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Anhängsel mehr, sondern die Architektur ist selbst schön. »Zierkunst« hat sich,
ebenso wie die Bildhauerei, vertieft. Diese geht in der Einrichtung (Möbel usw.)
auf. So werden Gebrauchsgegenstände schön durch ihre elementare Form;
also in sich selbst. Und doch sind sie wieder nichts in sich selbst — sie machen
sowohl in Farbe als in Form nur einen Teil der Architektur aus. In der Woh-
nung wird der Raum durch »die sogenannten Möbel« bestimmt und diese stehen
wieder im Zusammenhang mit der Raumeinteilung, da das eine gleichzeitig
mit dem anderen gestaltet wird. Das Plazieren eines Schrankes ist von der-
selben Wichtigkeit wie dessen Form und Farbe, und dies alles ist wieder ebenso
belangreich wie das Schaffen des Raumes. Wer früher Architekt, Bildhauer
oder Maler war, bringt jetzt in seinem eigensten Wesen alles gemein-
schaftlich zustande, oder vereinigt alles in einer Person. —
Die Anschauung der neuen Gestaltung, daß sich Gebrauchsgegenstände im
Ganzen einfügen müssen und sich gegenseitig aufheben müssen, steht gänzlich
im Gegensatz zu bestimmten modernen Anschauungen, welche Gebrauchsstücke
gerade einzeln als Kunstgegenstände betrachten wollen. Sie wollen diese Kunst
zur »Kollektivkunst« machen, sie »ins Leben stellen«. — Tatsächlich ist es
nichts weiter als »Kunstmalerei« oder »Kunstbildhauerei« zu rechtfertigen, —
und auf unlautere Weise, da Kunst »Freiheit« verlangt. Durch solche Bestre-
bungen kann die uns umgebende Außenwelt nie »erneuert« werden, die ihr
zukommende Aufmerksamkeit wird in Kleinigkeiten verkrümelt. Derartige
, Bestrebungen schaden, auch der geläuterten Malerei, wenn sie rein gestaltende
Elemente benutzen. — Dann wird diese Art von Malerei »dekorativ«, wo
sie rein gestaltend sein sollte. Die neue Gestaltung neigt, durch ihre Flächen-
haftigkeit scheinbar zum Dekorativen —, aber tatsächlich besteht das Deko-
rative nicht für den Begriff der neuen Gestaltung. — So ist von der Malerei
ausgehend auch das Urteil über Architektur gesprochen; weil sie alles in sich
vereint, ist das möglich. Denn obzwar die Ästhetik der neuen Gestaltung aus
der Malerei entstanden ist, gilt sie, nachdem sie einmal zum Begriff geworden
ist, für alle Künste. —
März 1922.
Anhängsel mehr, sondern die Architektur ist selbst schön. »Zierkunst« hat sich,
ebenso wie die Bildhauerei, vertieft. Diese geht in der Einrichtung (Möbel usw.)
auf. So werden Gebrauchsgegenstände schön durch ihre elementare Form;
also in sich selbst. Und doch sind sie wieder nichts in sich selbst — sie machen
sowohl in Farbe als in Form nur einen Teil der Architektur aus. In der Woh-
nung wird der Raum durch »die sogenannten Möbel« bestimmt und diese stehen
wieder im Zusammenhang mit der Raumeinteilung, da das eine gleichzeitig
mit dem anderen gestaltet wird. Das Plazieren eines Schrankes ist von der-
selben Wichtigkeit wie dessen Form und Farbe, und dies alles ist wieder ebenso
belangreich wie das Schaffen des Raumes. Wer früher Architekt, Bildhauer
oder Maler war, bringt jetzt in seinem eigensten Wesen alles gemein-
schaftlich zustande, oder vereinigt alles in einer Person. —
Die Anschauung der neuen Gestaltung, daß sich Gebrauchsgegenstände im
Ganzen einfügen müssen und sich gegenseitig aufheben müssen, steht gänzlich
im Gegensatz zu bestimmten modernen Anschauungen, welche Gebrauchsstücke
gerade einzeln als Kunstgegenstände betrachten wollen. Sie wollen diese Kunst
zur »Kollektivkunst« machen, sie »ins Leben stellen«. — Tatsächlich ist es
nichts weiter als »Kunstmalerei« oder »Kunstbildhauerei« zu rechtfertigen, —
und auf unlautere Weise, da Kunst »Freiheit« verlangt. Durch solche Bestre-
bungen kann die uns umgebende Außenwelt nie »erneuert« werden, die ihr
zukommende Aufmerksamkeit wird in Kleinigkeiten verkrümelt. Derartige
, Bestrebungen schaden, auch der geläuterten Malerei, wenn sie rein gestaltende
Elemente benutzen. — Dann wird diese Art von Malerei »dekorativ«, wo
sie rein gestaltend sein sollte. Die neue Gestaltung neigt, durch ihre Flächen-
haftigkeit scheinbar zum Dekorativen —, aber tatsächlich besteht das Deko-
rative nicht für den Begriff der neuen Gestaltung. — So ist von der Malerei
ausgehend auch das Urteil über Architektur gesprochen; weil sie alles in sich
vereint, ist das möglich. Denn obzwar die Ästhetik der neuen Gestaltung aus
der Malerei entstanden ist, gilt sie, nachdem sie einmal zum Begriff geworden
ist, für alle Künste. —
März 1922.