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Müller, Walther
Die Theseusmetopen vom Theseion zu Athen in ihrem Verhältnis zur Vasenmalerei — Göttingen, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.901#0056
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— 56 -

Augenblicke zu verlangen. Dieser aber lässt sich in seiner den Mo-
ment zum Handeln erlauernden Haltung nicht stören. Sein Heroismus
wird durch seinen Begleiter erst in das rechte Licht gesetzt, der er-
schreckt nach rechts davon eilt. Eine rechte Eckfigur hat mehr Zu-
trauen zu der Tapferkeit des attischen Jünglings. Er steht erwar-
tungsvoll, auf die Mittelscene hinblickend. Aus seinem Antlitze spricht
eine komische Borniertheit, wie über der ganzen Scene, namentlich der
Figur des Bäubers, ein Zug von beabsichtigter ernster Komik lagert.
Es liegt der Gedanke nahe, die Vase möchte unter dem Einflüsse des
jüngsten der drei grossen Tragöden entstanden sein. Dieselbe Anord-
nung der Figuren repräsentiert die Vase aus Anzi (16). Nur in den
Stellungen hat der Maler die Fortschritte der Plastik nicht unbenutzt
gelassen. So setzt Theseus den linken Fuss hoch auf einen Fels, ein
Motiv, das in der jüngeren Bildhauerkunst, namentlich bei dem Gott
des Meeres, sich vielfach wiederholt. Den linken Ellenbogen stützt er
auf das erhobene Knie, die Hand macht den Gestus der Rede, während
die Rechte hinter dem Rücken die Keule zum Schlage bereit hält.
Offenbar erwiderte Theseus eben die Aufforderung des Gegners, ihm
die Füsse zu waschen, mit einer Weigerung, infolge deren sich im
nächsten Moment der Kampf entspinnen wird. Denn Skiron ist schon
im Begriff, den rechten Fuss in das Waschbecken zu setzen, in der
bestimmten Erwartung, Theseus werde seinem Befehle unverzüglich
Folge leisten. Die Lanze, auf welche sich die Linke stützt, ist eine
selbständige Zuthat des Malers; ebenso das Fell, das der Mörder über
die linke Schulter geworfen. Sonst weist die äussere Erscheinung der
Männer 15 gegenüber keinen Unterschied auf. Die gefrässige Schild-
kröte ist nicht vergessen.

Zwei plastische Vorbilder also scheinen hier der Vasenmalerei
ihre Wege gewiesen zu haben. Sie selbst gingen in ihrer Auffassung
nicht eben weit auseinander. Nur setzte die Metope in einem früheren
Momente ein und bildete- ihr Thema künstlerischer durch. So teilen
sich auch die Vasenbilder in zwei Hälften. Eine sichere Nachahmung
der Metope aber findet sich wiederum erst in der Mitte der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts. Um dieselbe Zeit kommt eine neue
Todesart auf, die sich mit der Nachbildung des Reliefs teilweise ver-
bindet. Sie ist vielleicht auf den Skiron des Euripides zurückzuführen,
wie mit derselben Wahrscheinlichkeit der neue Typus, welcher auch
um diese Zeit aus der eigenen Erfindungskraft der Maler hervorge-
wachsen und die Introduktion zum Kampfe bildet. Über die äusseren
Details ist nur zu bemerken, dass auch hier öfter, als sonst, die Nackt-
heit des Theseus den Vorzug erhält. Der schwarzfigurigen Technik
ist der ganze Gegenstand fremd geblieben.
 
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