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Müller-Karpe, Hermann
Vom Anfang Roms — Heidelberg, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.31767#0081
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IV. ZUR ÄLTESTEN RELIGION ROMS

Wir wenden uns nun der Frage zu, was sich an Hand der Bodenfunde über die
Religion der römisch-albanischen Früheisenzeitkultur, vornehmlich der ältesten
Stufe, aussagen läßt. Dazu müssen wir versuchen, zu einer Deutung der einzelnen
Typen im Hinbück auf ihre Zweckbestimmung und ihren Charakter als Sinnträger
bestimmter Vorstellungen zu gelangen.

Diesem Problem ist seit Bekanntwerden der Funde vom Boden Roms und aus
dem Albanergebiet Beachtung geschenkt worden 1. Dabei ging man zumeist von der
Annahme aus, daß in der Früheisenzeit eine ganz bestimmte, in Analogie zum Dies-
seits gebildete Vorstellung vom Weiterleben nach dem Tode geherrscht habe, und
daß sich die Grabbeigaben unmittelbar auf diese Form des Jenseitsglaubens beziehen
würden. Im Rahmen dieser Theorie wurden die Hausurnen gedeutet als verkleinerte
Nachbildungen von Wohnhütten, in denen man sich den Verstorbenen wohnend
gedacht habe, die Calefattori als Nachbildungen von Koch- und Wärmeherden, die
für jene Totenhäuser so wichtig gewesen seien wie die richtigen Herde für die Häuser
der Lebenden, die ovalen Schälchen als Lampen, die dreifüßigen Platten als Nach-
bildungen von Tischen und Schemeln, die dem Toten im jenseitigen Zustand ebenso
hätten nützen können wie die Miniaturausführungen von Schwertern, Lanzen und
Messern, die man eigens zum Gebrauch der Toten hergestellt habe. Die in den
Gräbern vom Forum Romanum beobachteten Speisereste würden dann von der
Wegzehrung stammen, die dem Toten für die Reise ins jenseitige Reich zugedacht
worden sei.

Diese Art der Beigabendeutung hat sich freilich nicht nach einer kritischen
Untersuchung des vorliegenden Fundmaterials als die diesem am meisten gerecht
werdende Erklärung ergeben, sondern beruht auf einer apriorischen Ansicht von
prähistorischem Totenglauben und prähistorischer Religiosität. Es stimmt jedoch
bedenklich, daß ein Totenglaube, wie er durch die oben umrissene Deutung der
Grabbeigaben erschlossen werden soll, aus antiken Nachrichten nirgends zu bele-
gen ist, wenn man von einigen dichterischen Wendungen und bildlichen Redens-
arten absieht, die aber natürlich nicht wörtlich genommen und als Äußerungen
lebendiger Jenseitsvorstellungen gewertet werden können.

G. Boni, der verdienstvolle Ausgräber der meisten Früheisenzeitgräber vom
Forum, beschritt bei der Deutung einiger Grabbeigaben, vor allem der fleischlichen

1 Vgl. hauptsächlich v. Duhn, Italische Gräbexkunde I 413ff. mit Angabe älterer
Literatur.
 
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