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SIEBENTES KAPITEL.
DER ORIENTALISCHE EINBAND.

TAie neue Zeit, die Renaissance, wies allen
U Gebieten der Kunst und der gewerb-
lichen Künste neue Wege und gab ihnen
neue Formen. Sie bedeutet auch einen
Wendepunkt in der Entwicklung der Buch-
binderkunst, da sie der Buchbinderei eine
neue Technik der Decken Verzierung, die
Goldpressung, und zugleich neue Deko-
rationsmotive brachte.
Beides, die neue Technik und die
neuen Zierformen, nahm gegen Ende des
15. Jahrhunderts von Italien aus seinen Aus-
gang und wurde von dort zuerst nach
Frankreich und Spanien und später nach
Deutschland und England verpflanzt.
Für die Umgestaltung des Bucheinbands
in Italien am Ende des 15. und am Beginn
des 16. Jahrhunderts sind zwei Momente
von der grössten Bedeutung gewesen:
erstens die Einführung und die Verbreitung
der Buchdruckerkunst in Italien und zwei-
tens die Uebernahme orientalischer, is-
lamitischer Formen für die Verzierung der
Einbanddecken.
Seit alter Zeit hatte man es nirgends
besser verstanden, Leder zuzubereiten und
ornamental zu verzieren, als im Orient.
Die alten Völker Asiens und die Aegypter
waren schon berühmt durch ihre Verfahren,
Tierfelle zu gerben, und die Araber waren
im Mittelalter Meister sowohl in der Zuberei-
tung wie in der Verarbeitung des Leders.
Mit der Ausbreitung der arabischen Herr-
schaft wurde auch die arabische Leder-
industrie in jene Länder verpflanzt, die von
ihnen besetzt wurden, besonders die Länder

an der Nordküste Afrikas und Sizilien und
Spanien. Das narbige Ziegenleder von
Cordova war besonders geschätzt und
wurde nach dieser Stadt Corduan ge-
nannt. Die Franzosen nennen das feine
Ziegenleder maroquin nach der Stadt
Marokko, ebenfalls einem berühmten Sitz
der Lederindustrie. Der Ausdruck Maro-
quin hat sich auch in Deutschland zumeist
eingebürgert; die Engländer gebrauchen
das Wort morocco. Die eigenartige Zu-
bereitung des Chagrin-Leders stammt
von den Türken. Das sprachlich inter-
essante Wort chagrin kommt aus dem tür-
kischen zägri, d. h. Rücken oder Kreuz, weil
das Leder, das man so zubereitete, von
dem Kreuz des Esels oder Maultiers ge-
nommen wurde. Die Oberfläche des Cha-
grin-Leders wird körnig gemacht, indem
man die kugelförmigen harten Samen-
körner einer bestimmten Pflanze (der
wilden Melde, Chenopodium album) in das
weiche Leder eindrückt und wieder heraus-
klopft. Das Leder wird dann gewässert,
so dass die durch die Samenkörner ein-
gedrückten Vertiefungen aufquellen und
die halbkugelförmigen Körnungen auf der
Oberfläche des Leders bilden.
Diese orientalischen Lederarten wusste
man schon im Mittelalter in aller Welt
zu schätzen. Die Renaissance brachte dem
Abendland nun auch die Lederverzierungs-
künste des Orients.
Unter orientalischen Bucheinbänden ver-
steht man die Bucheinbände bei den Völ-
kern des Islam in Arabien, den arabisch-
 
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