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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 13
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Nr. 14
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Pettenkofer, Max von: Eine Niederschrift v. Pettenkofers über das Regenerationsverfahren [1]
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Berger, Emil: Ueber den Einfluss von Anomalien und Erkrankungen des Sehorganes auf die Maltechnik [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0070

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66

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 14.

steht gewiss auch ein Prioritätsrecht auf die Mittel
zum Zwecke zu, soweit ihre Wahl von ihm aus-
gegangen ist, und somit dehne ich meinen Pri-
vilegiums-Gegenstand auch auf die Anwendung
des Kopaivabalsams zur Wiederherstellung des mo-
lekularen Zusammenhanges der Oelgemälde aus.
Der Kopaivabalsam ist ein von Natur aus
flüssiges Harz. Er muss rein und unverfälscht
angewendet werden, er darf namentlich keinen
Zusatz von Oel enthalten. In diesem Falle ver-
ursacht derselbe später dieselben Nachteile, wie
die sogenannten Malbutter (Mischungen von fetten,
trocknenden Oelen und Harzen). Er wird auf die
vom Staub etc. gereinigten Bilder so lange mit
dem Pinsel aufgetragen oder mit der Hand ein-
gerieben, als er eingesaugt wird. Ein Ueberschuss
kann mit weicher Leinwand oder Pinsel abge-
wischt werden.
Inwieweit der Kopaivabalsam für sich allein
schon zur Wiederherstellung des molekularen Zu-
sammenhanges genügt, kann an den damit be-
handelten Bildern dadurch ermittelt werden, dass
man auf einige umgrenzte, namentlich dunkle
Stellen die Alkoholatmosphäre wirken lässt und
beobachtet, ob der Ton der Farbe an Klarheit
noch zunimmt, oder sich überhaupt verändert.
Es gibt viele Fälle von molekularer Tren-
nung, namentlich bei sehr tonerdehaltigen und
deshalb sehr hygroskopischen Farbstoffen, welche
nur allmählich dem kombinierten Einflüsse der
Alkoholatmosphäre und des Kopaivabalsams wei-
chen. Als typisches Beispiel führe ich die so-
genannte Ultramarinkrankheit an, welche sich
durch ein Verschwinden aller Modellierungen in
blauen Gewändern häufig kund gibt, und welche
bisher in ihren höheren Graden für unheilbar
gehalten wurde. Frischer Firnis, Firnisabnehmen,
Nähren mit Oel u. s. w. zeigt in diesen Fällen
soviel wie keine Wirkung, auch die Alkoholatmo-
sphäre bringt unmittelbar keine hervor, ebenso-
wenig die blosse Anwendung des Kopaivabalsams.
Wechselt man aber in der Weise ab, dass man
eine solche ultramarinkranke Stelle einmal der
Alkoholatmosphäre aussetzt, dann mit Kopaiva-
balsam einreibt, abermals die Alkoholatmosphäre
darauf wirken lässt, und die beiden Operationen
so oft wiederholt, bis sie keine Veränderungen
mehr hervorrufen, so erlangt man allmählich
wieder die volle Klarheit und Wirkung der Farbe.
Aehnliches Verhalten wie Ultramarin zeigt nicht
selten auch die Grünerde.
Viele Fälle von geringgradiger molekulerer
Trennung, die sich nur als oberflächliche Trü-
bung kund geben und denen man bisher gewöhn-
lich mit frischen Firnissen, Firnisabnehmen u.s.w.
in den Galerien begegnete, weichen bereits dem
Kopaivabalsam auch ohne Anwendung der Al-
koholatmosphäre. Gerade diese Fälle weisen dem
Kopaivabalsam für alle Zukunft einen wichtigen

und hervorragenden Platz in der Konservierung
der Galerien an, wie an einer grossen Reihe
von Gemälden sowohl in der alten, als in der
neuen Pinakothek dahier nachgewiesen worden ist.
(Schluss folgt.)
Ueber den Einfluss von Anomalien
und Erkrankungen des Sehorganes
auf die Maltechnik.
Von Augenarzt Dr. Emil Berger, Paris, ausländischen korre-
spondierendem Mitglied der Königl. Akademien der Medizin
in Beigien, Madrid und Turin.
(Fortsetzung.)
An Untersuchungen über die sphärische Aber-
ration des Auges bei Künstlern, insbesondere bei
Kupferstechern und Miniaturmalern, fehlt es voll-
ständig. Ich habe in einer Anzahl von Fällen Unter-
suchungen vorgenommen und gefunden, dass bei den-
selben eine sphärische Aberration des Auges nicht
selten ist, die jedoch insbesondere durch die starke
sphärische Aberration von Brillengläsern (kurzer Brenn-
weite) sehr gesteigert werden kann.
An Bildern habe ich nicht selten Erscheinungen
von sphärischer Aberration des Auges des Künst-
lers angedeutet gefunden. Die Ecken von grossen
aufgeschlagenen Büchern zum Beispiel sind leicht
schwalbenschwanzartig ausgeschweift. Eine starke
sphärische Aberration finde ich an den Zeichnungen
von Gustav Doré. So ünde ich zum Beispiel im
Don Quichote (Seite 100) einen Dachboden darge-
stellt mit Balken, deren Krümmung nach der Peri-
pherie zunimmt. Eine Anzahl von Künslern ist sich
dessen bewusst, dass es ihnen schwer wird, grössere
lange Linien präzise auszuführen, was dieselben ver-
anlasst, sich eines Lineales zu bedienen. Bei dem
berühmten Bildhauer Lai ou (Paris) bestand (nach
Angabe seines Schülers, des Bildhauers Sinajeff Bern-
stein) die Eigentümlichkeit, dass ihm vertikale Linien
nach links verbogen und geneigt erschienen. Er
musste sich bei seinen Arbeiten zur Darstellung ver-
tikaler Linien eines Senkbleies bedienen.
Der Farbensinn ist bei verschiedenen Men-
schen in verschiedener Weise entwickelt. Im allge-
meinen ist derselbe bei Frauen mehr entwickelt als
bei Männern. Dass im Altertum der Farbensinn
weniger entwickelt gewesen wäre (Gladstone), als
zu unserer Zeit, ist wohl zweifelhaft, wenngleich bei
den griechischen Klassikern (Homer) für die Be-
zeichnung der Farben im Regenbogen nur drei Far-
ben genannt werden.
Bekanntlich wird das Sonnenlicht durch ein
Prisma in eine Reihe von Farben (Spektralfarben)
zerlegt, welche sind: rot, orange, gelb, grün, blau,
violett. Newton hat durch sein berühmtes Experi-
ment erwiesen, dass eine Mischung aller dieser oder
von zwei komplementären Farben weiss ergibt. Nach
Newton stellt man schematisch die Farben in Form
eines Kreises dar, in welchem dieselben so angeordnet
 
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