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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 16
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Die Fresken von Boscoreale [1]
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Anfragen und Beantwortungen / Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0080

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76

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 16.

Nähe der Villa Pisanella im Jahre 1900 seine Aus-
grabungen fortsetzte, fand er nur wenige Meter unter
der Erdoberfläche : die wundervoll erhaltenen Wand-
gemälde einer Villa aus römischer Zeit. Von dem
aussergewöhnlichen Wert dieser Malereien überzeugt,
wollte Prisco diesen Schatz zu möglichst hohem Preis
abgeben und man erzählte sich von einer Million
Francs oder mehr, für welche Summe er die ge-
samte Dekoration dem deutschen Kaiser angeboten
haben soll. Die Anwesenheit einiger Herren der
Museumsverwaltung von Berlin machte die italieni-
schen Behörden erst auf den Fund sowie die be-
absichtigte Verwertung aufmerksam und da nach dem
italienischen Gesetz die Ausfuhr von Kunstobjekten
von der Genehmigung der dortigen Behörden ab-
hängig ist, die italienische Regierung aber wegen
des geforderten hohen Preises die Erwerbung ab-
lehnen musste, kam man zu dem Entschluss, die Aus-
fuhr zu gestatten, wenn vom Besitzer sozusagen als
Sicherstellung des zu erhebenden Zolles fünf der
besten Gemälde des Triclinium, das grossartige ügu-
ralische Gemälde schmückte, dem Neapeler Museum
überlassen würden. Nachdem die Verhandlungen mit
der deutschen Museumsdirektion sich zerschlagen
hatten, veranlasste Prisco im Verein mit den Brüdern
Canessa die Abnahme sowie die Transferierung der
Gemälde und unterstellten sie in Paris in der Galerie
Durand-Ruel dem öffentlichen Verkauf. Ein reich
illustrierter von dem Neapeler Archäologen Arthur
Sam bon bearbeiteter Katalog gestattete auch Ferner-
stehenden einen Ueberblick über die Anlage und
ganz einzig schöne Ausstattung der ausgegrabenen
Villa. Was damals zu befürchten war, dass diese
seltenen Malereien durch die Auktion auseinander-
gerissen, in alle Weltteile versprengt, nur totes Mu-
seumsgut würden, ist glücklicherweise nicht in vollem
Masse eingetroffen und ausser einigen wenigen Stücken,
welche der Louvre und das Brüsseler Museum er-
worben hatten, ist alles übrige über den Ozean ge-
wandert. Dem New-Yorker Museum ist es geglückt,
das Gesamtbild erhalten zu sehen, das so viele hun-
dert Meilen von der heimischen Stätte nach 19 Jahr-
hunderten das Tusculum eines antiken Patriziers uns
vor Augen führt.
(Schluss folgt.)
Anfragen und Beantwortungen.
Herrn A. L., Rom. Wie lange man eine mit
Ei-Oeltempera (Emulsionstempera) gemalte Farb-
schicht im Durchschnitt trocknen lassen muss, ehe
man sie. mit dünnem Firnis übergehen darf, um mit
Tempera weiter arbeiten zu können, hängt natur-
gemäss von der Zusammensetzung des Bindemittels
ab ; z. B. wird eine Emulsion von Eigelb mit Leinöl-
firnis oder Kopalfirnis schneller trocknen als eine
Emulsion mit Nussöl oder ungekochtem Leinöl. Die
Schnelligkeit des Trocknens hängt auch vom Grund
ab, auf dem gemalt wird, wie etwa auf saugendem

Kreidegrund gegenüber festem Grund. Der zu be-
nützende Zwischenfirnis muss so gewählt werden,
dass er die Unterschichten nicht löst; dies ist be-
sonders wichtig bei mehrfachem Uebermalen. Wenn
etwa Kopaivabalsam oder Venetianischer Terpentin
der Emulsion beigegeben ist, könnte ein Spiritus-
lack (Retouchierürnis) oder ein mit Terpentin ver-
setzter Firnis die Unterschichten erweichen und die
Malerei verderben. Im allgemeinen wird die Oel-
temperafarbe in längstens 24 Stunden hart genug
geworden sein, um ein Uebergehen mit öligen oder
firnisartigen Malmitteln riskieren zu können. Hier
nicht zu eilen, ist empfehlenswert. — Ad 2. Im
Handel befinden sich Oeltemperafarben von Herrn.
Neisch & Co. in Dresden, von Haase & Brandt in
Berlin. Neuerlich sind auch die Tempera von Bössen-
roth in Planegg bei München und die von Stephan
Schönfeld in Düsseldorf in den Handel gebrachten
„Neuen Temperafarben" von Maler Otto Boyer als
nach dem System der Emulsionierung hergestellt zu
nennen. Ob Sie eine dieser Farben in Rom käuf-
lich erhalten, ist wohl fraglich. Sie werden deshalb
am besten tun, sich eine Emulsion selbst zu bereiten
oder event, vom Apotheker herstellen zu lassen und
diese mit feinen Staubfarben (z. B. mit den Powder
colours von Windsor & Newton) zu verreiben.
Herrn A. Z. in Wien. Auf anonyme Anfragen
zu antworten, sehen wir uns nicht verpflichtet; wir
erachten es vielmehr als billige Forderung, dass der
Redaktion gegenüber das Inkognito gelüftet werde.
Ausnahmsweise wollen wir diesmal Ihre Frage nach
der Zusammensetzung des Bindemittels der Raf-
faelli-Stifte beantworten: Nach einer uns privatim
zur Verfügung gestellten chemischen Analyse ent-
halten die Schönfeld'schen Raffaëlli-Stifte ca. 4o°/o
Bindemittel und dieses besteht aus ca. 2 g "/0 Lein-
öl und ca. 7g°/o Talg (ob Rinds- oder Hammeltalg
ist unentschieden). Es ist kein Wachs, kein Paraffin etc.
vorhanden. Aus der Tatsache, dass Talg und zwar
in so grosser Menge enthalten ist, wollen Sie ged.
selbst Ihre Schlüsse auf die Haltbarkeit von Ma-
lereien mit diesen Stiften ziehen. Im übrigen ver-
weisen wir auf die Beantwortung der Frage in Nr. 1 :
S. g2 der „Münchner kunsttechnischen Blätter".
Literatur.
Bel der Redaktion eingetroffen:
Die Normalfarben. Beitrag zur Technik der
Malerei für Techniker und Künstler. Von Dr. Anton
Munkert, k. Münzwardein in München. Verlag von
Ferdinand Enke. Stuttgart 190g.
Wann und warum sehen wir Farben? Ein
Beitrag zur Farbenlehre von KarlWeidlich. Buch-
druckerei vonJ.J. Weber, Leipzig 1904.
 
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