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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 12
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Berger, Ernst: Antike Maltechnik [3]: altägyptische Mumiensargmalereien
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Ostwald, W.: Die Technik der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0059
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Nr. 12.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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dellierung) und der in Auffassung und Ausfüh-
rung mitunter bewunderswerten Porträts dieser
sogen, hellenistischen Periode fehlt. Die
ägyptische Malerei blieb selbst in ihren späteren
Entwicklungstadien und in ihren besten Bei-
spielen nichts anderes als Flächenkunst; hier
tritt mit einem Male völlig ausgebildete Raum-
kunst auf, die mit den Gesetzen der Modellie-
rung, des Helldunkels, des Kolorits durchaus
vertraut ist; und obendrein in einer ganz neuen
Technik, nämlich in der enkaustischen, in
derselben, von der uns griechische und römische
Schriftquellen als der Technik der berühmtesten
griechischen Künstler berichten!
Es sind zumeist in Wachsfarben ausge-
führte Bildnisse, die bei ihrem Bekanntwerden
das grösste Aufsehen erregten, weil man bis da-
hin sich keine richtige Vorstellung von wirklich
in alter Enkaustik ausgeführten Bildern machen
konnte.
Wie solche Porträts in die Mumienumwik-
kelung eingefügt wurden, zeigt die beigefügte
Figur 9 nach dem Original des Berliner Mu-
seums (um 150 n. Chr.). Nach der Ansicht des
Aegyptologen Georg Ebers dauerte die Sitte,
Porträts an Mumien zu befestigen, wie es die
obige zeigt, etwa 400 Jahre und endete erst mit
dem Edikte des Theodosius gegen Ende des
4. Jahrhunderts unserer Zeit.
In der äusseren Ausschmückung der Mu-
mien bilden diese Porträts die letzten Reste der
reichen Bemalungsform früherer Perioden. Aber
es finden sich auch Beispiele gemischter Art:
die Mumienhülle ist mit plastischem und ge-
maltem Zierat reich geschmückt und an der
Stelle des Kopfes befindet sich das gemalte Por-
trät eingefügt.
Besonders schön und prunkvoll ist eine im
British-Museum aufbewahrte Mumie eines grie-
chischen Ansiedlers mit Namen Artemidorus,
wie die griechische Inschrift ihn nennt. Die ver-
gipste Leinwand ist hier mit reichen plastisch-
erhöhten Darstellungen bedeckt, die ganz und
gar vergoldet sind. Die Zwischenräume sind mit
Zinnoberrot bemalt (Figur 10).
Ausser den enkaustischen Techniken sind
noch verschiedene Temperaarten von griechischen
Künstlern nach Aegypten gebracht worden, denn
die in den ägyptischen Nekropol gefundenen,
jetzt in unseren Museen befindlichen Mumien-
porträts zeigen manche Unterschiede in tech-
nischer Hinsicht, die darauf schliessen lassen
und für die Geschichte der griechisch-römischen
Maltechnik von ausschlaggebender Bedeutung
sind. Da es aber unser Zweck war, nur von der
ägyptischen Malerei zu handeln, müssen wir uns
auf besondere Gelegenheit sparen, auf die alt-
griechische Enkaustik und ihre Begleittechniken
näher einzugehen.

Die Technik der Malerei. ')
Von Geh. Hofrat Prof. Dr. W. Ostwald, Leipzig.
Seit vor nunmehr vierzig Jahren der unvergess-
liche Pettenkofer als erster mit der Fackel der Natur-
wissenschaft in die Frage nach den Existenzbedin-
gungen der Oelgemälde hineingeleuchtet und der
erstaunten Welt die völlig mittelalterlichen Zustände
des Wissens und Handelns in diesem Gebiet offen-
bar gemacht hat, ist zur Besserung dieser Zustände
nicht eben viel geschehen. Zwar die hygienischen
Massnahmen, die der grosse Hygieniker der Men-
schen auch für die Erhaltung oder Heilung der Oel-
gemälde angegeben hat, sind in den Hauptzügen
für die Verwaltungen der grossen Galerien mass-
gebend geworden; eine sorgfältige Regelung der
Temperatur und Feuchtigkeit findet sich durchge-
führt, und auch das Pettenkofer'sche Regenerier-
verfahren für altersblinde Gemälde wird in weiter
entwickelter Form ausgeübt. Aber die wahre Hy-
giene bestände auch hier nicht in der Lösung der
Aufgabe: wie erhalte ich ein schwächliches Wesen
so lange als möglich am Leben? als vielmehr in der
Beantwortung der Frage: wie erzeuge ich möglichst
gesunde Wesen? oder bestimmter: auf welche Weise
stellt man möglichst dauerhafte Gemälde her?
Dass diese Frage dem heutigen Künstler kaum
in den Sinn kommt, ergibt ein Gang durch eine
beliebige Bildersammlung, wo man zahlreichen Bil-
dern ihren baldigen Untergang ohne weiteres Voraus-
sagen kann. Dass auch Künstler, denen man selbst-
ständige und wesentliche Fortschritte nach der tech-
nischen Seite verdankt, wie zum Beispiel Segantini,
die Frage nach der Dauerhaftigkeit ihrer Werke
sich anscheinend überhaupt nicht vorgelegt haben,
ist gleichfalls unverkennbar, denn sonst würden sie
nicht ihr Material so handhaben, dass die grössten
Gefahren für die Dauer ihrer Bilder daraus entstehen.
Was noch seltsamer ist: auch die Käufer der
Bilder, Regierungen wie Private, stellen die Frage
nach der voraussichtlichen Dauer ihrer teuer be-
zahlten Kunstschätze so gut wie gar nicht. Während
beispielsweise die alltägliche Bildnisphotographie be-
wusst solche Kopiermethoden anwendet, die sicher-
lich eine Lebensdauer ihrer Produkte mindestens für
ein halbes Jahrhundert gewährleistet, habe ich unter
andern soeben einen teuer bezahlten Makart ge-
sehen, der mit etwa zwanzig Jahren ein abgelebter
Greis ist, dem keine Kur mehr helfen kann. Die
früher so glänzende Farbe ist trüb geworden; in
den dunklen Partien sind alle Einzelheiten unter-
gegangen, Runzeln, Risse und Schollen bedecken
die ganze Bildfläche — kurz, aus dem Bild, das
seinerzeit viele Tausende gekostet haben mag, ist
ein wertloser Lappen geworden, der in den Abstell-

*) Aus der „Woche" Nr. l des laufenden Jahrgangs. So-
wohl Herrn Prof. Ostwald als auch der Redaktion der „Woche"
sagen wir für die Erlaubnis des Wiederabdrucks bester) Dank.
 
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