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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 12
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Ostwald, W.: Die Technik der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0060

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56

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 12.

keller wandern muss, weil kein Mensch ihn ansehen
will. Und Makart ist nicht der einzige, dessen Bilder
so früh vom Schicksal ereilt werden; in Leipzig hat
ein einstmals berühmter Knaus aus dem Museum
entfernt werden müssen, weil er über und über von
Rissen bedeckt ist, und fast ebenso schlimm steht
es mit einigen Oelbildern Meister Menzels aus seiner
früheren Zeit.
So zerrinnen unsero Sammlern und Kunstfreun-
den ihre Schätze unter den Händen. Ich will gar
nicht zusammenrechnen, welche enormen Summen
dies in Geld ausgedrückt ergibt, ich will nur be-
tonen, dass der beste Teil des Lebenswerkes der
Künstler durch die Unzuverlässigkeit des von ihnen
benutzten Materials einem viel zu frühen Untergang
entgegengeht. Eine einfache Bleistiftskizze kann viele
Jahrhunderte überdauern, ohne ihren Charakter und
ihren Reiz einzubüssen, und die Werke, in die die
Künstler ihr bestes Können gelegt haben, können
kein Menschenalter erreichen, ohne von Grund aus
verändert und verstimmt zu sein.
Ist das immer so gewesen und muss das immer
so sein? Weder das eine noch das andere. Wenn
wir beispielsweise im Berliner Museum die herrlichen
van Eyks ansehen, die ihre Farbenpracht durch fast
ein halbes Jahrtausend im wesentlichen unverändert
bewahrt haben, so überzeugen wir uns, dass das
schnelle Altern vieler modernen Oelgemälde keine
organische Notwendigkeit ist, sondern von Neben-
umständen herrührt, die sich vermeiden lassen, denn
sie sind von jenen Künstlern, denen man die Er-
findung der Oelfarbentechnik zuschreibt, vermieden
worden. Dagegen wird dann freilich erwidert, dass
die Rezepte, nach denen diese haltbaren Kunst-
werke hergestellt worden waren, unwiederbringlich
verloren gegangen seien. Verloren sind sie aller-
dings, aber es darf behauptet werden, dass es in
unserer Zeit ganz ebenso möglich ist, dauerhafte
Bilder herzustellen. Dazu sind einerseits entsprechende
wissenschaftliche Arbeiten erforderlich, die uns die
sichere erfahrungsmässige Grundlage liefern ; zweitens
aber, und das ist das Wichtigere, es ist erforder-
lich, dass sich Künstler und Käufer um die Frage
nach der Dauerhaftigkeit der Bilder kümmern, und
dass von beiden Seiten diese Frage mit aller der
Gewissenhaftigkeit behandelt wird, die wir beispiels-
weise aus den erhaltenen Lieferungsverträgen Albrecht
Dürers entnehmen können. Von dem Architekten
verlangen wir es als selbstverständlich, dass uns sein
Bauwerk, wenn es künstlerisch auch noch so schön
geraten ist, nicht über dem Kopf zusammenfällt.
Vom Maler kann man es heute noch oft genug
hören, dass die niederen Fragen der Technik ihm
den hohen Flug des Genius lähmen und dass er
nicht auch noch Chemie lernen könne, um seine
Farben zu beurteilen. Ein so hoher Genius wie
Böcklin hat sein ganzes Leben lang über solche
technischen Fragen experimentiert, und wenn er nur
ein wenig Chemie dazu gewusst hätte, so wäre er

bei seinen Versuchen sehr viel weiter gekommen und
hätte sich sehr viel freier bewegen können.
Ein sehr charakteristisches Beispiel hierfür ist
Böcklins chemischer Aberglaube, dass Zinnober
zwar für sich eine sehr haltbare Farbe sei, aber
durchaus nicht mit andern Farben vermischt werden
dürfe, ohne seine Haltbarkeit einzubüssen. Wir
wissen jetzt, dass es Zinnoberarten gibt, die eine
recht bedeutende Haltbarkeit am Licht zeigen, wenn
auch die meisten grau oder braun werden, unab-
hängig davon, ob sie rein oder vermischt angewendet
werden. Denn der Schwefel ist im Schwefelqueck-
silber oder Zinnober fester gebunden als in irgend-
einem andern Schwefelmetall, und es ist daher
ausgeschlossen, dass etwa Bleifarben sich durch
Berührung mit Zinnober in Schwefelblei verwandeln
könnten. Nur etwaige Verunreinigungen des Zin-
nobers können eine solche Wirkung hervorrufen.
Böcklin hat aber den Zinnober nur rein anzuwenden
gewagt, und daher rühren die seinerzeit vielberedeten
„Siegellackßguren" auf seiner „Insel der Seligen",
die eintönig roten Flammen auf dem Piratenbild
und viele andere Stellen in seinen Gemälden.*)
Sagt man dies einem Maler, so kann man meist
wieder hören: die Chemie ist ja an dem ganzen
Elend allein schuld; die van Eyks haben von keiner
Chemie gewusst und dauerhafte Bilder gemalt, wäh-
rend die modernen Anilinfarben im Licht verbleichen
und die Bilder ruinieren.
Auch dies ist nicht richtig, lange bevor die
Anilinfarben überhaupt als Oelfarben Verwendung
linden konnten, haben die Maler im 19. Jahrhundert
unsolide Bilder gemalt. Und diese Bilder gehen ja
auch nicht an ihren Farben zu Grunde, sondern
einzig und allein an ihrem Bindemittel.
In der Tat besteht die Palette des Oelmalers
heute wie früher zum grösseren Teil aus Farben,
deren jahrhundertelange Dauerhaftigkeit ausser jedem
Zweifel steht. Alle gelben und roten Ockerarten,
die schwarzen und braunen Farben zum grössten
Teil, Ultramarin, Cadmium, Chromoxyd und einige
andere Farben überdauern Jahrtausende, Indigo,
Krapp, Preussischblau Jahrhunderte. Erstere sind ja
die gleichen Farben, mit denen z. B. die Fresko-
bilder des 13. und 14. Jahrhunderts hergestellt sind,
letztere finden sich in noch älteren Miniaturen auf
das beste erhalten. Von den Oelgemälden unter-
scheiden sich diese Bilder nur durch das andere
Bindemittel, das in einem Fall kohlensaurer Kalk,
im andern Leim oder Eiweiss ist. Und nur weil

*) Hierzu möge bemerkt werden, dass Böcklin in diesem
Funkte der von Chemikern ausgesprochenen gegenteiiigen An-
sicht gefolgt ist, Blei- mit Schwefelpräparaten nicht zusammen-
zumischen. Böcklin hat aber, wenn er es für nötig erachtete,
Zinnober wohl mit Zinkweiss gemischt. Vergi, darüber Schicks
Tagebuchaufzeichnungen S. 32g, wo es heisst: „Zinnober mit
Zinkweiss gemischt wirkt reiner und leuchtender, als mit Kremser-
weiss; je intensiver jedoch die Mischung und je mehr sie sich
dem reinen Zinnober nähert, desto unmerklicher werden die
Unterschiede." E. B.
 
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