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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 11
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Täuber, Ernst: Bericht über die Tätigkeit im chemischen Laboratorium der Kgl. Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste zu Berlin [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0053
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Nr. 11.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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Besondere Neigung zum Reissen zeigen die
Krapp- und Alizarinlacke auf weissem Oelgrunde,
und auf diesen Fall erstreckte sich daher zunächst
die Untersuchung.
Dass ein Reissen nicht stattfindet, wenn nass
in nass gemalt wird, ist jedem Maler hinlänglich
bekannt und ist auch ganz natürlich, denn in diesem
Falle gehen die Farben ohne scharfe Schichtung in-
einander über. Leider ist dieser sichere Weg nicht
gangbar, wo es sich um Erzielung von Lasuren
handelt, da eben durch Vermischung der lasieren-
den Farbe mit Weiss eine deckende Mischfarbe und
daher ein ganz anderer Effekt erzielt wird, als bei
dem Uebereinanderschichten der beiden Farben. Es
hat sich nun gezeigt, dass ein Reissen der über-
schichteten Lasurfarbe immer eintritt, wenn die weisse
Grundfarbe nur oberflächlich getrocknet ist, und dass
stets ein sehr vollständiges Trocknen durch die
ganze Masse des Untergrundes dem Uebermalen mit
der Lasurfarbe vorausgehen muss, um das Rissig-
werden der letzteren zu vermeiden. Man wird gut
tun, hier zur Untermalung z. B. stets das rasch trock-
nende Bleiweiss und nicht das äusserst langsam
trocknende Zinkweiss zu verwenden, da bei letzterem
der genügende Grad der Trocknung in der Regel
nicht wird abgewartet werden können.
Von grossem Interesse für die Malerei ist die
Frage, welcher Firnis sich im Gebrauche am meisten
bewährt, ob der bleihaltige oder der manganhaltige,
ob der bei hoher oder der bei niedriger Temperatur
bereitete.
Die Urteile, welche dann und wann an die
Oeffentlichkeit gelangen, schwanken hin und her,
und das ist leicht zu verstehen, nicht nur, weil die
Beobachtungen zumeist überhaupt nur oberflächlich
sind, sondern auch, weil der Zweck, dem das Pro-
dukt gerade dienen soll, bei dem Urteile den Aus-
schlag gibt. Dem einen Beobachter erscheint die
Farbe, dem zweiten die Trockenfähigkeit, dem dritten
endlich die Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene
äussere Einflüsse am wichtigsten, jeder bildet daher
in der Regel sein Urteil einseitig von seinem spe-
ziellen Standpunkte aus.
Da man zur Erlangung eines sicheren End-
urteils die Firnisse selbst bereiten und analysieren
muss und an den auf solche Weisse zuverlässig cha-
rakterisierten Produkten dann die mannigfachsten
und sorgfältigsten Beobachtungen anstellen muss, so
liegt es auf der Hand, dass man hier von vorn-
herein die Versuchsdauer nicht nach Monaten, son-
dern nach Jahren bemessen muss.
Eine grössere Versuchsreihe in der angedeuteten
Richtung ist im Sommer dieses Jahres begonnen
worden. Ueber ihre Ergebnisse wird erst nach Ab-
schluss der Versuche zusammenhängend berichtet
werden. Heute sei nur bemerkt, dass für die Kunst-
malerei die in üblicher Weise mit Bleiglätte bei
hoher Temperatur aus Leinöl hergestellten Firnisse
schon wegen ihrer dunklen Farbe nicht in Betracht

kommen können, dass dagegen die manganhaltigen
Leinölfirnisse, auch die bei höheren Temperaturen
bereiteten, infolge ihrer hellen Farbe bei guter
Trockenfähigkeit, für gewisse Zwecke, z. B. für die
Herstellung von Malgründen, wohl geeignet und
wertvoll sein dürften.
Dass die Versuche, welche im Laboratorium
der Hochschule ausgeführt werden, auch auf die
Bereicherung der Farbenskala hinzielen, ist
selbstverständlich ; kann es doch gar keinem Zweifel
unterliegen, dass unter den fast zahllosen Farbstoffen,
welche die chemische Industrie schon produziert und
noch produzieren wird, sich manche finden, welche
den höchsten billigen Anforderungen an die Wider-
standsfähigkeit vollauf genügen, nachdem es gelungen
ist, die besten natürlichen Pflanzenfarbstoffe, den-
jenigen des Krapps und den Indigo künstlich in
reinster Form zu billigem Preise herzustellen. Die
schlechte Meinung, welcher man bezüglich der Teer-
farbstoffe noch heute in Künstlerkreisen häufig be-
gegegnet, ist darauf zurückzuführen, dass gerade
die zuerst entdeckten und in die Industrie einge-
führten Repräsentanten überaus lichtunecht sind,
dass sie aber wegen ihrer Schönheit öfter zum Ueber-
färben von Mineralfarben auch heute noch miss-
braucht werden.
Der Künstler würde sich aber seiner besten
Hilfsmittel selbst berauben, wenn er die altherge-
brachte Scheu gegen alles, was Teerfarben (in der
Regel bedient er sich des nicht immer zutreffenden
Ausdrucks „ Anilinfarben") heisst, nicht ablegen wollte.
Die Versuche, welche bisher hier angestellt
wurden, beschränkten sich auf Verwandte des Ali-
zarins, deren Lacke sich fast alle durch grosse Licht-
echtheit auszeichnen. Die Präparate, welche dazu
erforderlich waren, wurden in entgegenkommendster
Weise von der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik
in Ludwigshafen und von den Farbenfabriken vorm.
Friedr. Bayer & Co. in Elberfeld zur Verfügung ge-
stellt. Endgültige Ergebnisse stehen in der Haupt-
sache noch aus, nur eine Beobachtung möge schon
hier Erwähnung finden, nämlich, dass der Tonerde-
lack des Alizarinorange in Oel eine ausserordent-
lich lichtechte und schöne Lasurfarbe darstellt, die
zum Gelbnuancieren von Alizarinrot vorzüglich ge-
eignet ist, die aber leider die Neigung, auf weissem
Grunde rissig zu werden, in noch erheblich höherem
Grade besitzt, als dieses.
Zum Schlüsse möge noch erwähnt sein, dass
die Hochschule auch die Prüfung im Handel neu
auftauchender Farben und Malmittel zu ihren Auf-
gaben rechnet und demgemäss Untersuchungen dieser
Art vorgenommen hat, und dass gelegentlich auch
Versuche angestellt worden sind, um vollwertigen
aber billigen Ersatz für solche Handelsprodukte von
unbekannter Zusammensetzung zu schaffen, die von
zweifellosem Werte für die Kunst, aber wegen zu
hohen Preises nicht allgemein zugänglich sind. Ein
erfolgreicher Versuch dieser Art bezog sich auf den
 
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