum erstenmal,
daß das Verbrechen ungesühnt blieb, ja, daß man es sogar mit dem trügerischen
Glanz der Vaterlandsliebe umkleidete. Von dieser Stunde an waren in ganz Frank-
reich die Kirchen und die Schlösser, die öffentlichen Monumente, die Ehrensäulen
und die Grabdenkmäler rettungslos dem Untergange preisgegeben. „Viele Schmiede
waren beschäftigt," so schreibt Twiss, „die eisernen Stangen durchzufeilen, die sich
in den Beinen des Pferdes befanden und es an dem marmornen Postament be-
festigten, und nachher rissen die Sanskulotten durch Stricke die Bildsäule nieder
und brachen sie in Stücke wie die vier Statuen, das Piedestal und die neue präch-
tige Balustrade von weißem Marmor"144).
Mercier, der damals ein ebenso wütender Demagog war wie alle anderen, glaubte
bei der Menge nur ein einziges Gefühl des Staunens darüber zu entdecken, daß
das Reiterbild hohl war und die Bronze selbst nicht dicker als ein Talerstück.
Ja," antwortete er der erstaunten Menge, „alles war hohl, die Macht selbst und
auch die Statue!"145).
„Das Meisterwerk Bouchardons lag schon auf den Stufen seines Postaments,"
berichtet Duval in seinen Erinnerungen, „überall wurde gehämmert, es auseinander
zu schlagen; schon war der Kopf losgelöst und man war dabei, die Arme und die
Beine herunterzuschlagen, da erschien auf dem Platz der Kommandant der Gendar-
merie zu Pferde, Guingerlo: „Törichte Kanaille," rief er aus, als er den Greuel der
Zerstörung erblickte, „willst du die Anarchie auf das Postament setzen, von dem
du das Königtum heruntergerissen hast?"
Kaum war das mutige Wort gesprochen, so erhoben sich hundert Hände gegen
den todgeweihten Verteidiger des Königtums. Zwischen den Trümmern der Statue
brach er zusammen als das erste Opfer von den Tausenden, die hier zum letzten-
mal das Licht der Sonne erblicken sollten146).
Ein Zufall bewahrte vom Reiterbildnis Ludwigs XIV. den linken Fuß. Ein
grotesker Gedanke des Patrioten Palloy rettete vom Denkmal Ludwigs XV. die
rechte Hand147). Wenige Tage nach der Zerstörung sah man an den Stufen des
Postaments Ludwigs XV., in einem prächtigen Lehnsessel einen Mann sitzen, der
sich Henri Maser de Latude nannte. Es war derselbe Unglückliche, der dreißig
Jahre seines Lebens teils im Gefängnis von Vincennes und teils in der Bastille
verbracht hatte, weil er versucht hatte, die Marquise von Pompadour zu vergiften.
Es war derselbe Latude, dem es auf die wunderbarste Weise gelungen war, auf
der wunderbarsten Leiter aus der Bastille zu entkommen. „Latude," redete Palloy
ihn an, „merkwürdiges Opfer des Despotismus, die Nation schuldet dir eine glän-
zende Entschädigung für alles das, was du erlitten hast. Hier dieser Stein, er
kommt aus deinem Kerker hier die rechte Hand des Tyrannen, die jenen Be-
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