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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 22.1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.21528#0056

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Gründe sind doch nicht immer wohlfeil!

Aer Abgeordnete und Gutsbesitzer Frhr. v. Ow ist gewiß
immer, wie mau zu sagen Pflegt: gut gestandeu. Mit seinem
Referat über die direkten Wahlen hat er stch jedoch bedeutend in
Schulden gestürzt.

Er ist nämlich für verschiedene Behauptungen, die er gegen
die direkten Wahlen aufstellte, den Beweis schuldig geblieben.
Z. B. das allgemeine Stimmrecht bei Diätenlosigkeit der
Gewählten sei etwas ganz Anderes, als da, wo Diäten bezahlt
werden. Warum? Wieso? Wenn das allgemeine Stimm-
recht schon durchführbar ist ohne Diäten, um wie viel leichter
wird sich die Wählerschaft thun, wenn sie näch den Subsistenz-
mitteln ihres Gcwählten nicht zu fragen braucht?

Ferner: die allgemeinen Wahlen seien der Clubherrschaft
günstig. Aber bester.Herr v. Ow! Haben Sie nie etwas gehört
von der berühmten vereinigten Linken, nie etwas vom Abenthum-
Club? Solltcu Sie allein die von aller Welt gemerkte Taktik
nicht kenneu, welche in vielen deutschen Kammern Platz gegriffcn hat,
daß nämlich alle Fragen in den Parteiversammluugen entschieden,
die parlamentarischen Kämpfe aber meist nur zür Erbauung des
großen Publikums aufgeführt werden? Zerfällt eine Kammer in
mehr Fraktionen, als die gegenwärtige preußische, die nach
dem indirektesten aller Wahlsysteme gewählt ist?

Ferner: die direkten Wahlen regen die Gemüther zu sehr auf.
Glauben Sie, Herr v. Ow, daß die nächsten Wahlen die Gemüther
gleichgültig lassen? Jn Sachsen stnd wir doch noch nicht,
trotz gewissen officiösen Zollparlamentscandidatenreden!

Ferner: das bayrische Volk will eine starke, keine kraftlose
Regierung. Haben Sie an Napoleon III. in Folge des allge-
meinen 'Stimmrechts schon eine Schwächeanwandlung geschcn?
Steht Graf Bismark im Zollparlament kraftlos da? Sie hätten
Jhren Satz gegen das direkte Wahlsystem schon anwenden können,
aber in umgckehrter Weise.

Endlich meinen Sie: wenn eine Kammer nicht mehr als
Ausdruck der Volksstimmung gelten kann, so wird sie ja ohnehin
aufgelöst! Den Beweis, den sie hiefür schuldig bleiben, dürfen
 
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