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Kleine FrüMcksPlaudereien.
Ueber die dritte Gastrolle, welche das Fräulein Mallinger in
Berlin gab, widersprechen sich die beiden größten Theaterjournale. Das
Eine behauptet: sie habe auch als Prinzessin im „Johann von Paris"
auf der Höhe ihres Rnfes gestanden nnd hervorragend gcsungen, während
das Andere sagt: ihre Stimmmittel reichten nicht aus und man sehe nun,
wie vicl Reclame bei dieser Miinchener Berühmtheit unterlaufe. Thea-
terblätter sind gewöhnlich Eigenthum und Organe von Theaterag enten,
und da kommt es eben darauf an, wer des Betreffenden Engagement
vermittelt hat. Nun gibt aber Glasbrenners „Montagszeitung" den
Ausschlag, indem sie galanter Weise die Hauptschuld auf die Undankbar-
keit der Parthie schiebt, im Ganzen aber doch durchblicken läßt, daß Frln.
Mallinger zum dritten Mal nicht gefallen hat.
Wenn Preußen auch dem König von Sachsen viele Rechte genom-
men hat, so gibt es ihm dafür anch neue, die er früher nicht bescssen.
Nachdem König Iohann zum Ritter des Ordens pour lo mörite für
Kunst und Wissenschast gewählt worden, hat ihn nun König Wilhelm als
Großmeister unter die stimmberechtigten Mitglieder aufgenommen.
Jn der preußischen Kammer war nnlängst die Rede davon, in wel-
cher Art in Berlin und den Städten des Jntelligenzstaates überhaupt die
Theatercensur geübt wird. Der Abgeordnete Dnnker machtc einige tref-
sende Bemerkungen, woraus wir folgende Worle hervorheben: „Es wird
gestattet, über den „hochweisen Rath der Stadt Berlin", über den „hoch-
weisen Magistrat" in aller möglichen Weise loszuziehen; es ist gestattet,
auch die Kleinstaaterei mit Schmutz und Hohn zu bewerfcn, aber auch
die leiseste Anspielnng anf nnsere inneren politischen Verhältnisse oder
der kleinlichste Vorwurf gegen unsere regierende Gewalt ist verpönt. .HLeb-
haftes Bravo!) Mich hat in Folge dessen der große Beifall, den das
Publikum solchen oft nicht sehr feinen, aber doch gestatteten Angriffen zn
Theil werden läßt, oft sehr verletzt; es wird dadurch eine Entsittlichung
des Publikums angebahnt. Man täuscht das Publikum, indem man ihm
den Anschein von Freiheit gibt, während es thatsächlich in Knechtschaft
sich befindet." Wirklich vortrefflich gesprochen. Die Corruption liegt
aber nicht nnr in der Handhabung des Gesetzes, nicht nnr in dem herr-
schenden Polizeiregiment, sondern auch im Geiste des verehrlichen alt-
preußischen Publiknms selbst. Das charakterisirt ja die Berliner
Witzpächter, daß sie sich am Churfürsten von Hessen, am König von Han-
nover, am Pabst, am Pastor Knack, kurz an Allen reiben, die ihnen Nichts
anhaben können. Die Bismark'schen Gewaltprincipien, die straflosen
Brulalitäten der Soldatesca, die Jmpotenz der Verwaltung gegenüber
dem herrschenden Nothstande u. s. w. werden wohlweislich nicht berührt!
Lobhndler waren zu allen Zeiten käuflich; wird es aber auch die Satyre,
so ist's ein Zeichen groher „Faulheit". '
Druck der vr. Wild'schen Buchdmckerei (Gebr. Parcus).
Kleine FrüMcksPlaudereien.
Ueber die dritte Gastrolle, welche das Fräulein Mallinger in
Berlin gab, widersprechen sich die beiden größten Theaterjournale. Das
Eine behauptet: sie habe auch als Prinzessin im „Johann von Paris"
auf der Höhe ihres Rnfes gestanden nnd hervorragend gcsungen, während
das Andere sagt: ihre Stimmmittel reichten nicht aus und man sehe nun,
wie vicl Reclame bei dieser Miinchener Berühmtheit unterlaufe. Thea-
terblätter sind gewöhnlich Eigenthum und Organe von Theaterag enten,
und da kommt es eben darauf an, wer des Betreffenden Engagement
vermittelt hat. Nun gibt aber Glasbrenners „Montagszeitung" den
Ausschlag, indem sie galanter Weise die Hauptschuld auf die Undankbar-
keit der Parthie schiebt, im Ganzen aber doch durchblicken läßt, daß Frln.
Mallinger zum dritten Mal nicht gefallen hat.
Wenn Preußen auch dem König von Sachsen viele Rechte genom-
men hat, so gibt es ihm dafür anch neue, die er früher nicht bescssen.
Nachdem König Iohann zum Ritter des Ordens pour lo mörite für
Kunst und Wissenschast gewählt worden, hat ihn nun König Wilhelm als
Großmeister unter die stimmberechtigten Mitglieder aufgenommen.
Jn der preußischen Kammer war nnlängst die Rede davon, in wel-
cher Art in Berlin und den Städten des Jntelligenzstaates überhaupt die
Theatercensur geübt wird. Der Abgeordnete Dnnker machtc einige tref-
sende Bemerkungen, woraus wir folgende Worle hervorheben: „Es wird
gestattet, über den „hochweisen Rath der Stadt Berlin", über den „hoch-
weisen Magistrat" in aller möglichen Weise loszuziehen; es ist gestattet,
auch die Kleinstaaterei mit Schmutz und Hohn zu bewerfcn, aber auch
die leiseste Anspielnng anf nnsere inneren politischen Verhältnisse oder
der kleinlichste Vorwurf gegen unsere regierende Gewalt ist verpönt. .HLeb-
haftes Bravo!) Mich hat in Folge dessen der große Beifall, den das
Publikum solchen oft nicht sehr feinen, aber doch gestatteten Angriffen zn
Theil werden läßt, oft sehr verletzt; es wird dadurch eine Entsittlichung
des Publikums angebahnt. Man täuscht das Publikum, indem man ihm
den Anschein von Freiheit gibt, während es thatsächlich in Knechtschaft
sich befindet." Wirklich vortrefflich gesprochen. Die Corruption liegt
aber nicht nnr in der Handhabung des Gesetzes, nicht nnr in dem herr-
schenden Polizeiregiment, sondern auch im Geiste des verehrlichen alt-
preußischen Publiknms selbst. Das charakterisirt ja die Berliner
Witzpächter, daß sie sich am Churfürsten von Hessen, am König von Han-
nover, am Pabst, am Pastor Knack, kurz an Allen reiben, die ihnen Nichts
anhaben können. Die Bismark'schen Gewaltprincipien, die straflosen
Brulalitäten der Soldatesca, die Jmpotenz der Verwaltung gegenüber
dem herrschenden Nothstande u. s. w. werden wohlweislich nicht berührt!
Lobhndler waren zu allen Zeiten käuflich; wird es aber auch die Satyre,
so ist's ein Zeichen groher „Faulheit". '
Druck der vr. Wild'schen Buchdmckerei (Gebr. Parcus).