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Münchner kunsttechnische Blätter — 1.1904-1905

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Nr. 22
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Trillich, Heinrich: Die weissen Farben [1]
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Täuber, Ernst: Ueber Retouchierfirnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.36597#0103
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Nr. 22.

Münchner kunsttechnische Biätter.

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beim Brennen mit Zusätzen Porzellan, Steinzeug,
feuerfesteSteine.
In der Farbenindustrie dienen diese Farberden
meistens als Zusätze zu bunten Kalk- und haupt-
sächlich Tapetenfarben, die trockenen Farben sind
leicht und mehr oder weniger „fettig", weshalb mit
viel Kaolin hergestellte Farben beim Einrühren auf
Wasser schwimmen. Fundorte solcher weisser Farb-
erden sind in Deutschland Sachsen, Hessen, Rhein-
land, bayer. Pfalz.
Von den Mineralien, die weisse Farben liefern,
ist vor allem die Kreide zu erwähnen. Als eine Ab-
lagerung aus urzeitlichen Meeren besteht sie aus
mikroskopisch kleinen Gehäusen von Weichtieren
mit Ton- und Kieselerdebeimischung, letztere Infu-
sorienpanzer. Das Mikroskop liefert von Kreide-
dünnschliffen oft wunderbare Bilder. Nicht selten
finden sich aber auch Versteinerungen der riesigen
Tierformen der „Kreidezeit", des Sauriergeschlechtes.
In ganzen Gebirgen heute zutagetretend, ist diese
meistens aus kohlensaurem Kalk bestehende Kreide
in England, Frankreich, an der deutschen Küste
(Rügen), im Juragebiet zu finden, sie bildet einen
weichen erdigen Kalkstein, der gebrochen, gemahlen
und geschlämmt, dann häufig wieder geformt wird
(Schulkreide). Auch in Bayern findet sich ausser im
Juragebiet in den Alpen Kreide (Bergkreide). Die
Verwendung der Kreide ist eine sehr vielseitige, sie
ist für den Maler die wichtigste Leimfarbe und wetter-
feste Fassadenfarbe, in der Farbenindustrie ein
Hauptbestandteil vieler Kalkfarben, besonders der
Schüttgelbe, des alten Berliner-Rot mit Rotholzlack,
der Untergrund für Vergoldungen oder Lackfarben.
Als Oelfarbe kommt Kreide wegen ihrer ge-
ringen Deckkraft in^Oel nicht in Betracht, selten
auch als Zusatz zu Blei- oder Zinkweiss, dagegen
ist sie ein Hauptbestandteil der Glaserkitte. Sie
dient als Putzmittel (Neuburger Kreide), als Zeichen-
grund auf Papier (Kreidepapier), endlich als Tafel-
kreide in den Schulen und im geschäftlichen Ge-
brauch. Bei dem geringen Preis der Kreide (100 Kilo
2.50 Mk. bis 5.— Mk.) verträgt sie nur geringe
Frachten und die einzelnen Gegenden beschränken
sich meistens auf die nächsten Fundorte. Bolog-
neser Kreide ist eine besonders leichte Kreide, viel-
fach jetzt ein Kunstprodukt, Venetianer Kreide ist
Speckstein, ähnlich wie spanische Kreide.
Ebenfalls sehr bedeutende Massen weisser Mi-
neralfarben liefern die Spatgesteine. Den Namen
Spat führen nun allerdings sehr verschiedene Mi-
neralien. So ist z. B. chemisch genau dasselbe wie
Kreide der Kalkspat, der ebenso wie Marmor (die
feinkörnige Struktur) sehr geschätzte billige, harte
Mineralmehle liefert, die besonders als Zementweiss
besser als Kreide sind. Auch der Magnesit ist jetzt
vielfach Bestandteil sog. wetterfester Fassadenfarben.
Es folgen dann die Sulfatspate, d. h. die schwefel-
sauren Salze der Erdalkalien, nämlich der schwefel-
saure Kalk (Gips, Alabaster, Leichtspat) und der

schwefelsaure Baryt (Schwerspat). Der Leichtspat
kommt vielfach unter dem Namen Lenzin oder Anna-
line (von der Annamühle in Thüringen), neuerdings
als Mineralweiss vor, ist häufig leicht gebrannt, dann
abgeschreckt, um ihn(in Oel besser deckend zu machen.
Auch Gips bildet eine weit verbreitete Felsart,
und die Farben aus Gips können bei g—6 Mk. Preis
für 100 Kilo ebensowenig wie Kreide grosse Fracht
vertragen.
Wesentlich härter und schwerer als Gips ist der
Schwerspat, der sich in den deutschen Urgesteinen
findet, so in Thüringen, im Harz, im Schwarzwald,
im Pfälzer Gebiet u. a. Gegen chemische Eingriffe
nahezu indifferent, lässt sich dieses Mineral nur
schwer mahlen, liefert aber sehr feine Mehle, lässt
sich mit Salzsäure reinigen und bildet dann das
Hauptbeimischungsmittel zu allen weissen chemischen
Farben, besonders zu Bleiweiss.
In der Farbenindustrie ist er heute die Haupt-
grundlage aller Farbstotflackfarben.
Die in Oel geringe Deckkraft kann durch starkes
Glühen und rasches Abschrecken nicht unerheblich
gesteigert werden (Permanentweiss, Mineralweiss).
Je nach Feinheit und Weisse kostet Schwerspat
6—10 Mk.
Von anderen Mineralien liefern noch der As-
best weisse Farbe zu sogen. Asbestfarben, die aber
auch andere Füllkörper enthalten, ferner der ver-
wandte Speckstein den Talcum, das Federweiss oder
Venetianer Kreide. Talcum ist ein wesentlicher Füll-
stoff und Glättstoff für Papiere. (Schluss folgt.)
Ueber RetouchierRrnis.
Von Dr. Ernst Täuber, Berlin.*)
Als Retouchierürnisse bezeichnet man bekannt-
lich solche Flüssigkeiten, die in der Oelmalerei da-
zu bestimmt sind, während der Herstellung eines
Bildes „eingeschlagene" Stellen wieder „herauszu-
holen", d. h. also, ihres Oberflächenglanzes verlustig
gegangenen Farben den Glanz wiederzugeben, da-
mit die endgültige optische Wirkung einer jeden
Farbe bei dem fertigen Gemälde, welches ja durch den
schützenden Schlussfirnis durchweg eine glänzende
Oberfläche erhält, richtig berechnet werden kann.
Ein solcher Retouchierhrnis muss in erster Linie
die Bedingung erfüllen, in nicht zu langer Zeit voll-
ständig zu trocknen, so dass er die Gefahr der
Staubfixierung durch das unfertige Bild nicht ver-
grössert, der Rückstand muss möglichst farblos sein
und dauernd farblos bleiben, damit die Farbentöne
keine Aenderung durch ihn erfahren und endlich
darf er keine isolierende Schicht bilden, weil da-
durch die vollständige Trocknung der von ihm ge-
deckten Oelfarben gehindert würde.
*) Von Herrn Regierungsrat Prof. Dr. Täuber, Char-
lottenburg, ist uns obiger Artikel mit dem Ersuchen um Ab-
druck übersandt worden. Wir kommen diesem Wunsche hier-
mit bereitwillig nach.
 
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