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Müller, Karl Otfried
Archäologische Mittheilungen aus Griechenland (Band 1,1): Athens Antiken-Sammlung — Frankfurt a.M., 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.900#0011
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ANSCHAULICHKEIT DES GRIECHISCHEN ALTERTHUMS
IM LAND UND SEINEN UEBERRESTEN.

Dem Freunde des Alterthums beut das jetzige Griechenland in gewissem Sinne weit weniger als
Italien, in anderem viel mehr. Der ungelehrte Besucher, der auf seinem Boden sich von lebhaften
Eindrücken des Alterthums umgeben zu sehen hofft, findet sich getäuscht. Er trifft im Ganzen — die
zahlreichen Beste von Städtemauern ausgenommen — auf wenige Buinen der Architektur, deren er
auf einer Beise nach Neapel und Sizilien mehr, ihm vielleicht imposantere beschauen konnte. Was er
von plastischen Werken und antiken Geräthen vorfindet, bleibt, Alles zusammengenommen, an Zahl
weit unter dem Beichthnme irgend eines der nahmhafteren italischen Museen, und von diesem kleinen
Vorrath ist wieder der grössere Theil von unerheblichem Kunstwerth. Wer aber vorbereitet diese ver-
ödete, einst su geistvolle Weit betritt, der fühlt sieh lebhafter und tiefer in's Alterthum zurückversetzt,
als unter den reicheren Genüssen der italischen Monumente und Sammlungen. Fast möchte man sa-
gen, dass sich der alte Gegensatz von Rom und Griechenland noch in der Nachschattung erhalten
habe': dort die imponirende Grösse und Fülle, hier das sinnvolle und schöne Maass.

Das Laud, das in Italien zu einem Bilderbuch so vieler Zeiten geworden ist, gewährt in Hellas
vor Allem den Eindruck einer grossen Bühne der Erinnerung nur an die classische Zeit. Denn das
Mittelalter — zerfallene Thürme und ein Paar Klöster auf Inseln ausgenommen — tritt uns nicht ent-
gegen. Von den Türken erzählen nur unbedeutende, jetzt noch verringerte Moscheen, kleine Minarets,
kleinliche, meist geschleifte Fest imgsmauern und nützliche zwar, doch ungeschminkte Wasserleitungen
und BrunneD. Und was die junge Gegenwart ain Laude hat tliun können, ist so unverhältnissmässig
klein gegen die grossen Möglichkeiten, die sich an ihm darstellen, wie die Bevölkerung ohneVerhält-
niss gering ist gegen die Landschaften. Welche Lagen, und wie klein und formlos die wenigen Städte,
welche Küsten-Ebenen und Thäler, unbebaut, welche Haien, und wie wenig Schilfe! Alles nur eben
noch so bewohnt, um hereist werden zu können mit Gedanken an die einstigen Bewohner. Es ist so
still um den Wanderer her in Griechenland. Was am meisten den Sinn einnimmt, mit den erhabensten
Zügen die Betracntung beschäftigt, das gerade ist noch ganz das Alte, das Aelteste, der vorbildende
Grund, von dem das sittenreiche, bildsame Leben der Hellenen umfangen war — diese Natur, die in
ihrer Verwandtschaft zum alten Volksgeiste die Erinnerung an ihn so mächtig hebt und wieder von ihr
belebt wird. In stets erneuten Uebersichten unter dem lauteren, glühenden Himmel, von Insel zu Insel-
Gruppen, die, wie Marmorwände, auf der blauen See erschimmern, von Küstenhöhen zu jenseits klaren

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