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Hänchen, n, Dez 1916.

gzliäga xaF „Werkstatt der Kesst" (E. A. See sasa, Leipzig).
Ersekeüat 14 tägig Mater Leiteag vse Maler Prof. Erast Serger.

IHI, jähr^ Nr. 6,

Inhalt: Eine neue Lösung des Streites zwischen Goethe und Newton. Vom Herausgeber. (Schluss.) —
Farbentheorien. Von Dr. Hans Schmidkunz, Berlin-Halensee. (Schluss.) — Die neueren Mal-
methoden, vom Pleinairismus bis zum Futurismus. Von E. B. (5. Fortsetzung.) — Untersuchungen
über Veränderungen an den Malereien der Burg Trausnitz. — Soll man Gemälde unter Glas halten?


Eine neue Lösung des Streites zwischen Goethe und Newton.

Vom Hera
Mit dieser Entdeckung und Bewertung der
Farbenblindheit, die er zuerst ganz richtig als
einen Zustand zwischen Gesundheit und Krankheit
auffasst, hat Goethe den Kenntnissen seiner Zeit
um mehrere Jahrzehnte vorausgearbeitet. (In einer
Fussnote weist Prof. Raehlmann auf seine eigenen
bezügl. Untersuchungen hin, die im Archiv für
die ges. Physiologie Bd. 80 u. 102, sowie in der
Abhandlung über Farbensehen und Malerei, Mün-
chen igOl erschienen sind.)
Von nicht geringer Wichtigkeit sind auch die
Angaben Goethes über das Vorkommen krank-
hafter Lichterscheinungen gewesen, die im Ab-
schnitt über pathologische Farben (Didaktischer
Teil § 101/35) beschrieben sind.
Er kennt und beschreibt die „Reizerscheinun-
gen", wie sie bei Augenkranken nicht selten zu
beobachten sind, und die heutzutage den Wert
von bestimmten Symptomen besonderer Netzhaut-
erkrankungen besitzen.
Goethe kennt auch die Farbenerscheinungen,
die bei Druck und Schlag auf das Auge eintreten.
Er führt auch schon an, dass die nach heftigen
Lichteindrücken abklingenden Nachbilder bei reiz-
baren Personen länger als bei gesunden im Auge
verweilen und stundenlang lästig empfunden werden
(Didakt. Teil § 18). Es ist ihm auch nicht un-
bekannt, dass die Purpurfarbe dabei eine besondere
Rolle spielt.
Goethe beschreibt auch schon einige Zustände
des gestörten Farbensehens bei Gelbsüchtigen
und Staarkranken, welche für die Pathalogie von
Bedeutung sind.
Die Farbenstudien, welche Goethe über das
Kolorit in der Malerei angestellt hat, sind aus

usgeber. (Schluss.)
seinen Erfahrungen über die Harmonie der Farben
direkt hervorgegangen.
Die Gruppierung, welche er den Farben nach
Massgabe ihrer „Polarität" anweist, lassen ihn eine
Einteilung in warme und kalte Farben zweckmässig
erscheinen, und wir wissen, dass diese Auffassung
in der Kunst der Malerei noch heute ihre praktische
Anwendung findet. Denselben Wert hat für jede
psychologische Betrachtung über die Farbe der
Abschnitt über die sinnlich-sittliche Wirkung, welche
Goethe den Farben zuschreibt.
Die Unterscheidung und Gegenüberstellung
von Plus- und Minusfarben, d. h. von regsamen,
lebhaften und strebenden, gegenüber den unruhigen,
weichen und sehnenden Farben, hat grossen Ein-
fluss auf die Dekorationskunst ausgeübt. Man hat
damit auch Einfluss auf krankhafte Gemütsstimmun-
gen ausüben wollen.
Seine Erörterungen über Lokalfarbe und über
Kolorit überhaupt sind noch heute für den Künstler
in jeder Richtung massgebend.
Auch die Rolle, welche Goethe den trüben
Medien bei der Erzeugung der Farbe zuschreibt,
ist vollkommen richtig.
Die Argumente aber, welche Goethe aus ihnen
gegen Newtons Gesetze ableitet, und die ganze
physikalische Beweisführung Goethes gegen diese
Gesetze sind falsch — darüber dürfen wir uns
gegenwärtig keinem Zweifel hingeben, trotz aller
Anerkennung der geistreichen Umkleidung dieser
Beweisführung.
Aber warum die Schatten in Goethes Farben-
lehre immer wieder betonen, wo so viel Licht vor-
handen ist?
Es ist wahrlich kein Verdienst um die Farben-
 
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