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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 2
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Berger, Ernst: Zur Frage der römisch-pompejanischen Wandmalerei, [4]: Bemerkungen zu Keims "neuen" Rekonstruktionsversuchen, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0011
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Nr. 2.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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Schon im Anfangsstadium meiner vor iS Jahren
vorgenommenen Versuche wollte es mir nicht getingen,
auf dem genau nach Vitruvs Vorschrift geglätteten
Grund in der freien Manier der pompejanischen
Mater weiterzuarbeiten. Der Pinsetstrich btieb
sozusagen auf hatbem Wege stecken, er
setzte aus. Statt die votte Farbe bis zu Ende ab-
zugeben — man denke an geschwungene oder spiral-
artige Linien ornamentater Art —, entzog der
eigentümtich schnett einsaugende „hitzige"
Marmorstuck dem mit Farbe gefütiten Pinset
dieFtüssigkeit, so dass sich nur kurzeStriche
ausführen Hessen, eine gtatte Ausbreitung
der Farbe auf dem Untergrund in der leichten
Art des Fresko war nicht zu erreichen.
Aus dieser Erfahrung heraus schrieb ich damats:
Auf solchem genau nach Vitruvs Angaben her-
gesteüten Untergrund Hesse sich nicht at
Fresko malen. (Ich hätte besser sagen sotten:
nicht gut at Fresko malen!)
An diese meine obigen Erfahrungen erinnerte mich
die gequälte Manier der Malerei auf den K.sehen
Proben in der Gewerbeschule, die nicht im entferntesten
mit pompejanischen Malereien verglichen werden kann.
Es ist nun von Wichtigkeit, zu konstatieren, dass
die gleichen Schwierigkeiten auch von anderen
empfunden wurden, und zwar gerade auch
von dem als Hauptvertreter der Freskomater ei
bei den Alten bekannten Münchener Professor
Schafhäutl! In meinem Buche „Maltechnik des
Altertums" habe ich einige Male auf dessen Ansichten
hingewiesen: so Seite 133 im Kapitet über die „che-
mischen Analysen" und Seite 300 im Abschnitt, der
frühere Versuche zur Rekonstruktion der antiken Wand-
materei behandelt.
Neuestens lenkt K. in seinen Techn. Mitt. f. Mal.
(XXVIII, Nr. 2 vom :g. Juli 1911) die Aufmerksamkeit
auf Schafhäutls obenerwähnte Versuche durch Ab-
druck eines im Jahre 183 t in Dinglers Polytechn.
Journal, Bd. [22 S. 287—293, erschienenen Artikels
„Ueber die Theorie des Erstarrens (Anziehens) und
Hartwerdens der Mörtet und über den glänzenden
Stucco der Alten", um zu beweisen, dass schon „von
anderen vollkommen erfolgreich gefertigte
Rekonstruktionen der römisch-pompejanischen
Wandmalereitechnik bezw. des glänzenden Stukkos der
Alten" erzielt worden seien.
In diesem Artikel, der auch in meiner Maltechn.
d. Altertums a. a. O. im Auszuge enthalten ist, be-
schreibtSch. seine nachVitruvs Angaben vorgenommenen
Proben und verbreitet sich ausführlich über die eigen-
tümlichen Verhältnisse des Anziehens und Abbindens
der Marmormörtelschichten vor und während der
Glättungsarbeit. Jeder, der sich mit solchen Versuchen
befasst hat, wird zu ähnlichen Resultaten gelangt sein,
wie sie hier beschrieben sind, und sie decken sich,
was die Reihenfolge des Auftragens, der Zusammen-
setzung der Schichten, das Abreiben und Schlagen
mit Hölzern (mechanisches Komprimieren) sowie die
Arbeit des Glättens betrifft, das nur in einem be-
stimmten Stadium des Anziehens möglich ist, mit
meinen Erfahrungen völlig überein, auch im
Hinblick auf die Schwierigkeiten, die sich bei
dem Farbenauftrag, also beim Freskomalen
auf dem genau nach Vitruv hergestellten
Stukkogrund bieten.
Es heisst da (a. a. O. S. 15 Spalte 2):
„Das Aufträgen von Farben auf dem geebneten,
obwohl noch nassen Grund hat grosse Schwie-
rigkeiten. Trägt man die Farbe mit
Wasser angerieben auf, so macht sie ent-
weder den bereits geglätteten Grund flüssig, dass
eine Politur unmöglich wird, denn der Kalk
des Grundes vermischt sich mit der

Farbe und macht sie lichter und un-
scheinbar. Ich trage deshalb am liebsten die
feingeriebenen Farben trocken mittels Baum-
wolle auf und glätte dann die gefärbte Ober-
fläche. Auch hier darf man, wenn die Stelle
fleckig wird, nicht mit Wasser nachhelfen oder nur
höchst vorsichtig, denn dann reibt sich die
Farbe während des Glättens nur allzu-
leicht von der benetzten Fläche weg und
es erscheint der weisse Untergrund, auf welchem
auch die trockene Farbe schwer haftet."
Ist das nicht verwunderlich? Ist dieses Aufträgen
von trocknem Farbenpulver mittels Baumwolle Malen
zu nennen? Und gar das „berühmte" Freskomalen der
Alten? Hat diese Methode überhaupt etwas Hand-
werksmässiges ?
Die Antwort darauf ist unnötig zu geben!
Es heisst dann weiter:
„Selbst wenn man die Oberfläche
färbt, ehe man sie poliert, wie es beim
Stukko der Römer fast immer der Fall
war, so trägt man die Farbe am besten in
Pulverform mittels Baumwolle oder dergleichen
auf; denn rührt man die Farbe mit Wasser an, so
reicht das Wasser der Farbe hin, die
Oberfläche wieder flüssiger zu machen
und ihn (d. h. den Stukko) am Erstarren zu hindern."
Ist es schon auffällig, dass der Vertreter des Fresko
bei den Alten statt mit dem Pinsel zu malen, die
Farben mittels Watte (Baumwolle) auftupft (!), also
schon der blosse Farbenauftrag derartige Vorsichts-
massregeln nötig macht, so muss, was folgt, gerade-
zu in Erstaunen setzen.
Es heisst weiter, S. :6 Spalte 2: (Freskofreunde,
verhüllt euer Haupt!!)
„Da der geglättete Grund sich nur
schwer befeuchten lässt, so würde
sich mit blossen Wasserfarben in der
kecken kräitigenWeise der Alten garnicht
malen lassen. Man muss sie (d. h. die Farben)
deshalb mit einem ätherischen Oeie, etwa Speck-
öl, oder einem zähen Firnisse anmachen (!!). Ge-
wöhnlich gebrauchten die Alten beim Russ eine
Art Gummi oder Leim (Glutinum)."
Obwohl an der gleichen Stelle, kurz vorher, er-
wähnt ist, dass die Farben der antiken Stuckmalereien
alle Kalkfarben sind, und man auf dem bereits ge-
ebneten Grund, noch ehe der Grund hart geworden
ist, so schnell als möglich arbeiten müsste, und dass
das Befestigungs- und Bindemittel in allen Gemälden
„bloss Kalk und wohl auch eine ganze Menge hydrau-
lischen Kalkes" gewesen sei, kommt Schafhäutl zu
diesem Ergebnis, das alles vorher Gesagte
über den Haufen wirft! Wie man sieht,
zwischen Theorie und Praxis ist doch ein gewaltiger
Unterschied! Und was ist das Schafhäutlsche Resultat
anderes als das Eingeständnis, dass er den genau
nach Vitruv hergestellten Grund zu Freskomalerei
nicht geeignet befunden hatte? Von einer „voll-
kommen erfolgreichen Rekonstruktion der römisch-
pompejanischen Wandmalereitechnik" im Sinne der
Freskotheorie kann hier doch wahrlich nicht
die Rede s ei n!
In meinem Buche „Maltechn. d. Altertums" hatte
ich auf diesen Widerspruch Schafhäutls hingewiesen
und Seite 301 daran die Bemerkung geknüpft: „So
sehen wir sogar Sch., den Verfechter der Fresko-
technik bei den Alten, klein beigeben und auf die
Seite der Temperamaler und selbst der Enkausten
neuerer Methode treten".
Ausser von Schafhäutl (oder im Anschluss daran)
sind noch Versuche ähnlicher Art im grossen aus-
geführt worden, und zwar gelegentlich der Erbauung
 
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