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Müller, Karl Otfried
Archäologische Mittheilungen aus Griechenland (Band 1,1): Athens Antiken-Sammlung — Frankfurt a.M., 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.900#0016
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i oder in dieselben eingemauert sieht. Leichter wird die Einbildung zurückgeleitet zur alten
Bedeutung und Gestalt von Ueberbleibseln, die sie, wie die Tempelzellen zu Rliamnus, in derWild-
niss, überwachsen von Gestrüpp, als wenn sie solche unter den Häusern und dem Getreibe jetziger
Bevölkerung antrifft.

Es beschränkt sich aber, was die Erde Griechenlands von alter Architektur behalten hat, nicht
blos auf solche mehr mahnende, als darstellende Sporen; wie man denn Fundamente und Glieder-
stücke von grössern und kleinern Heili*thümern in allen Theilen des Landes auf jeder Tagereise ein-
mal oder mehrfach bemerken kann; sondern es reichen auch Ruinen besseren Standes noch hin, von
den verschiedenen Stufen der griechischen Baukunst und von der Vollendung, die sie erreicht hat,
bestimmtere Begritfe zu geben. Tiryns auf dem Küstengefild von Argos, dieses Castell von Ungeheuern
Blöcken, und zu Mykenä das unterirdische, auf runder Grundfläche sich bis zur schliessenden Spitze
verjüngende Gebäude, ausserdem eyklopische Mauern, wie sie in keinem Strich des Landes fehlen,
rucken bei verschiedener Anlage und Ausführung mit gleichem Nachdruck den Bautrieb alter Zeiten
vor Augen, dem die massive Festigkeit und Dichtigkeit der Construktion noch das Hauptaugenmerk
war. Zu Enböa das kleine Heiligthum der HimmeLsgüüin auf der Höhe des Berges Ocha, die Wände
gedeckt von über einander vortretenden, immer längeren und leichteren, zuletzt durch verbindende
Platten geschlossenen Blöcken, gewährt das Beispie! eines alterthümüch einfachen Tempels. An an-
dern bedeutenden Ruinen stellt sich die Säulenarchitektor musterhaft oder mit interessanten Abwei-
chungen dar. Der Tempelüberrest auf der Stadtfiäche von Korinth, ist gleich sein Alter, nacb dei'
Lindigkeit des Profils vom Capitälhalse hinauf zu urtheilen, schwerlich so früh, als es die herrschende
Meinung schätzt, gemahnt doch durch das Gedrungene, Stämmige seiner aus einem Stück gehauenen
Säulen an den alten Charakter des dorischen Styls. Nicht mehr aus einem Stück und gestreckter
sind die Säulen des Aeginelisehen Pallastempels, der wohl erkennbar nach Eintheüung und Glieder-
verhältnissen, den entwickelten dorischen Styl in der Stärke seiner massig strebenden Säulen, der
sattsamen Schwere des Gebälks und den geregelten Ziergliedern anschaulich macht. Den auf diesel-
ben Prinzipien gegründeten, edler und feiner entfalteten attischen Styl zeigen zu Athen der in seiner
Gesamtgestalt so gut erhaltene, schlanker als der äginetische gestellte Theseustempel, die grossartigen
Propyläen der Akropolis, diese dorischen Hexastyle vor und nach einem Durchgange, welcher drei
ionische, prächtig hochwüchsige Säulen entlang führt; es zeigt ihn die Ruine des Parthenon in hoher,
einziger Schönheit. Wiederum lässt einen mehr verdünnten dorischen Styl die noch übrige heiter-
schlanke Säuleureihe des Tempels auf dem Vorgebirge von Attika bei Sunion sehen. Athen giebt
auch vom ionischen Styl in dem kleinen Tempel der Siegesgöttin vor dem Südflügel der Propyläen
ein eigenthümiiehes Gebilde, das in seinen Hauptverhältnissen eine schlichte Tüchtigkeit, in den Form-
gliedern Annruth ohne Weichheit hat. Und die höchste Blüthe des ionischen Styls und zierlichste
Feinheit der Ausführung trägt auf der Akropolis das Erechtheion an sich, dieses im Verhältnis« zu
seinem Umfang so ungemein reiche, für die Ansicht mannichfaltig schöne und in den Theilgliedera
reizend geschmückte Tempelgebäude. Es sind diese attischen Monumente, welche, zumal durch die
Vergleichung und Ergänzung der Eindrücke bei ihrer Nähe untereinander, die Energie der griechi-
schen Baukunst im Verbinden und plastischen Entwickeln der Glieder und die Vollendung im Aus-
 
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