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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 13
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Täuber, E.: Kann künstliches Alizarin den Krappfarbstoff der Malerei ersetzen?
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Maschine zur Herstellung von Bildhauerwerken
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0068
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 13.

Steinkohlenteers künstlich herzustellen, und in raschem
Siegeszuge hat der künstliche Farbstoff, dessen Her-
stellungskosten erheblich geringere sind als die Ge-
winnung des natürlichen Produkts, dieses fast voll-
ständig aus der Färberei verdrängt.
Um so erstaunlicher will es dem Chemiker
scheinen, dass in der Kunstmalerei der natürliche
F'arbstoff sich noch immer einer erheblich grösseren
Wertschätzung erfreut als der künstliche. Auf viel-
fache Umfrage nach dem Grunde hiefür, sowohl
bei Künstlern wie auch bei Tubenfarbenfabrikanten,
habe ich eine bestimmte, vertrauenerweckende Ant-
wort nicht erhalten. Am häufigsten bin ich der Mei-
nung begegnet, der künstliche Farbstoff besitze nicht
die grosse Lichtechtheit des natürlichen. Eine solche
Behauptung erscheint dem Chemiker, welcher weiss,
dass beide Farbstoffe im wesentlichen identisch sind,
auf den ersten Blick absurd: bei näherer Betrach-
tung findet er wohl nur eine notdürftige Erklärung,
doch werden seine Zweifel dadurch nicht beseitigt,
um so weniger, wenn er weiss, wie unsicher und häufig
widersprechend die Urteile der Künstler selbst über
die gebräuchlichsten Farben sind, und wenn er in
Betracht zieht, dass der Nichtchemiker mit dem Be-
griffe „künstlicher" Farbstoff immer den des Surro-
gats verbindet und es für ausgeschlossen hält, dass
ein künstlicher Farbstoff mit dem natürlichen durch-
aus identisch sein könne.*)
Angesichts dieser Erwägungen muss ich die
Frage, ob künstliches Alizarin den natürlichen Krapp-
farbstoff in der Malerei ersetzen könne oder nicht,
noch immer als eine offene und ihre eingehende
experimentelle Prüfung als dringend geboten be-
trachten. Einen kleinen Beitrag dazu vermag ich
schon heute zu liefern, da ich seit etwa U/2 Jahren
vergleichende Belichtungsproben mit beiden Pro-
dukten ausgeführt habe.
Ich habe dazu verschiedene Handelsmarken
sowohl von Krapplack wie auch von Alizarinlack
verwendet und die Vergleichsfarben durch Verreiben
mit ein und demselben Oel bezw. mit ein und der-
selben Glyzerin-Gummilösung selbst hergestellt. Die
Oelfarben wurden nebeneinander auf die äussere
Fläche einer Fensterscheibe, die Aquarellfarben auf
Kartonpapier mit dem Pinsel aufgestrichen, nach
dem Trocknen zur Hälfte bedeckt und die andere
Hälfte sodann dem Lichte ausgesetzt. Die dicker
aufgetragenen Oelfarben Hessen erst nach Monaten,
die dünn aufgestrichenen Aquarellfarben bereits nach
wenigen Wochen einen deutlichen Einfluss des Lichtes
erkennen, aber in keinem Falle zeigten sich die
Alizarinlacke stärker verändert als die Krapplacke,
trotzdem von letzteren auch sehr hoch im Preise
stehende Marken verwendet wurden.

*) Die Abneigung gegen künstliche Farbstoffe findet
übrigens ihre natürliche Erklärung in- der Tatsache, dass ge-
rade die zuerst aufgefundenen Repräsentanten derselben eine
ausserordentlich geringe Lichtechtheit aufwiesen U"d dadurch von
vornherein das Vertrauen gegen die ganze Gruppe Vergruben.

Meine bisherigen Versuche haben also die An-
sicht, dass künstliches Alizarin weniger widerstands-
fähig gegen Luft und Licht sei als der natürliche
Krappfarbstoff, durchaus nicht bestätigt. Ich bin da-
mit beschäftigt, die Versuche fortzusetzen.
Was die Nuancenunterschiede anlangt, so habe
ich bisher nur immer gefunden, dass die Alizarin-
lacke reinere, lebhaftere Töne besitzen als die Krapp-
lacke, und bin ich der Meinung, dass es ohne
Schwierigkeiten gelingen muss, den Ton des Ali-
zarins nach Bedürfnis zu nuancieren und zu mil-
dern, da Alizarinlacke wohl mit allen in Betracht
kommenden anderen Farben unbedenklich vermischt
werden können.
Ich kann hiernach bisher nicht einsehen, welche
Tugenden den Krappfarbstoff vor dem Alizarin aus-
zeichnen, und ich richte daher an die Interessenten
die Bitte, mich in dieser Hinsicht zu belehren. Ich
werde dann durch Anstellung von einwandfreien Ver-
gleichsversuchen zu einer endgültigen Entscheidung
der angeregten Frage zu kommen suchen, die ja
bei dem enormen Preisunterschiede der beiden Pro-
dukte auch für den Künstler von dem grössten prak-
tischen Interesse ist.
Maschine zur Herstellung von
Bildhauerwerken.
Die Uebertragung von im Gipsmodell herge-
stellter Bildhauerwerke in edles Material, wie Mar-
mor, Sandstein, ist bisher meist mit Hilfe des sogen.
Punktierens vorgenommen worden. In neuerer Zeit
hat man auch Vergrösserungen durch eigens kon-
struierte Maschinen zu machen versucht und so die
manuelle Arbeit zu sparen begonnen. Eine ähnliche
Maschine hat der Kunstbildhauer Luckscheiter
in Cannstatt (Waiblingerstr. 20) erfunden, die einen
weiteren Fortschritt in dieser Art zu bedeuten scheint,
da sie von zwei Seiten zugleich und mit vier In-
strumenten mit riesiger Geschwindigkeit, bis auf 1 m
Tiefe, so tief es eben nötig ist, arbeitet, und mehr
zu leisten imstande sein soll, als acht fleissige Mar-
moristen im Tage leisten könnten. Zum Fertigmachen
werden Meissei eingesetzt, die ganz die Haltung
wie beim Bildhauer haben, und schliesslich kann die
Arbeit poliert und geschliffen werden. Es können
sowohl Arbeiten in Elfenbein, Marmor, Stahl und
Kupfertreibarbeiten angefertigt werden. Der Erfinder
der Maschine, welche den Namen „Luckscheiters
Diamantfräse" tragen wird, übernimmt auch die
Ausführung von Arbeiten für andere Künstler und
bietet alle erdenkliche Garantie bezüglich der ihm
anvertrauten Modelle etc. Da uns weder die Ma-
schine noch ihre Leistung bekannt ist, müssen wir
uns jeden Urteils über deren praktischen Wert ent-
halten. Selbständige Künstler, die sich für die Sache
interessieren, wollen sich deshalb direkt mit dem Er-
finder in Verbindung setzen.
 
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