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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

DOI Heft:
Fünftes Heft (Mai 1906)
DOI Artikel:
Singer, Hans Wolfgang: [Rezension von: William Strang, Catalogue of his etched work]
DOI Artikel:
Sachs, Curt: [Rezension von: Arthur Weese, Renaissance-Probleme]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0094
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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Mai-Heft.

Sammler, die ihre Exemplare von dem Letzten
Abendmahl (No. 129) oder den Brauen am Kreuz
(No. 340) vergleichen, werden sich wundern, wie
anders die Reproduktionen aussehen. Blättern sie
weiter, so erkennen sie an vielen anderen Bildern,
z. B. der Anbetung der Weisen (No. 330) oder
der Kreuzabnahme (No. 316), dass die Platten
ganz umgearbeitet worden sind, da neue Zutaten
zu sehen sind. Auch die Kaltnadelarbeiten wie
die beiden zuerst genannten sind nach je 10 bis
12 Abzügen völlig neu aufgearbeitet worden, und
wenn dies auch auf das sorgfältigste, künstlerischste
durch Strang selbst geschah, so hat doch jede
Umarbeitung ihr eigenes Gesicht, und wir möchten
genau über jede unterichtet sein. Schliesslich be-
darf die Art der Angabe über die jeweilige Auf-
lage noch eines erklärenden Wortes. Angegeben
wird immer die Anzahl der „Proofs“ — was man
etwa mit „Künstlerdrucken“ übersetzen könnte.
Es sind dies die eigentlichen, für den Verkauf be-
stimmten Drucke, meist von Goulding hergestellt.
Vor diesen kommen nun aber — und sind in der
angegebenen Zahl nicht mit inbegriffen — die wirk-
lichen Probedrucke und eine wechselnde, meist
geringe Zahl von Abzügen, die der Künstler selbst
zu Hause hergestellt hat. Nach ihnen — und
das ist das wichtige — kommen in manchen Pallen
die Auflage-Drucke. So steht z B. bei No. 470
„The Wine Drinkers“, dass es sechs „Proofs“ gäbe.
Die Radierung ist aber die allergewöhnlichste, die
es von Strang gibt, denn sie erschien in einer
Auflage von etwa ein Tausend — übrigens vor-
züglichen — Drucken in einer Quartalsmappe bei
Mac-Millan & Co. Darüber wird im Katalog nichts
vermerkt, wie überhaupt jede Notiz über die Höhe
der Auflage von wirklich in Buchform erschienenen
Blättern, z. B. die zu „Nathan der Weise“, zum
„Ancient Mariner“, zum „Don Quixote“, zum
„Kipling“, fehlt. Bei der Eolge zu meinem Buch
(No. 303—7) und zu Binyons „Western Eianders“
(No. 346—355) fehlt andererseits die Notiz, dass
eine Anzahl solcher „Proofs“, die vor der eigent-
lichen Auflage abgezogen wurden, bestehen. Vom
„Tennyson“ (No. 310) gibt es drei oder vier Ab-
züge in Barben. Zu der schwarzen Platte hatte
Strang zwei Tonplatten gearbeitet: es ist sein
einzigei’ Versuch dieser Art. Auch diese Angaben
fehlen, sowie z. B. die Nachricht, dass Nr. 467 die
einzige Platte ist, die er je unmittelbar vor der
Natur radiert hat, dass auf No. 417 Binyon und
Verlaine zu sehen sind, dass No. 268 wie die
Nrn. 200 und 227 gleichfalls den prächtigen Novellen-
dichter T. Hardy darstellt, dass die Nrn. 15, 29, 110,
134, 328 und 331 eigentlich Selbstbildnisse sind,
deren inan noch weitere auf No. 8, 13 und 24 be-

gegnet, dass auf No. 13 Schiller nach einer Stelle
in Carlyles Lebensbeschreibung erscheint, dass
No. 226 Anlehnungen an Dürer, No. 294 an Hol-
bein, No. 441 an Velazquez enthält, etc.
Selbstverständlich haben wir kein Recht, alles
dies in der Bonn von Einwendungen oder Tadel
hervorzuheben, denn das Buch drückt es nirgends
aus, dass es als kritischer Oeuvrekatalog angesehen
sein will. Wir können nur bedauern, dass es nicht
im Plan des Künstlers lag, die Arbeit gleich zu einem
Oeuvrekatalog auszubauen. Die Bemerkungen mögen
nur verhindern, dass j emand etwas in diesem Buch
sucht, was sich seiner Anlage nach nicht darin
befinden kann. Auch so, wie es ist, bietet es Reiz
genug, indem es uns zunächst ein treffliches Ab-
bild derjenigen Arbeit des Meisters gibt, die er
selbst für würdig hielt, als Stütze seines Ruhmes
auf die Nachwelt herabkommen zu lassen.
Hans W. Singer
Italienische Kunst.
Arthur Weese, Renaissance-Probleme. 76 S.
Bern, A. Erancke. 1906. M. 1,—.
Es ist etwas merkwürdiges mit diesem Buch:
man liest es und bringt es doch in einem Zug zu
Ende; dann geht man einmal im Zimmer herum,
setzt sich wieder und liest es von neuem. Eigent-
lich liegt das Schriftchen mit sich selbst im Kampf,
Sein Inhalt ist: problematische Naturen als
Hauptvertreter einer Periode, deren Charakter
problematische Naturen ausschliesst. Das klingt
bizarr genug. Und doch wird der Autor nicht
leugnen können, dass es schliesslich auf nichts
anderes hinausläuft.
Das Wahrzeichen der Renaissance ist Andrea
del Verrocchios Colleoni, der drohend und gewaltig
vor Ss. Giovanni e Paolo steht. Wenn Donatello
noch im Gattamellata den besonnenen, wägenden
Strategen hinstellt, so verkörpert sein grosser
Nachfolger, der losgelöst von der gotischen Basis
der erste wahre Renaissancekünstler ist, lediglich
den eisernen Willen, der nicht gegen menschliche
Eeinde an rennt, den Willen, der gegen das Schicksal
kämpft. „Die Renaissance nun ist die grosse Schule
des Willens. Sie hat nur Sinn für die Tat. Nie-
mals hat es so wenig elegische Betrachtung der
Vergangenheit noch lyrische Versenkung in die
Gegenwart gegeben ..." Ist das richtig? Kennt
die gesamte Kunstgeschichte eine Epoche, die
reicher wäre an lyrischer Versenkung? Welche
andere Zeit hat das „willenloseste, lyrischste
Thema mit der gleichen Liebe und Ausdauer
 
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