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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. 9.
standen, von denen man heute weiss und die heute
noch bestehen.
Es ist natürlich, dass diese Malereien jene un-
geheuer lange Zeit nur überdauern konnten, wenn sie
vor dem Verfall geschützt waren, vor dem Verfall
sowohl der die Malerei tragenden Fläche als auch
vor dem Verfall, der durch dfe zerstörende Wirkung
der Zeit oder durch mutwillige Vernichtung kommt.
Es ist als ob die Zeit selber dafür gesorgt hätte, dass
diese Malereien erhalten blieben, denn sie hat das
Vergessen darüber gebreitet und die Malereien zum
Teil in ihrem Schutt begraben und so vor dem Ver-
fall geschützt. Ausserdem aber waren die Flächen,
die diese Malereien tragen, schon durch ihre Lage
in tiefen und dunklen Höhlen meistens vor dem
Schicksal sicher, das Gebäude in dieser langen Zeit
betroffen haben würde. Wenn es aber damals Ge-
bäude gegeben haben sollte, so ist als sicher anzu-
nehmen, dass mit ihrem Untergange auch Malereien
vernichtet worden sind und wenn des weiteren die
Höhlen, die jene Malereien enthalten, so lange vor
Schäden aller Art durch ihr Vergessensein und durch
die sie versperrenden Schuttlager geschützt bleiben
konnten, so ist nicht minder sicher, dass wir trotz
der grossen Fülle der heute schon bekannt geworde-
nen Höhlenmalereien doch nur einen Teil von ihnen,
möglicherweise erst den kleinsten Teil kennen und
das uns vielleicht die letzten Aufschlüsse sowohl über
wirkliches Alter und früheste Zeit ihrer Entstehung,
als auch über den Gang ihrer Entwicklung und Ent-
faltung und schliesslich vielleicht auch die geschicht-
liche Brücke zu den alten künstlerischen Kulturen,
die bis jetzt am Anfänge unserer Kunstgeschichte
standen, noch vorenthalten sind.
Die Höhlen, die jene Malereien des Eiszeitmen-
schen und auch des Steinzeitmenschen bergen, sind
nur zu einem kleinen Teil seit längerer Zeit überhaupt
bekannt. Am längsten bekannt ist die Höhle
von Fuencaliente, nicht aber ihre Malereien,
in der spanischen Provinz Cordoba, nämlich
seit 1783. Die verschüttete Höhle von Alta-
mira in Nordspanien war 1868 zufällig von
einem Jäger entdeckt worden; der spanische
Edelmann Sautuola besuchte sie aus paläoli-
thischem Interesse seit 1873 und als er 1879
einmal sein Töchterchen auf einem solchen
Höhlengange mitnahm, machte ihn dieses
auf ein Tierbild an der Höhlendecke auf-
merksam. Das war die erste Entdeckung
jener Anfänge der Malkunst und bei wei-
terem Suchen fanden sich in der Höhle von
Altamira noch viel mehr solcher Tierbilder.
In Frankreich entdeckte 1878 der Schul-
lehrer Chiron die Chabothöhle, Daleau 1883
die Höhle Pair non pair bei Niaux, Riviere
I893 die Höhle La Mouthe in der Dor-
dogne, Regnault 1897 die Marsoulashöhle
in der Haute Garonne und Capitan, Breuil
und Peyronnie die Höhle Les Combarelles in
der Dordogne. Das waren die ersten Funde
von Höhlenmalereien: in den folgenden Jahr-
zehnten begann man zu suchen und man fand
wirklich eine ganze Reihe solcher Höhlen mit Male-
reien, so dass man heute in Spanien über 28, in Frank-
reich über :8 solcher Höhlen kennt. Ausserdem ist
eine Höhle bei Nabresina im Karstgebirge, ohne Male-
reien an den Wänden, aber mit steinzeitlichen Knochen-
graphierungen entdeckt worden, ferner in Deutschland
eine, deren Malereien nur auf Kieselsteinen sich be-
finden, ähnlich denen von Mas d'Azil in Südwestfrank-
reich am Nordhange der Pyrenäen; jene deutsche
Höhle befindet sich in der Pfalz zwischen Neustadt
a. d. Haardt und Mussbach. Die steinzeitliche Wand-
malerei des Steinzeitdorfes Grossgartach bei Heilbronn
kommt weniger in Betracht. In England (Süd-Wales) be-
findet sich die sogenannte Baconshöhle mit einem Fries
vorgeschichtlicher Malereien. In Italien ist 1904 eine
solche Höhle mit Wandmalereien entdeckt worden,
die Grotte Romanelli in der Terra d'Otrando. Ausser-
dem sind auch in Australien Höhlenmalereien nach-
gewiesen. Die Höhlenmalerei der Busch-
männer in Südwestafrika nicht zu ver-
gessen. In Skandinavien wie in der Riviera
und auch in der Sahara sind Felsenbilder, die
allerdings nicht zunächst bemalt, sondern
eingemeisselt oder eingegraben sind und
erst später teilweise mit Farben bemalt
worden sein mögen.
Diese Vorstufe des Eingrabens der
Tierbitder mit dem Feuersteinmesser geht
auch in den Höhlen der Malerei voraus ;
die Gravierkunst ist also noch älter, als
die Malkunst, die sich dort darbietet. Die
Gravierung begleitet hier aber die Be-
malung ein gutes Stück weit und nicht selten
setzt sie das Werk auch da fort, wo
diese einfache Kunst der Höhlenmaler ver-
sagt, nämlich bei der Modellierung der Tiergestalten
und später in einigen Beispielen auch bei der Auf-
höhung; da ist einfach mit dem Schaber die Farbe
weggenommen, dass der heile Untergrund des Steines
zum Vorschein kommt. Sonst aber haben die Höhlen'
maler auch natürliche Vertiefungen und Erhöhungen
des Gesteins zu Hilfe genommen und es scheint
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. 9.
standen, von denen man heute weiss und die heute
noch bestehen.
Es ist natürlich, dass diese Malereien jene un-
geheuer lange Zeit nur überdauern konnten, wenn sie
vor dem Verfall geschützt waren, vor dem Verfall
sowohl der die Malerei tragenden Fläche als auch
vor dem Verfall, der durch dfe zerstörende Wirkung
der Zeit oder durch mutwillige Vernichtung kommt.
Es ist als ob die Zeit selber dafür gesorgt hätte, dass
diese Malereien erhalten blieben, denn sie hat das
Vergessen darüber gebreitet und die Malereien zum
Teil in ihrem Schutt begraben und so vor dem Ver-
fall geschützt. Ausserdem aber waren die Flächen,
die diese Malereien tragen, schon durch ihre Lage
in tiefen und dunklen Höhlen meistens vor dem
Schicksal sicher, das Gebäude in dieser langen Zeit
betroffen haben würde. Wenn es aber damals Ge-
bäude gegeben haben sollte, so ist als sicher anzu-
nehmen, dass mit ihrem Untergange auch Malereien
vernichtet worden sind und wenn des weiteren die
Höhlen, die jene Malereien enthalten, so lange vor
Schäden aller Art durch ihr Vergessensein und durch
die sie versperrenden Schuttlager geschützt bleiben
konnten, so ist nicht minder sicher, dass wir trotz
der grossen Fülle der heute schon bekannt geworde-
nen Höhlenmalereien doch nur einen Teil von ihnen,
möglicherweise erst den kleinsten Teil kennen und
das uns vielleicht die letzten Aufschlüsse sowohl über
wirkliches Alter und früheste Zeit ihrer Entstehung,
als auch über den Gang ihrer Entwicklung und Ent-
faltung und schliesslich vielleicht auch die geschicht-
liche Brücke zu den alten künstlerischen Kulturen,
die bis jetzt am Anfänge unserer Kunstgeschichte
standen, noch vorenthalten sind.
Die Höhlen, die jene Malereien des Eiszeitmen-
schen und auch des Steinzeitmenschen bergen, sind
nur zu einem kleinen Teil seit längerer Zeit überhaupt
bekannt. Am längsten bekannt ist die Höhle
von Fuencaliente, nicht aber ihre Malereien,
in der spanischen Provinz Cordoba, nämlich
seit 1783. Die verschüttete Höhle von Alta-
mira in Nordspanien war 1868 zufällig von
einem Jäger entdeckt worden; der spanische
Edelmann Sautuola besuchte sie aus paläoli-
thischem Interesse seit 1873 und als er 1879
einmal sein Töchterchen auf einem solchen
Höhlengange mitnahm, machte ihn dieses
auf ein Tierbild an der Höhlendecke auf-
merksam. Das war die erste Entdeckung
jener Anfänge der Malkunst und bei wei-
terem Suchen fanden sich in der Höhle von
Altamira noch viel mehr solcher Tierbilder.
In Frankreich entdeckte 1878 der Schul-
lehrer Chiron die Chabothöhle, Daleau 1883
die Höhle Pair non pair bei Niaux, Riviere
I893 die Höhle La Mouthe in der Dor-
dogne, Regnault 1897 die Marsoulashöhle
in der Haute Garonne und Capitan, Breuil
und Peyronnie die Höhle Les Combarelles in
der Dordogne. Das waren die ersten Funde
von Höhlenmalereien: in den folgenden Jahr-
zehnten begann man zu suchen und man fand
wirklich eine ganze Reihe solcher Höhlen mit Male-
reien, so dass man heute in Spanien über 28, in Frank-
reich über :8 solcher Höhlen kennt. Ausserdem ist
eine Höhle bei Nabresina im Karstgebirge, ohne Male-
reien an den Wänden, aber mit steinzeitlichen Knochen-
graphierungen entdeckt worden, ferner in Deutschland
eine, deren Malereien nur auf Kieselsteinen sich be-
finden, ähnlich denen von Mas d'Azil in Südwestfrank-
reich am Nordhange der Pyrenäen; jene deutsche
Höhle befindet sich in der Pfalz zwischen Neustadt
a. d. Haardt und Mussbach. Die steinzeitliche Wand-
malerei des Steinzeitdorfes Grossgartach bei Heilbronn
kommt weniger in Betracht. In England (Süd-Wales) be-
findet sich die sogenannte Baconshöhle mit einem Fries
vorgeschichtlicher Malereien. In Italien ist 1904 eine
solche Höhle mit Wandmalereien entdeckt worden,
die Grotte Romanelli in der Terra d'Otrando. Ausser-
dem sind auch in Australien Höhlenmalereien nach-
gewiesen. Die Höhlenmalerei der Busch-
männer in Südwestafrika nicht zu ver-
gessen. In Skandinavien wie in der Riviera
und auch in der Sahara sind Felsenbilder, die
allerdings nicht zunächst bemalt, sondern
eingemeisselt oder eingegraben sind und
erst später teilweise mit Farben bemalt
worden sein mögen.
Diese Vorstufe des Eingrabens der
Tierbitder mit dem Feuersteinmesser geht
auch in den Höhlen der Malerei voraus ;
die Gravierkunst ist also noch älter, als
die Malkunst, die sich dort darbietet. Die
Gravierung begleitet hier aber die Be-
malung ein gutes Stück weit und nicht selten
setzt sie das Werk auch da fort, wo
diese einfache Kunst der Höhlenmaler ver-
sagt, nämlich bei der Modellierung der Tiergestalten
und später in einigen Beispielen auch bei der Auf-
höhung; da ist einfach mit dem Schaber die Farbe
weggenommen, dass der heile Untergrund des Steines
zum Vorschein kommt. Sonst aber haben die Höhlen'
maler auch natürliche Vertiefungen und Erhöhungen
des Gesteins zu Hilfe genommen und es scheint