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Müller, Karl Otfried
Archäologische Mittheilungen aus Griechenland (Band 1,1): Athens Antiken-Sammlung — Frankfurt a.M., 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.900#0139
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— 131 ------

Leitung der Schüier des Phidias entstanden ist. Man kann also in den Werken, die uns unter Phidias
und seiner Schüler Namen überliefert sind, das Hervortreten einer hohen Genialität und plastischen
Reife noch neben einer einseitigeren Gewöhnung älterer und einer niedrigeren Bildung mitthätiger
Zeitgenossen bemerken. Wofern nun wirklich die urkundlich jüngeren Werke des Erechtheion um
einen Grad weniger Ursprünglichkeit, im Ganzen aber mehr gleichartige Sicherheit vor Augen stellen:
so wird man der Ueberlieferung über Herkunft und Epoche der Parthenon-Sculpturen desto mehr
vertrauen können.

Ueber die Bildwerke vom Fries des Niketempels und von der Balustrade, die seinen Unterbau
krönte, hab' ich mich an anderen Orten bereits ausgesprochen l) und hoffe, sie später einer besonder»
Betrachtung zu unterziehen. Es ist mir bei diesen, wie bei den Bildwerken am Theseus-Tempel,
nicht möglich, sie für älter als jene des Parthenon zu halten. Bei Aufzeichnung der Reliefs am Nike-
tempel-Friçse hat sich Müller bemerkt, dass sie in gewisser Beziehung an die vom Denkmal des
Ljsifirates erinnern. Hier können genaue Vergleichungen und Studien noch interessant und lehrreich
für die Kunstgeschichte werden. Ich sehe nächst den plastischen Resten vom Erechtheion diese Com-
positìonen als Hauptmittel an, um' uns über die Periode der Plastik nach Phidias und den steligen
Zusammenhang zwischen seiner und der Skopas-Praxitelischen Epoche bestimmte Begriffe zu geben.
Die lebhaften Fries-Reliefs des Niketempels möcht' ich zwischen diese beiden Epochen setzen, die musi-
kalisch bewegten Nikeliguren seiner Balustrade könnten etwa selbst schon der zweiten dieser Epochen
angehören. Die grossartige Niobe-Tochter des Museo Chiaramonti, treffliche Bildnis»-Statuen aus
derselben Epoche, wie die des Aescbines und Demosthenes, die zu Neapel und Rom noch mehrfach
vorhanden sind, dann das Denkmal des Lysikrates, nach der Blüthezeit des Skopas und Praxiteles,
wenige Jahre nach der Schlacht bei Chäroneia, ausgeführt, die in's Britische Museum gebrachte
Dionysos-Statue vom Denkmal des Thrasyll, welches kurz nach den tollsten Wechselfallen der Dia-
dochenzeit errichtet ward — diese und ähnliche in verschiedenem Sinne werthvolle Erhtheile sind
noch nicht so ganz ausgebeutet. Die zweite Hochblüthe der attischen Plastik, wunderbar in der poli-
tischen Herabspannnng und Entnervung Athens, kann in ihrer Grösse'und Manichfaltigkeit, in ihrer
immer noch ächten, maassvolfen und geistreichen Schönheit noch viel deutlicher werden. Weitere
-Belege ihrer fortdauernden Schule und verlaufenden Wirkung sind sodann die attischen Grabdenk-
mäler, Zu ihnen wollen wir biernächst uns wenden.

') Försters Allg. Bauzeitung 1811.
 
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