Münchner kunsttechnische BlAtter.
Nr. r$.
.)--"
malt (kleine Tafel jetzt in der Sakristei von St. Maria
della Salute).
Da nun Vasari von Rafael und Tizian eine
ganze Reihe von Bildern anführt, ohne betreffs
des Mediums einen Zusatz zu machen, ist wohl
anzunehmen, dass er in den angeführten Beispielen
das Medium Oel besonders hat betonen wollen.
Daraus folgt mit einiger Wahrscheinlichkeit,
dass die übrigen Bilder in Temperatechnik her-
gestellt waren. Für die Madonna Esterhazy des
Rafael in der Pester Galerie hat schon v. Frimmel
(Handbuch der Gemäldekunde, Leipzig 1894, S. 42)
Temperamalerei nachgewiesen.
Es wurde aber schon oben hervorgehoben,
dass vielfach einzelne Teile des Bildes in Oel,
andere Teile desselben Bildes in Tempera aus-
geführt wurden, um den Effekt bestimmter Farb-
stoffe voll ausnutzen zu können.
Nach Merriheld ist der blaue Himmel auf den
Bildern des Perugino in Tempera gemalt. Boschini
(Venezia 1674) berichtet dasselbe von den Bildern
des Paul Veronese.
Die Methode, auf Oelmalerei einzelne Bildteile
in Tempera zu malen, um bestimmte, nur in Tem-
pera stehende Farben anbringen zu können, reicht
noch ins 18. Jahrhundert hinein.
Die Methode wurde namentlich für blaue und
grüne Farben benutzt und ist, wie die mikrosko-
pischen Untersuchungen zeigen, noch im 17. Jahr-
hundert viel angewandt worden.
Das Mayerne-Manuskript enthält dafür ein wich-
tiges Zeugnis. Mayerne berichtet, dass Ant. van
Dyck blaue („Azure") und grüne Farben mit Gummi-
wasser auftrage. „Nachdem sie trocken sind, zieht
er den Firnis darüber. Aber das Geheimnis be-
steht darin, die Tempera mit dem Oel haftbar zu
machen, damit sie sich mit dieser verbinden. Das
geschieht am sichersten, wenn man den Grund mit
Knoblauch- oder Zwiebelsaft einreibt. Wenn dieser
trocken ist, werden die Wasserfarben angenommen
und festgehalten."
Die Methode, die „Azure" und die grünen,
auch einzelne gelbe Farben in Tempera aufzu-
tragen, war allgemein und so regelmässig, dass
man sicher sein kann, dort, wo man in den Male-
reien die erwähnten Farben antrifft, auf ein Tem-
peramedium zurückschliessen zu können.
Dabei ist die Grösse der im Medium verriebe-
nen Farbteilchen, die man bei mittlerer Vergösse-
rung unter dem Mikroskope wiederfindet, bei
diesem Rückschluss von besonderer Bedeutung.
Das gilt namentlich für Auripigment, für Ma-
lachitgrün, insbesondere aber für Lapis lazuli und
Bergbiau. Man findet sie im Temperamedium
immer in gröberen Körnern (als Pulver des ge-
stossenen bzw. grob verriebenen Minerals). Im
Oelmedium kann der Lapis lazuli nicht verwendet
werden, weil er auch fein verieben noch immer
zu körnig bleibt. In Oel wurde daher fast aus-
S7
schliesslich Ultramarin, d. h. ein lackartiger Extrakt
aus dem Mineral verwendet. Die Wirkung blieb
aber meist hinter der des Lapis lazuli im Tempera-
medium zurück.
Es lässt sich also aus dem Gesagten folgern,
dass die Oelmalerei bis .ins 18. Jahrhundert stark
von der Temperamalerei abhängig geblieben ist.
Das bestätigt auch Pernety („Handlexikon der
bildenden Künste", Berlin 1764, S. 83 des An-
hanges), wenn er sagt: „Van Eycks Entdeckung
nahmen die Maler an, ohne dennoch die übrigen
Manieren zu verlassen, welche sie, nach Erforder-
nis der Umstände oder ihres Eigensinnes, annoch
folgen."
Im 19. Jahrhundert hat sie sich dann gänz-
lich verändert.
Die Bilder des 16. und I/. Jahrhunderts, die
ausdrücklich als Oelgemälde bezeichnet sind, haben
alle einen eigenen Farbencharakter, der von dem
der alten Temperabilder viel weniger absticht als
von dem Aussehen der modernen Oelbilder des
letzten Jahrhunderts.
Die modernen Oeifarben sind Fabrikwaren.
Mit ihnen hergestellte Gemälde können, dem äusse-
ren Effekt nach, den alten Meisterwerken gewiss
ähnlich oder gleich werden. Das beweisen schon
die Meisterkopien Lenbachs, Böcklins und anderer.
Aber haltbar sind ihre Farben nicht. Beide an-
geführten Meister haben wiederholt geklagt über
das Trübewerden und den Verfall ihrer Werke.
Böcklin ist deswegen zur Tempera zurückgekehrt
und hat mit seiner Gummi- (Kirschgummi-) Malerei
Bilder geschaffen, die sich bis jetzt tatellos ge-
halten haben.
Man erinnere sich demgegenüber an die Werke
Makarts. Sie wurden wegen ihrer Farben als un-
übertrefflich bewundert. Und sie verdienten es
auch. Er hatte die Farbenpracht der Venezianer
und des Rubens, und niemand verstand den nack-
ten Körper so lebenswarm zu malen als er. Und
was ist von seinen Farben heute übrig geblieben?
Grosse Künstler haben wir noch heute. Aber
ihre Werke vergehen, während die der alten Zeit,
und unter ihnen besonders die in Tempera gemal-
ten, noch heute den Ruhm ihrer Schöpfer verkünden.
Und gerade darum erscheinen uns die Gemälde
der alten Meister so verehrungswürdig, weil ihre
Werke die Schönheit der Farben festgehalten haben
bis auf unsere Zeit.
Der obige Aufsatz ist mit freundlicher Zustimmung
Sr. Exc. des Herrn Prof. Dr. E Raehlmann-Weimar
Biermanns „Monatsheften für Kunstwissenschaft" ent-
nommen.
Lithopon, kein Ersatz iür Bieiweiss in
der Kunstmalerei.
Von Prof. Ernst Täuber, Geh. Reg.-Rat.
In Nr. 8 (vom 8. I. 17) dieser Zeitschrift findet
sich der Abdruck einer Notiz aus der „Deutschen
Nr. r$.
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malt (kleine Tafel jetzt in der Sakristei von St. Maria
della Salute).
Da nun Vasari von Rafael und Tizian eine
ganze Reihe von Bildern anführt, ohne betreffs
des Mediums einen Zusatz zu machen, ist wohl
anzunehmen, dass er in den angeführten Beispielen
das Medium Oel besonders hat betonen wollen.
Daraus folgt mit einiger Wahrscheinlichkeit,
dass die übrigen Bilder in Temperatechnik her-
gestellt waren. Für die Madonna Esterhazy des
Rafael in der Pester Galerie hat schon v. Frimmel
(Handbuch der Gemäldekunde, Leipzig 1894, S. 42)
Temperamalerei nachgewiesen.
Es wurde aber schon oben hervorgehoben,
dass vielfach einzelne Teile des Bildes in Oel,
andere Teile desselben Bildes in Tempera aus-
geführt wurden, um den Effekt bestimmter Farb-
stoffe voll ausnutzen zu können.
Nach Merriheld ist der blaue Himmel auf den
Bildern des Perugino in Tempera gemalt. Boschini
(Venezia 1674) berichtet dasselbe von den Bildern
des Paul Veronese.
Die Methode, auf Oelmalerei einzelne Bildteile
in Tempera zu malen, um bestimmte, nur in Tem-
pera stehende Farben anbringen zu können, reicht
noch ins 18. Jahrhundert hinein.
Die Methode wurde namentlich für blaue und
grüne Farben benutzt und ist, wie die mikrosko-
pischen Untersuchungen zeigen, noch im 17. Jahr-
hundert viel angewandt worden.
Das Mayerne-Manuskript enthält dafür ein wich-
tiges Zeugnis. Mayerne berichtet, dass Ant. van
Dyck blaue („Azure") und grüne Farben mit Gummi-
wasser auftrage. „Nachdem sie trocken sind, zieht
er den Firnis darüber. Aber das Geheimnis be-
steht darin, die Tempera mit dem Oel haftbar zu
machen, damit sie sich mit dieser verbinden. Das
geschieht am sichersten, wenn man den Grund mit
Knoblauch- oder Zwiebelsaft einreibt. Wenn dieser
trocken ist, werden die Wasserfarben angenommen
und festgehalten."
Die Methode, die „Azure" und die grünen,
auch einzelne gelbe Farben in Tempera aufzu-
tragen, war allgemein und so regelmässig, dass
man sicher sein kann, dort, wo man in den Male-
reien die erwähnten Farben antrifft, auf ein Tem-
peramedium zurückschliessen zu können.
Dabei ist die Grösse der im Medium verriebe-
nen Farbteilchen, die man bei mittlerer Vergösse-
rung unter dem Mikroskope wiederfindet, bei
diesem Rückschluss von besonderer Bedeutung.
Das gilt namentlich für Auripigment, für Ma-
lachitgrün, insbesondere aber für Lapis lazuli und
Bergbiau. Man findet sie im Temperamedium
immer in gröberen Körnern (als Pulver des ge-
stossenen bzw. grob verriebenen Minerals). Im
Oelmedium kann der Lapis lazuli nicht verwendet
werden, weil er auch fein verieben noch immer
zu körnig bleibt. In Oel wurde daher fast aus-
S7
schliesslich Ultramarin, d. h. ein lackartiger Extrakt
aus dem Mineral verwendet. Die Wirkung blieb
aber meist hinter der des Lapis lazuli im Tempera-
medium zurück.
Es lässt sich also aus dem Gesagten folgern,
dass die Oelmalerei bis .ins 18. Jahrhundert stark
von der Temperamalerei abhängig geblieben ist.
Das bestätigt auch Pernety („Handlexikon der
bildenden Künste", Berlin 1764, S. 83 des An-
hanges), wenn er sagt: „Van Eycks Entdeckung
nahmen die Maler an, ohne dennoch die übrigen
Manieren zu verlassen, welche sie, nach Erforder-
nis der Umstände oder ihres Eigensinnes, annoch
folgen."
Im 19. Jahrhundert hat sie sich dann gänz-
lich verändert.
Die Bilder des 16. und I/. Jahrhunderts, die
ausdrücklich als Oelgemälde bezeichnet sind, haben
alle einen eigenen Farbencharakter, der von dem
der alten Temperabilder viel weniger absticht als
von dem Aussehen der modernen Oelbilder des
letzten Jahrhunderts.
Die modernen Oeifarben sind Fabrikwaren.
Mit ihnen hergestellte Gemälde können, dem äusse-
ren Effekt nach, den alten Meisterwerken gewiss
ähnlich oder gleich werden. Das beweisen schon
die Meisterkopien Lenbachs, Böcklins und anderer.
Aber haltbar sind ihre Farben nicht. Beide an-
geführten Meister haben wiederholt geklagt über
das Trübewerden und den Verfall ihrer Werke.
Böcklin ist deswegen zur Tempera zurückgekehrt
und hat mit seiner Gummi- (Kirschgummi-) Malerei
Bilder geschaffen, die sich bis jetzt tatellos ge-
halten haben.
Man erinnere sich demgegenüber an die Werke
Makarts. Sie wurden wegen ihrer Farben als un-
übertrefflich bewundert. Und sie verdienten es
auch. Er hatte die Farbenpracht der Venezianer
und des Rubens, und niemand verstand den nack-
ten Körper so lebenswarm zu malen als er. Und
was ist von seinen Farben heute übrig geblieben?
Grosse Künstler haben wir noch heute. Aber
ihre Werke vergehen, während die der alten Zeit,
und unter ihnen besonders die in Tempera gemal-
ten, noch heute den Ruhm ihrer Schöpfer verkünden.
Und gerade darum erscheinen uns die Gemälde
der alten Meister so verehrungswürdig, weil ihre
Werke die Schönheit der Farben festgehalten haben
bis auf unsere Zeit.
Der obige Aufsatz ist mit freundlicher Zustimmung
Sr. Exc. des Herrn Prof. Dr. E Raehlmann-Weimar
Biermanns „Monatsheften für Kunstwissenschaft" ent-
nommen.
Lithopon, kein Ersatz iür Bieiweiss in
der Kunstmalerei.
Von Prof. Ernst Täuber, Geh. Reg.-Rat.
In Nr. 8 (vom 8. I. 17) dieser Zeitschrift findet
sich der Abdruck einer Notiz aus der „Deutschen