Metadaten

Müller und Gräff <Stuttgart> [Editor]
Mörike und der schwäbische Dichterkreis: Bücher, Autographen, Handzeichnungen, Silhouetten, Bildnisse aus der Sammlung Hanns Wolfgang Rath ; [Versteigerung am 29. und 30. Juni 1932] — Stuttgart, [1932]

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6102#0009
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Dem Kenner und Liebhaber begegnet bei einer Wanderung durch den vorliegenden Katalog
unter allen Abteilungen vielerlei Begehrenswertes. Hölderlins Gedichte, in jugend-
frischer Schöne, werden Kerners Gedichte, obgleich nahezu ebenso frisch, weit hinter
sich lassen. Mörikes Maler Nolten mit einem schönen Stück der vielgesuchten Musik-
b e i 1 a g e wird manches Herz hochschlagen lassen, die noch nie im Handel vorgekommene „I r i s"
mit Mörikes Jugendbild und besonderem Titelblatt einen künftigen Be-
sitzer entzücken. Aus der reichen Mörike-Literatur sei der Einzelschriften Ludwig
Bauers gedacht, die an Seltenheit ohne Ausnahme der Seltenheit derWaiblingerischen
Einzeldrucke den Rang streitig machen. Bin ich doch dem „Heimlichen M a l u f f"
erst nach zwanzigjährigem Suchen — einmal und nie wieder — begegnet. Und diese köstlichen
„Überschwänglichen" mit ihren Kapitalspässen (wie Mörike sich äusserte), — nur zweimal
habe ich sie in den Jahrzehnten gefunden! (Dass ich diesen Schrein an Kostbarkeit habe neu heraus-
geben, Bauer wieder zum Leben erwecken dürfen, will mir eine der schönsten Früchte meiner Arbeit
bedeuten.) Auf die grosse Seltenheit der zur Peregrina-Episode so ungemein wichtigen Schriften
Münchs hinzudeuten, darf hier nicht unterbleiben. Auch jenen beiden kuriosen Käuzen, die mit
den zwerchfellerschütternden Erzeugnissen ihrer Muse Mörike lange Zeit so herzhaft erheitert
haben, Friedrich Ernst (der grüne Esel) und Schmetzer wünsche ich eine glückhafte Fahrt zu sicherm
Port. Auf die reiche Zahl Störrischer Erstausgaben, auf V i s c h e r und Waib-
1 i n g e r wird das Auge des Kenners beim Blättern von selbst aufmerksam werden. Bei der Zeit-
schriftenauswahl sei auf die höchst seltene komplette Folge der ,,H alleschenjahrbücher"
und auf die„JahrbücherderGegenwart" besonders hingewiesen. Dass sich im C o 11 a -
sehen Morgenblatt eine reiche Fracht an gewichtigen Erstdrucken findet (1856 Mörikes
„Mozart") ist bekannt. An dieser Stelle erübrigt sich hinzuweisen auf die aus Mörikes
eigenem Besitz stammenden Werke, die im Katalog genau beschrieben sind.
Ein herzliches Anliegen ist mir, dass die beiden Widmungsexemplare Mörikes aus
seiner Frühzeit liebevolle Pfleger finden möchten, wie nicht weniger auch die ausgewählten gegen-
ständlichen Erinnerungen an den Dichter.

Der reiche Bestand an Handschriften ermöglicht manchem Sammler, diese und jene schmerz-
lich empfundene Lücke auszufüllen. Zum erstenmal — und voraussichtlich nicht wieder — er-
scheint Eduard Mörike als Maler und Zeichner hier auf dem Plan.

Wie der reichhaltige Nachlassteil Paul Konewkas mit den mancherlei Proben
seines hohen Könnens und den Briefen von, an und über ihn, ist die umfangreiche Reihe von Sil-
houetten wohlbekannter Grössen von der sicheren Hand Luise Walthers, der Freundin
Mörikes — in deren traulichem Heim ich vor langen Jahren manches Mal ihren Erinnerungen
an die Grossen der Vergangenheit lauschen durfte — besonderer Beachtung wert. Eine Mozart-
r e 1 i q u i e , vor bald einem Jahrhundert zu einem Reiflein zusammengeflochtene Haare des
Meisters, von zwei Echtheitstesten begleitet, dürfte sich so schnell nicht wieder darbieten. Und
nun noch zum Abschluss: Goethe: ein unveröffentlichtesSilhouettenbildnis
des Zweiundvierzigjährigen, der sich eben zuvor in Italien nichts an leiblichen Genüssen
hat abgehen lassen — eine Darstellung, auf den ersten Blick ungewohnt, aber man betrachte sie
nur einige Augenblicke, oder decke vom Kinnansatz zu Stirnansatz den Kopf mit der Hand zu
— Goethe, ja er ist's! Und Goethes Todesanzeige mit dem Originalbrief-
umschlag, die schöne Handzeichnung des Dichterfürsten, deren mir einst aus gross-
väterlichem Besitz vier überkamen.

Doch nun möge der Katalog selbst in jeder einzelnen Nummer Zeugnis ablegen von meiner
Sammeltätigkeit. Zwischen seine-n Zeilen wird für mich späterhin all das zu lesen sein, was
Stoffes genug hätte geben können für ein Buch Sammlererinnerungen.

So nehme ich denn Abschied von Euch, Ihr trauten kleinen und großen Dinge, die Ihr Euch
ein volles Lebensalter lang um mich geschart, deren holder Geist mein stilles Heim und Herz erfüllt.
Da es nicht sein soll, dass Ihr für alle Zeit zusammenbleiben dürft, möge der Segen aus diesem
Lebewohl dem förderlich sein, was mir an Arbeit zu vollenden noch vergönnt sein mag.

Im Mai 1932

Hanns Wolfgang Rath

(C. F. Schulz-Euler)
 
Annotationen