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Inhait: Die Kunst des Karrikaturenzeichnens. — Der „echte" Oelmalgrund. Von D. H. (Schluss.) — Der
Druck der Radierungen und Stiche kieinen Formates. Von J. Mai. — Die neueren Maimethoden
vom Pieinarismus bis zum Futurismus. Von E. B. — Photographierte Silhouetten. Von F. Hansen
— Literatur.

Die Kunst des Karikaturenzeichnens.

Unter dem Titei: „Sie iernen spielend
Karikaturenzeichnen!" ist ein „Leichtfass-
iicher Leitfaden, mit zahlreichen Abbildungen
nach neuestem wissenschaftl. System" von v. Trost-
Regnard im Verlag Carl K!emm, München
(ohne Jahreszahl), erschienen. Dazu sei bemerkt:
Die Lust zum Karikieren, die jedem von
uns eigen ist, soll nach des Verfassers Meinung
nach bestimmten Regeln der Physionomik weiter
ausgebildet werden, und er selbst gibt eine Reihe
von oft sehr treffenden Hinweisen, wie sich der
Charakter eines Menschen auch in seiner äusseren
Erscheinung ausspricht. Sache des Künstlers ist
es, das Karikaturenzeichnen auf eine höhere Stufe
zu führen; das wird naturgemäss nur durch ge-
naues Studium der Eigenheiten des zu kari-
kierenden Vorbildes erreicht, und bis zu welchem
Grade diese Gabe gesteigert werden kann, das
zeigen uns deutlich genug die trefflichen Zeich-
nungen in unseren sog. Witzblättern (Simplizissi-
mus, Kladderadatsch, Lustige Blätter, Punsch
u. a. m.). Aber dass das Karikieren „spielend"
gelernt werden kann, möchten wir bezweifeln.
Das einseitige Uebertreiben irgendeiner Besonder-
heit einer Persönlichkeit ist noch lange keine
richtige Karikatur. In künstlerischer Hinsicht ver-
langen wir vielmehr ein Ablauschen derjenigen
kleinen Unregelmässigkeiten, die das Charakte-
ristische der Physionomie, sozusagen im Extrakt,
wiedergeben soll, und dieses Charakteristische
dann bis zur Verzerrung zu steigern, darin be-
steht die Kunst des Zeichners.
Der Karikaturist muss vor allem Menschen-
kenner sein, wie ein guter Porträtmaler, er muss
ein feiner Satyriker sein und muss vor allem ein
trefflicher Zeichner sein; sonst kommen solche

Werke zustande, die der Verfasser obiger Schrift
als Beispiele bringt und die im besten Falle für
eine Kneipzeitung gerade noch genügen würden.
Am besten lernt man Karikaturenzeichnen, wenn
man die Vorbilder eines Thöny, Gulbransson,
Heine oder Oberländer studiert und sich darin
übt, die äussere Erscheinung der Personen seiner
Umgebung, die zu Uebertreibung oftmals genug-
sam Anlass geben, mit wenigen sicheren Strichen
festzuhalten, indem man Typen daraus macht.
Es genügt aber nicht allein die Physionomie zu
studieren, nicht minder wichtig ist die ganze Hal-
tung des Körpers, die Bewegungseigenschaften
seines Vorbildes zu erfassen, die Kleidung und
die ganze Art sich zu geben, sind wichtige Hand-
haben zum Karikieren. Und wie notwendig der-
lei Studien sind, sehen wir heute in der politi-
schen Karikatur, die, bis zum krassen Grotesken
gesteigert, ein unvergleichliches Kampfmittel der
Geister werden kann. Die grossen Witzblätter
des In- und Auslandes geben davon Proben ge-
nug. Welche Unsumme von künstlerischer Arbeit
auf diesem Gebiete geleistet ist, wird jeder mit
Bewunderung anerkennen. Aber wir glauben
kaum, dass irgendeiner dieser Künstler es „spielend"
leicht zu dieser Vollendung gebracht haben wird.
Zum tüchtigen Karikaturenzeichner gehört ausser
der satyrischen Ader, die die menschlichen Schwä-
chen geissein will, ausser der Fähigkeit der
schnellen Erfassung der individuellen Eigenheiten
des Vorbildes noch die richtige Darstellungsgabe.
Der Karikaturenzeichner muss eben nicht nur
ein guter Beobachter und Menschenkenner sein,
er muss auch ein — Könner sein! Dann wird
er von den Verlegern gesucht und kann auch
guter Bezahlung sicher sein. F. W.
 
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