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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 12
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Berger, Ernst: Die Busssche Tempera
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0051
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Nr. 12.

Münchner kunsttechnische Blätter.

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iikon kann ich als Mitexperimentierender bei den
langjährigen Versuchen folgendes äussern:
Diese Temperafarben, mit denen ich seit
7 Jahren ausschliesslich alle die Bilder, welche
ich in Tempera ausführen wollte, gemalt habe,
eignen sich für jeden Malgrund. Grössere Bilder
sind auf geleimte rohe Leinwand gemalt, bei klei-
neren Formaten bediente ich mich vorzugsweise
der Eternitplatten, welche von den Eternitwerken
in Nieder-Urnen (Kanton Glarus) zu bautechnischen
Zwecken hergestellt werden. Dass diese Eternit-
platten nicht immer die gleiche Struktur zeigten,
ihre malbare Fläche bald glatter, bald poröser
war, hat mir des öfteren Schwierigkeiten bereitet,
abgesehen davon, fand ich sie aber für meine
Zwecke besonders geeignet. Was nun die Farben
betrifft, so konstatiere ich, dass mich von Anfang
an ihre schönen Eigenschaften bestachen, so vor
allem die absolute Reinheit der verschiedenen
Pigmente und die leuchtende Farbstärke. Er-
schwerend mag vielleicht im Anfang den mit den
Farben noch wenig Vertrauten der Umstand er-
scheinen, dass die Farben durchgehend die Ge-
wohnheit haben, heller aufzutrocknen, und zwar
einige Tonstufen höher, als sie nass gestrichen
sind. Damit ist gleich bewiesen, dass sie sich
für ein Naturstudium, bei welchem die möglichste
Wahrheit der Töne angestrebt wird, nicht eignen.
Ich habe denn auch bei landschaftlichen Studien
oder Porträtskizzen die Temperafarben nie ange-
wendet, höchstens ab und zu einmal zu Unter-
malungen.
Auch ist hier zu bemerken, dass bei frei-
komponierten Bildern oder Umsetzungen von Oel-
studien in die frischere Temperatechnik man von
Anfang an entschieden sein muss, ob das Bild
gefirnisst werden soll und also die tieferen nassen
Töne die Skala bestimmen, oder ob man dem
Bild den helleren ungefirnissten Charakter der
heller aufgetrockneten Tempera lassen will. Ich
habe mehr die zweite Art vorgezogen und es
durch die jahrelange Uebung dazu gebracht, dass
ich jeden nassen Ton richtig abzuschätzen ver-
mag auf seinen helleren Trockencharakter. Oft
gehe ich auch so vor, dass ich das Bild mit
einem verdünnten Schellack oder Mastixspritfirnis
in der Mitte der Arbeit vermittels der Fixier-
spritze soweit fixiere, dass die Töne dunkler er-
scheinen.
Darauf wird dann aber das ganze Bild von
neuem mit den helleren Tönen nochmals gemalt,
und kann ich damit abwechselnd in Schichtver-
fahren weitergehen, wobei sich die Dunkelnass-
wirkung und die Helltrockenwirkung allmählich
ausgleichen. Die Farben haben dabei die gute
Eigenschaft, die verschiedenen Schichten zu durch-
dringen und sich mit den unteren Lagen zu ver-
binden. Irgendwelche Nachteile, wie Springen
oder Abblättern der Farben, haben sich dabei

nie gezeigt, und möchte ich allen Gerüchten über
die unsolide Malart, die oft in der Schichten-
ßrnisierung gesehen wird, entschieden entgegen-
treten.
Eine weitere Eigenschaft der Bussschen Tem-
perafarben, die grosse Vorteile in sich birgt, ist
folgende: Die frisch aufgetragenen Farben sind
am gleichen Tag und vielleicht nach den 3—4
folgenden noch leicht abwaschbar, nach 14
Tagen und mehr aber mit Wasser nicht mehr
löslich.
Wie man nun damit malen soll, ist eigentlich
schwer zu sagen, das muss jeder selber seiner
Natur nach ausprobieren. Ich kann bloss sagen,
dass ich für mich einfach mit den unveränderten
Farben, wie sie aus den Tuben kommen, mit Bei-
setzung von Wasser zur Verdünnung male und
die verschiedenen Malmittel nie benutzt habe,
sondern glaube, dass sie viel zur Unsicherheit
und Verwirrung beigetragen haben.
Dass ich für mich ein möglichst pastoses Vor-
gehen bevorzuge und fast alle hellen Partien des
Bildes mit Kremserweiss untermale, ist vielleicht
mehr eine spezielle Liebhaberei als Notwendig-
keit. Dass ein grosser Unterschied zwischen ge-
mischtenFarben und übereinander gesetzten Farben
in zweimaligem Aufträgen besteht, ist klar. Ein
blauer Himmel z. B. aufgetragen in einer Mischung
aus Kremserweiss mit Kobaltblau wirkt grauer,
als ein Himmel, der zuerst nur mit Kremserweiss
untermalt und gut getrocknet, nachher mit einer
feinen dünnen Lasur von Kobaltblau übergangen
wird. Im zweiten Falle leuchtet das unterlegte
Weiss als Helligkeit durch die schöne Blauschicht
hindurch und gibt ihr etwas leuchtend Transpa-
rentes, das oft zu überraschend schönen Wir-
kungen führt und für den nicht Eingeweihten
etwas unerklärliches Geheimnisvolles hat. So wären
noch viele Reize, die in dieser Technik liegen,
aufzuzählen. Andere Temperarezepte haben ein-
zelnes davon auch. Ich habe ausser der früheren
Pereiratempera vor 20 Jahren auch die Aster-
Tempera probiert und mit den Honigrezepten von
Sandreuter Bekanntschaft gemacht, habe mir auch
jahrelang die Farben nach eigenen und fremden
Rezepten selbst gerieben, bin aber für mich zur
Ueberzeugung gekommen, dass mir keine soviel
bieten konnte, als die von unserem unvergess-
lichen gewissenhaften Dr. Buss, der sie sicher
noch weiter ausgebaut und wohl auch die ein-
gangs erwähnten Mängel vielleicht noch gehoben
hätte.
Wer Bequemlichkeit schätzt und ein müheloses
technisches Arbeiten dem Reiz der vielen Mög-
lichkeiten und überraschenden Wirkungen des
schönsten Materials vorzieht, der male nicht mit
der Dr. Bussschen Tempera, — es gibt leichter
zu handhabende, die auch unverändert auftrocknen
und draussen zum Naturstudium verwendet werden
 
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