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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 12
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Ostwald, W.: Die Technik der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0061

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Nr. 12.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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diese Bindemittel mit der Zeit keine schädlichen Ver-
änderungen erleiden, wie sie beim Oel unvermeid-
lich sind, nur darum erhalten sich die Farben.
Vielleicht wird hiergegen wieder eingewendet
werden, dass es ja auch Oelbilder gibt, die sich
jahrhundertelang frisch und schön erhalten haben,
z. B. eben die von van Eyk und seiner Schule.
Hiergegen ist zunächst zu sagen, dass man diese
Bilder nicht für Oelbilder im heutigen Sinn halten
darf. Welches ihre Technik ist, hat alle archivalische
Kunstforschung bisher nicht herausgebracht. Dagegen
würde die experimentelle Wissenschaft hier schnell
Auskunft geben können. Die mikroskopische Unter-
suchung von Querschnitten durch die Bildschichten,
verbunden mit entsprechenden mikrochemischen Re-
aktionen, würde bald die Hauptzüge jenes inter-
essanten Verfahrens erkennen lassen. Den Bildern
braucht hierbei kein sichtbarer Schaden zugefügt zu
werden, denn der Mikroskopiker ist sehr anspruchs-
los. Stückchen, die man mit blossem Auge kaum
sehen kann, sind für seine Zwecke bereits aus-
reichend. Allerdings müsste der Forscher, der diese
Aufgabe bearbeitet, erst an reichlicherem Material
die nötigen Vorstudien machen und Erfahrungen
sammeln; hierfür sind aber wohl in jeder grösseren
Galerie Randpartien von geringeren Werken verfügbar.
Ich habe diesen Vorschlag, durch mikroskopische
Untersuchung von Gemäldequerschnitten nicht nur
über Fragen der Technik, des Untergrundes und der-
gleichen, sondern auch über die Veränderungen, die
die Gemälde erfahren, insbesondere über die sogen.
Ultramarinkrankheit (die übrigens nicht auf Ultra-
marin beschränkt ist, sondern zum Beispiel auf Dürers
grossem Allerheiligenbild, der Perle der Wiener Galerie,
einen grünen Mantel ergriffen hat), Aufklärung mit-
tels wissenschaftlicher Methoden zu erlangen, ge-
sprächsweise vielfach gemacht, ohne dass bisher sich
ein der mikroskopischen Technik Kundiger dieser
vielversprechenden Sache angenommen hätte. Viel-
leicht gelangt der Vorschlag auf diesem Weg an den
richtigen Ort.*)
Aber auch, wenn wir von diesen Werken ab-
sehen und unzweifelhaft in Oeltechnik gemalte Bilder
in Betracht ziehen, so werden wir an vielen eine
ausgezeichnete Erhaltung wahrnehmen können; als
Beispiel sei Raffaels Sixtinische Madonna in Dres-
den angeführt. Sehen wir die alten Oelbilder da-
rauf an, so werden wir uns leicht überzeugen, dass
sie sich im allgemeinen um so besser halten, j e
*) Herr Prof. Ostwald teilt uns mit, dass er selbst die
mikroskopische Untersuchung von Bildquerschnitten begönnet]
hat, und alle seine Erwartungen in die Ausgiebigkeit dieses
Verfahrens nicht nur erfüllt, sondern weit tibertroffen fand.
Den Resultaten dieser Untersuchungen sehen wir mit grösstem
Interesse entgegen. Inzwischen ist ein das Thema behandeln-
der Aufsatz bereits in der „Woche" Nr. 6 des laufenden Jahr-
gangs erschienen ; ausserdem hat Prof. Ostwald genaueren Be-
richt in der Gesamtsitzung der Kgl. Preussischen Akademie der
Wissenschaften vom 2. Februar unter dem Titel „Ikonoskopische
Studien" erstattet. (Sitzungsberichte 1905 V. S. 167.)

dünner sie gemalt sind. ' Das ist kein Zufall;
denn alle die Gefahren, die das Oel als Bindemittel
mit sich bringt, wachsen in beschleunigtem Verhält-
nis, je dicker der Farbauftrag ist. Sie wachsen ferner
in dem Mass, als verschiedene Farbschichten über-
einandergelegt werden. Darum hält sich Rubens,
der seine Sachen dünn und schnell heruntermalte,
so gut und Rembrandt, wenigstens in gewissen Pe-
rioden, so schlecht. Darum gehen die Bilder von
Knaus, die anscheinend mit Asphalt untermalt und
dann mit andern Farben ausgeführt worden sind,
zu Grunde, darum — doch wozu die Beispiele
häufen, da doch an dieser Stelle die Einzelheiten
dieser Erscheinungen nicht auseinandergesetzt wer-
den können.*)
Ziehen wir die Summe, so werden wir sagen
können, dass die Oeltechnik bei geeigneter Aus-
führung zwar dauerhafte Bilder ergeben kann, dass
aber äusserst leicht die Bedingungen eintreten können,
die ein frühzeitiges Zugrundegehen des Kunstwerks
bewirken. Insbesondere ist starkes Impastieren eine
dieser Bedingungen.
Man wird fragen müssen, wie trotz dieser offen-
baren Nachteile die Oelmalerei dazu gekommen ist,
die andern Verfahren praktisch zu verdrängen. Denn
auf jeder Ausstellung kann man sich überzeugen,
dass die überwiegende Mehrzahl aller Gemälde mit
Oelfarben hergestellt wird. Die Antwort ist, dass
der Künstler beim Arbeiten mit Oelfarben sein wer-
dendes Werk in jedem Augenblick so sieht, wie es
bleiben kann. Die Oelfarbe „trocknet" nämlich,
ohne dass sich ihr Aussehen merklich verändert. Der
Künstler kann daher seine Farben Wirkungen her-
steilen, ohne dass er dabei zu „übersetzen", d. h.
auf ein erst später eintretendes Aussehen hin zu
malen braucht. Dieser grosse Vorteil ist bei den
meisten andern Verfahren nicht vorhanden: Aqua-
rell ändert sich deutlich, Gouache oder gar Fresko
sehr erheblich beim Trocknen. Gerade in unserer
Zeit, wo die Wiedergabe der Besonderheiten von
Licht und Farbe mit grosser Liebe angestrebt wird,
ist die Eigenschaft der Oeltechnik so wertvoll, dass
es verständlich ist, wie die Fragen nach der Lebens-
dauer des Werkes dem vom Augenblick erfüllten
Künstler nicht in den Sinn kommen.
Indessen, der hinkende Bote kommt nach.
Aendert sich auch das Bild nicht in Tagen oder
Wochen, so ändert es sich doch sicher in Jahrzehnten
und Jahrhunderten, und zwar stets in einem be-
stimmten Sinn: es wird mehr und mehr gelbbraun.
Dies ist kein pathologischer Vorgang, sondern ein
natürlicher: das Oel setzt, nachdem es fest geworden
ist, seine Veränderung langsam weiter und weiter
fort, und dabei nimmt es die charakteristische warm-
braune Farbe, den „Galerieton", an. So wird das

*) Eine allgemeine Orientierung über diese Fragen, die
sowohl für den Liebhaber wie für den Künstler bestimmt ist,
findet sich in des Verfassers „Malerbriefen", Leipzig !9oq.
 
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