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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. i2.
Malereien ausgeführt sind, zeigt nicht die sorg-
fältige Vorbereitung des antiken römisch-pompe-
janischen Wandbewurfs und die sieben Schichten
Mörtel, die uns Vitrus beschreibt. Immerhin aber
ist die Oberfläche in einer etwa cm dicken
Schicht aus einem feinen, offenbar mehrfach ge-
siebten feinen Sande hergestellt. Marmorstaub,
wie in Pompeji und Rom, habe ich in den von
mir untersuchten Stücken nicht gefunden. Dieser
Stuck ist aber immer vortrefflich geglättet! Doch
niemals, wie schon erwähnt, in der Masse gefärbt.
Auf diesem Grunde sind die Anfänge der Malerei,
man kann sagen der Entwurf derselben, in Fresko-
farben, solange der Grund noch nass war, auf-
getragen. Die eigentliche feine Malerei ist dann,
als Ueberarbeitung, auf dem Trockenen aus-
geführt.
Von den aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
stammenden Wandgemälden der Burg Runkelstein
bei Bozen sind die Darstellungen aus Tristan und
Isolde — ausschliesslich in Weiss und Grün ge-
malt — fast reines Fresko. Die Malereien in
Wintlers Sommerhaus und die Darstellung des
höfischen Tanzes und des Ballspiels sind mit Tem-
pera überarbeitet. Die Kirchenmalerei in Terlan,
im Campil bei Bozen, im Kreuzgang von Brixen
sind dagegen in der Hauptsache mit Tempera-
farben gemalt.
Die Freskomalerei ist ihrer Natur nach Stück-
arbeit. Jedes Tagewerk ist von dem vorhergehen-
den getrennt. Jedes neue Stück muss auf frisch be-
worfenem Grund dem schon vorhandenen, dem in-
zwischen zu trocken gewordenen angefügt werden.
Es ensteht so eine Art Flickarbeit, bei welcher
die Flicke, d. h. die einzelnen Tagesarbeiten, um
so kleiner ausfallen, je ausgeführter die Malerei
derselben ist. Auf alle Fälle entstehen bei grösse-
ren Wandgemälden zahlreiche Felder, die an die
schon vorhandenen mit neu angemachten Farben
angestückelt werden müssen — da sind Unter-
schiede in der anschliessenden Farbengebung un-
vermeidlich. Es entstehen vor allen Dingen „Nähte",
in denen sich die benachbarten Stücke vereinigen;
diese sind auf den alten Bildern noch heute zu
sehen — nicht selten durch Niveauunterschiede
der aneinander gefügten Flächen, aber auch am
Unterschiede der Farben. Die Nähte sind auch
häufig nicht linear gerade, sondern stellen mehr
weniger unregelmässig begrenzte Ränder vor.
Gerade an diesen Nähten lässt sich die Ueber-
arbeitung mit Temperafarben leicht erkennen, weil
hier eine Uebermalung notwendig war, um die
Nähte ganz zu verdecken, d. h. unsichtbar zu
machen. Wo das gut gelungen ist, erkennt man
häufig ihre Begrenzungen noch an Niveau-Unter-
schieden der Ebene der Malerei, indem ange-
stückelte Felder höher ober tiefer liegen als die
Umgebung.
(Fortsetzung folgt.)
Ueber Farbenverschnitt und Farben-
vertälschung vor zweitausend Jahren.
Die Farben! Mit gemischten Gefühlen hörte der
eine Meister von seinem Gesellen, dass sein Bleiweiss
absolut nicht decken will. Ein anderer hat die Fenster-
läden eines grossen Landhauses grün gestrichen und
mit Schrecken sieht er, dass jetzt nach drei Monaten
diese Farbe aussieht, als hätte Wind und Wetter seit
Jahren daran gearbeitet. Aber er kann es nicht be-
greifen, es war doch ein herrlicher brillanter grüner
Ton gewesen. Werden sie sich wohl niemals denken
können, was der Grund dieser beiden angeführten
Erscheinungen ist? Die Antwort wird wohl recht einfach
ausfallen. Sie hatten es nicht für nötig befunden, sich
mit einwandfreiem Material zu versehen, hatten ver-
schnittene und geschönte, durch das zweifache Blend-
werk brillanten oberflächlichen Aussehens und billigen
Preises verlockende Farbwaren gekauft und nun
müssen sie zu ihrem nicht geringen Unmut die Konse-
quenzen ihres unüberlegten Handels tragen.
Es mag ja der Einwand erhoben werden, heut-
zutage ist gutes Material so teuer, da muss ich schon
zu billigem greifen. Darauf ist zu entgegnen, dass
der Betreffende sich da bloss selbst anlügt, denn wie
obige Beispiele zeigen, legt er das, was er am Mate-
rial spart, am Lohn dreifach wieder zu. Doch über
diesen Punkt wollen wir hier nicht polemisieren. Uns
interessiert hier ein anderes Thema, das aber doch eng
mit dem eingangs gestreiften in Zusammenhang steht.
Die Farben! Ueber alles was in unserer Zeit mit
diesem Wort in Verbindung gebracht wird, wie Ge-
winnung, Zubereitung, Verschnitt, Schönung, Fälschung,
Verkauf, Aufbewahrung, Verarbeitung usw. ist schon
so viel Druckerschwärze verbraucht worden, dass es
sich nicht verlohnt, noch einmal näher darauf einzu-
gehen. Aber einen interessanten Blick in die Blätter
der Geschichte der Malerei, besonders ihrer Grund-
lagen, heisst es tun, wenn wir einmal hinab in die
Vergangenheit von zwei Jahrtausenden steigen, hinab
an die südlich warmen Lande am Mittelmeer, den
Pflegstätten unseres Gewerbes von Alters her, und
uns an unserem Geiste vorüberführen, was der Deko-
rationsmaler im alten römischen Reich mit seinen
Arbeitsmaterialien, besonders seinen Farben für Er-
fahrungen machte.
Fürwahr, es ist für den Kunstbeflissenen nichts so
fesselnd als sich in die Techniken und Arbeitsgewohn-
heiten einer längst vergangenen Periode der edlen
Malerzunft zu vertiefen. Aus dem alten Italien fliesst
eine ziemlich reiche schriftliche und auch praktische,
ad oculos demonstrierende Tradition über Leben und
Streben der alten Meister. Ernst Berger in München
und einige andere sind es, die ein gut Teil ihrer Lebens-
aufgabe diesbezüglichen Forschungen gewidmet haben,
durch eingehende Untersuchung des vorhandenen
Ouellenmaterials das Ganze der altrömischen Technik
ldarzulegen und demjenigen, der nicht Zeit und Müsse
übrig hat, diesen Problemen mit eigener Hand nach-
zuspüren, ein zusammenfassendes Gesamtbild antiker
Arbeitsweisen zu übermitteln. Freilich besteht zur-
zeit noch eine Scheidung der Geister. Der eine Teil
vertritt die Ansicht, die alten Römer hatten enkaustisch
mit Wachs, der andere die, dass sie al fresco gemalt
hätten.*) Doch hier wollen wir diese Meinungs-
*) Anmerkung: Der Verfasser des obigen Aufsatzes
befindet sich hier in einem Irrtum, wenn diese Stelle auf
meine Erklärung der römisch-pompejanischen Tech-
nik zielen soll. Meine Ansicht ist vielmehr, dass die
Alten in einer der Stucco-Lustro-Manier der Italiener
sehr ähnlicher Art, die man „geglättetes Fresko" nennen
könnte, ihre auch heute noch glänzenden Wandmale-
reien ausgeführt hätten. E. B.
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. i2.
Malereien ausgeführt sind, zeigt nicht die sorg-
fältige Vorbereitung des antiken römisch-pompe-
janischen Wandbewurfs und die sieben Schichten
Mörtel, die uns Vitrus beschreibt. Immerhin aber
ist die Oberfläche in einer etwa cm dicken
Schicht aus einem feinen, offenbar mehrfach ge-
siebten feinen Sande hergestellt. Marmorstaub,
wie in Pompeji und Rom, habe ich in den von
mir untersuchten Stücken nicht gefunden. Dieser
Stuck ist aber immer vortrefflich geglättet! Doch
niemals, wie schon erwähnt, in der Masse gefärbt.
Auf diesem Grunde sind die Anfänge der Malerei,
man kann sagen der Entwurf derselben, in Fresko-
farben, solange der Grund noch nass war, auf-
getragen. Die eigentliche feine Malerei ist dann,
als Ueberarbeitung, auf dem Trockenen aus-
geführt.
Von den aus dem Ende des 14. Jahrhunderts
stammenden Wandgemälden der Burg Runkelstein
bei Bozen sind die Darstellungen aus Tristan und
Isolde — ausschliesslich in Weiss und Grün ge-
malt — fast reines Fresko. Die Malereien in
Wintlers Sommerhaus und die Darstellung des
höfischen Tanzes und des Ballspiels sind mit Tem-
pera überarbeitet. Die Kirchenmalerei in Terlan,
im Campil bei Bozen, im Kreuzgang von Brixen
sind dagegen in der Hauptsache mit Tempera-
farben gemalt.
Die Freskomalerei ist ihrer Natur nach Stück-
arbeit. Jedes Tagewerk ist von dem vorhergehen-
den getrennt. Jedes neue Stück muss auf frisch be-
worfenem Grund dem schon vorhandenen, dem in-
zwischen zu trocken gewordenen angefügt werden.
Es ensteht so eine Art Flickarbeit, bei welcher
die Flicke, d. h. die einzelnen Tagesarbeiten, um
so kleiner ausfallen, je ausgeführter die Malerei
derselben ist. Auf alle Fälle entstehen bei grösse-
ren Wandgemälden zahlreiche Felder, die an die
schon vorhandenen mit neu angemachten Farben
angestückelt werden müssen — da sind Unter-
schiede in der anschliessenden Farbengebung un-
vermeidlich. Es entstehen vor allen Dingen „Nähte",
in denen sich die benachbarten Stücke vereinigen;
diese sind auf den alten Bildern noch heute zu
sehen — nicht selten durch Niveauunterschiede
der aneinander gefügten Flächen, aber auch am
Unterschiede der Farben. Die Nähte sind auch
häufig nicht linear gerade, sondern stellen mehr
weniger unregelmässig begrenzte Ränder vor.
Gerade an diesen Nähten lässt sich die Ueber-
arbeitung mit Temperafarben leicht erkennen, weil
hier eine Uebermalung notwendig war, um die
Nähte ganz zu verdecken, d. h. unsichtbar zu
machen. Wo das gut gelungen ist, erkennt man
häufig ihre Begrenzungen noch an Niveau-Unter-
schieden der Ebene der Malerei, indem ange-
stückelte Felder höher ober tiefer liegen als die
Umgebung.
(Fortsetzung folgt.)
Ueber Farbenverschnitt und Farben-
vertälschung vor zweitausend Jahren.
Die Farben! Mit gemischten Gefühlen hörte der
eine Meister von seinem Gesellen, dass sein Bleiweiss
absolut nicht decken will. Ein anderer hat die Fenster-
läden eines grossen Landhauses grün gestrichen und
mit Schrecken sieht er, dass jetzt nach drei Monaten
diese Farbe aussieht, als hätte Wind und Wetter seit
Jahren daran gearbeitet. Aber er kann es nicht be-
greifen, es war doch ein herrlicher brillanter grüner
Ton gewesen. Werden sie sich wohl niemals denken
können, was der Grund dieser beiden angeführten
Erscheinungen ist? Die Antwort wird wohl recht einfach
ausfallen. Sie hatten es nicht für nötig befunden, sich
mit einwandfreiem Material zu versehen, hatten ver-
schnittene und geschönte, durch das zweifache Blend-
werk brillanten oberflächlichen Aussehens und billigen
Preises verlockende Farbwaren gekauft und nun
müssen sie zu ihrem nicht geringen Unmut die Konse-
quenzen ihres unüberlegten Handels tragen.
Es mag ja der Einwand erhoben werden, heut-
zutage ist gutes Material so teuer, da muss ich schon
zu billigem greifen. Darauf ist zu entgegnen, dass
der Betreffende sich da bloss selbst anlügt, denn wie
obige Beispiele zeigen, legt er das, was er am Mate-
rial spart, am Lohn dreifach wieder zu. Doch über
diesen Punkt wollen wir hier nicht polemisieren. Uns
interessiert hier ein anderes Thema, das aber doch eng
mit dem eingangs gestreiften in Zusammenhang steht.
Die Farben! Ueber alles was in unserer Zeit mit
diesem Wort in Verbindung gebracht wird, wie Ge-
winnung, Zubereitung, Verschnitt, Schönung, Fälschung,
Verkauf, Aufbewahrung, Verarbeitung usw. ist schon
so viel Druckerschwärze verbraucht worden, dass es
sich nicht verlohnt, noch einmal näher darauf einzu-
gehen. Aber einen interessanten Blick in die Blätter
der Geschichte der Malerei, besonders ihrer Grund-
lagen, heisst es tun, wenn wir einmal hinab in die
Vergangenheit von zwei Jahrtausenden steigen, hinab
an die südlich warmen Lande am Mittelmeer, den
Pflegstätten unseres Gewerbes von Alters her, und
uns an unserem Geiste vorüberführen, was der Deko-
rationsmaler im alten römischen Reich mit seinen
Arbeitsmaterialien, besonders seinen Farben für Er-
fahrungen machte.
Fürwahr, es ist für den Kunstbeflissenen nichts so
fesselnd als sich in die Techniken und Arbeitsgewohn-
heiten einer längst vergangenen Periode der edlen
Malerzunft zu vertiefen. Aus dem alten Italien fliesst
eine ziemlich reiche schriftliche und auch praktische,
ad oculos demonstrierende Tradition über Leben und
Streben der alten Meister. Ernst Berger in München
und einige andere sind es, die ein gut Teil ihrer Lebens-
aufgabe diesbezüglichen Forschungen gewidmet haben,
durch eingehende Untersuchung des vorhandenen
Ouellenmaterials das Ganze der altrömischen Technik
ldarzulegen und demjenigen, der nicht Zeit und Müsse
übrig hat, diesen Problemen mit eigener Hand nach-
zuspüren, ein zusammenfassendes Gesamtbild antiker
Arbeitsweisen zu übermitteln. Freilich besteht zur-
zeit noch eine Scheidung der Geister. Der eine Teil
vertritt die Ansicht, die alten Römer hatten enkaustisch
mit Wachs, der andere die, dass sie al fresco gemalt
hätten.*) Doch hier wollen wir diese Meinungs-
*) Anmerkung: Der Verfasser des obigen Aufsatzes
befindet sich hier in einem Irrtum, wenn diese Stelle auf
meine Erklärung der römisch-pompejanischen Tech-
nik zielen soll. Meine Ansicht ist vielmehr, dass die
Alten in einer der Stucco-Lustro-Manier der Italiener
sehr ähnlicher Art, die man „geglättetes Fresko" nennen
könnte, ihre auch heute noch glänzenden Wandmale-
reien ausgeführt hätten. E. B.