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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Drittes Heft (März 1906)
DOI Artikel:
Jaffé, Ernst: [Rezension von: Hugo von Tschudi, Aus Menzels jungen Jahren. Bemerkungen zu seinen frühen Arbeiten und Briefe von ihm an einen Jugendfreund]
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Schapire, Rosa: [Rezension von: Johanna de Jongh, Die holländische Landschaftsmalerei. Ihre Entstehung und Entwicklung]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0057
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März-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

49

Grosstaten, die der Zeit standhaften werden, voll-
bracht hat.
Zunächst geht Tschudi auf den Zeichner
Menzel ein undbetont entschieden seine Beziehungen
zu Franz Krüger, die auch äusserlich durch ein
kleines Portrait belegt werden, das Krüger von
Menzel gezeichnet hat. Er ist sachlich, knapp,
zeigt noch keine Spur von der geistreichen Red-
seligkeit, die sich in seinen Alterswerken findet.
Er zeichnet noch nicht, um in der Hebung zu
bleiben, sondern alles, was er zeichnet, ist eine Vor-
bereitung für Illustrationswerke odei' freie Bilder.
In diesen Jahren arbeitet Menzel auch viel
mit dem Pastellstift, es sind gewissermassen seine
farbigen Jahre, die auch unverhältnismässig viele
seiner Oelgemälde umfassen. Im Anfang malt
Menzel ganz im Geschmack seiner Zeit Genre-
szenen, dann vollzieht sich nach der Vollendung
der Illustrationen zu Kuglers Geschichte Friedrichs
des Grossen in ihm ein Umschwung. Er entdeckt
„die Schönheit oder doch die malerische Verwert-
barkeit seiner nächsten Umgebung und seinei'
eigenen Zeit“.
Ist Menzel in dieser Beziehung ein Vorläufer
der Modernen, so ist er doch nicht das, wozu ihn
manche Verehrer machen wollen, ein Pleinairist
vor dem Pleinairismus. Das scheint mir Tschudi
überzeugend dargetan zu haben. Noch wichtiger
ist die von ihm wiedergegebene Mitteilung des i
Künstlers, dass er Constable wohl gekannt habe.
Sie erleuchtet gewisse dunkle Stellen im Ent-
wicklungsgänge Menzels taghell Jetzt wissen
wir, woher er die „braunen Töne des Vorder-
grundes“ hat, die „feine Silhouette der Kuppeln,
die aus dem Dunst aufsteigen“. Später kommen
wohl Einflüsse französischer Künstler hinzu, ins-
besondere Daumiers, dessen Art Menzel auf seiner
Pariser Reise im Jahre 1855 kennen gelernt haben
wird.
Dann geht Tschudi auf Menzels „Ansprache
Friedrichs an seine Generale vor der Schlacht bei
Leuthen“ ein. Es sind die verschiedensten Gründe
dafür angegeben worden, warum der Meister dieses
grandiose Bild nicht vollendet habe. Erst kürzlich
ist eine neue Hypothese aufgetaucht. Menzels
Pariser Freund Meissonier habe das Bild bei ihm
gesehen und die Schneelandschaft für eins seiner
Bilder benutzt. Da ihm so die Pointen vorweg
gemalt seien, habe Menzel die Lust an seiner
Schöpfung verloren. Tschudis Erklärung scheint
den Kern der Sache eher zu treffen. Er führt aus,
dass Menzel das Bild aufgegeben habe, weil er die
Unmöglichkeit einsah, die Grösse des Moments
bildlich auszuschöpfen.
Die hier veröffentlichten Briefe sind zum

grössten Teil an seinen Freund C. H. Arnold in
Cassel gerichtet, zum kleineren an dessen Sohn.
Sie geben über das warmherzige Temperament des
grossen Malers trefflichen Aufschluss, dei- besonders
diejenigen überraschen wird, die ihn für einen
verschlossenen Sonderling gehalten haben. Aber
wenn auch der rein menschliche Inhalt der Briefe
bei weitem überwiegt, so fehlt es doch auch nicht
an Bemerkungen, die über die künstlerischen
Arbeiten Menzels und seiner Freunde Aufschluss
geben. Vor allem sind es drei Maler, über deren
Arbeiten Menzel des öfteren zu berichten weiss:-
Biermann, Magnus und Meyerheim. So kritisch
Menzel gegen sich selbst ist, so wohlwollend be-
urteilt er die Bilder dieser seiner Freunde. In-
teressant und wichtig sind Menzels Urteile über
Bendemanns Jeremias und Lessings Huss, die
beiden Bilder, die zufälligerweise früher den Vor-
raum der Nationalgalerie schmückten.
Im ganzen beweist diese Publikation sowohl
in den Vorbemerkungen Tschudis wie in den
Briefen Menzels, dass noch viel zu tun übrig bleibt,
um die menschliche wie die künstlerische Persön-
lichkeit des Künstlers ganz und tief zu erfassen.
Zu den wertvollsten Vorarbeiten für diesen Zweck
muss die vorliegende Arbeit ohne Zweifel gerechnet
werden. Ernst Jaffe.
Niederländische Kunst.
Johanna de Jongh, Die holländische Land-
schaftsmalerei. Ihre Entstehung und Ent-
wicklung. Aus dem Holländischen über-
setzt von Dr. H. F W. Jeltes. Verlag von
Bruno Cassirei' in Berlin 1905. 110 Seiten.
Mit 43 Abb. 8°. M. 5,— geh.
In einem interessanten, feinsinnigen Buche
untersucht Johanna de Jongh das Wesen der hol-
ländischen Landschaftsmalerei. Ihre erste Frage
ist: welches ist die Eigenart der holländischen
Landschaft? und die zweite: wie spiegelt sie sich
in der Malerei wieder? Das Charakteristische der
holländischen Landschaft besteht in der Atmo-
sphäre, die dort nicht nur die Luft bedeutet, „son-
dern vor allem das subtile und nn bestimmte Etwas,
das als Verbindung zwischen Luft und Wasser
alles Nervös-Empfängliche und Veränderliche, das
Lebendige, in sich trägt. Die Atmosphäre ist der
feuchte Glanz, der der Farbe zitterndes Leben gibt,
sie durchsichtig macht, das Harte und Gefühllose
wegnimmt. Holland hat keine Formen, die durch
Wechsel der Linien reizen; das Land ist wie die
Korde eines Zirkelsegments, dessen Bogen die
Luft ist“.
 
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