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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 16
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Ziegler, Walter: Der Holzschnitt und seine Abarten [1]
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Berger, Emil: Ueber den Einfluss von Anomalien und Erkrankungen des Sehorganes auf die Maltechnik [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0078

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74

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 16.

diesen beiden Arten an oder bilden Zwischen-
stufen.
Erwähnt mag ais eine Abart der Holzschnitt-
verfahren, der Tonplattenschnitt werden. In dem
Wesen der Bearbeitung fällt die Herstellung
solcher Platten mit dem Linien- oder Flächen-
holzschnitt zusammen. Die Tonplatten finden
dort Verwendung, wo weisse Zeichnung oder
Lichtwiedergabe allein das Bild geben oder wo
für eine Zeichnungs- oder Schwarzplatte eine
Ergänzungs- bezw. Kombinationsplatte geschaffen
werden soll, um mit ersterer in Zusammendruck
zu kommen (z. B. Clair-obscur-Druck). Solche
Platten werden seltener mit schwarzer Farbe,
sondern meist mit einem beliebig abgestimmten
grauen Ton gedruckt.
Greifen wir zurück auf den Grundgedanken
der Holzschnittherstellung überhaupt, also der
Tieferlegung bezw. Ausgründung der nicht druk-
kenden Plattenteile und bringen diesen Gedanken
mit der Material- und Werkzeugfrage in Zusam-
menklang, so kommen wir zur Erkenntnis, dass
das Holz mit Vorteil durch irgendwelche andere
Materialien ersetzt werden könnte. Der Wider-
stand, welchen das Längsholz dem Messer ent-
gegensetzt, ist, je nach der Schnittrichtung, ein
verschiedener, so dass ein ungleichmässiger Kraft-
aufwand nötig wird, je nachdem mit oder gegen
die Holzfaserung geschnitten werden soll. Alle
Holzarten sind hygroskopisch, werfen sich, be-
kommen Risse und Sprünge, werden bei län-
gerem Aufbewahren von Holzwürmern ange-
griffen, auch nützen sich die Platten durch die
Druckbehandlung verhältnismässig rasch ab. Das
Buchsbaumholz ist ziemlich hoch im Preis und
auch noch andere Faktoren lassen ein Surrogat
wünschenswert erscheinen. Ein sehr neues Er-
satzmittel ist im Linoleum gefunden worden.
Das zum Fussbodenbelag gebräuchliche ist ver-
wendbar, besser aber ein besonderes für den
Zweck des Schneidens gearbeitetes, härteres
Plattenmaterial, zur Herstellung von Linien- und
Flächenschnitt sehr geeignet. Mit dem Messer
ist im Linoleum nach jeder Richtung ein gleich-
mässiges, wenig Kraft beanspruchendes Schneiden
möglich. Das Material ist gegen die Druckbe-
handlung widerstandsfähig und erlaubt ziemlich
hohe Auflagen, nur das nötige Reinigen von
Farbe, welches mit der Bürste vorgenommen
wird, greift das Druckrelief an. Scharfe Kanten
und Ecken werden durch letztere Manipulation
leicht abgerundet, wodurch den Strichen die nö-
tige Schärfe genommen wird.
Handelt es sich darum, Druckkomplexe zu
erzeugen, welche keine zu dünnen Drucklinien
aufweisen, bilden die Zeichnungselemente sil-
houettierende Flecke und weisse Linien auf to-
nigem Grund, wie sie für sogen. Tonplatten An-
wendung finden, so kann man sich aus Karton

oder Zeichenpapier leicht selbst Druckplatten her-
stellen. Man nimmt zu diesem Zweck einen
dünnen Pappendeckel; mit nicht zu dickem
Leim werden beiderseitig des Pappendeckels eine
gleiche Anzahl Blätter Zeichenpapier oder dünner
Karton aufgeklebt. Diese Kombination wird mit
einer Anzahl Bögen Makulaturpapier bedeckt, in
einer Kopierpresse eingespannt und bis zum
Trockenwerden belassen. Die fehlerfreieste und
glatteste Seite wird als Druckfläche gewählt und
auf ihr das zu schneidende Bild aufgezeichnet
oder aufgepaust. Mit dem Messer wird dann
der Schnitt bewerkstelligt. Das Ausgründen
grösserer Flächen ist bequem vorzunehmen, in-
dem man den zu entfernenden Flächenteil von
der Pappenunterlage lostrennt.
Ein weiteres Plattenmaterial für Tonplatten-
schnitt wird fabrikmässig hergestellt und ist unter
dem Namen „Mäserplatte" bekannt. Ihrem Wesen
nach besteht diese aus einer Karton- oder Pappen-
unterlage, auf welcher eine gebundene Kreide-
schicht ca. 11/2 mm dick aufgewalzt ist. Das
Schneiden ist auf dieser Masse angenehm, klei-
nere Korrekturen können mittels Korrigierfarbe
vorgenommen werden. Die Mäserplatte kann so-
wohl mit dem Messer als mit dem Stichel be-
arbeitet werden. Gegen sehr starken Druck mit
zäher Farbe reicht der Widerstand der Masse
nicht ganz aus. (Schluss folgt.)
Ueber den Einfluss von Anomalien
und Erkrankungen des Sehorganes
auf die Maltechnik.
Von Augenarzt Dr. Emil Berger, Paris, ausländischen korre-
spondierendem Mitglied der Königl. Akademien der Medizin
in Belgien, Madrid und Turin.
(Schluss.)
Wir beurteilen die Nähe oder Ferne der bino-
cular gesehenen Gegenstände mittels der für die
Betrachtung derselben nötigen Konvergenz der Ge-
sichtslinien, welche eine stärkere für nähere und
eine schwächere für entferntere Gegenstände ist.
Das Muskelgefühl orientiert uns über die geleistete
Konvergenz-Anstrengung. Mit Recht sagt Brücke,
dass wir mit unseren Gesichtslinien den Raum
„abtasten".
Ein noch viel wichtigerer Behelf zum richtigen
Erkennen des Reliefs besteht in der Verschieden-
heit des Netzhautbildes, welches in unseren beiden
Augen die Aussenwelt hervorruft und deren Ver-
gleich durch einen psychischen Vorgang uns über
das Bestehen des Reliefs orientiert. Schon den Alten
war die Verschiedenheit der beiden Netzhautbilder
bekannt, doch konnten dieselben keine befriedigende
Erklärung des Zweckes derselben geben. Erst Leo-
nardo da Vinci*2) erkannte richtig, dass es un-

*^)LeonardodaVinci, Trattato della pittura. Rom lögt.
 
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