Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 22.

Münchner kunsttechnische Blätter.

129

S.: Da hast du recht. Gib mir ein Glas von
dem Wein, den du mir so rühmlich angepriesen.
L.: Da ist er, und du wirst ihn köstlich finden.
S.: Auf das Wohl unserer Herren, also!
L.: Versteh' es gut: du sollst nicht Diener,
sondern Freund des Herrn sein, denn die Diener
sind ihrer Herren Feinde, die nur deren Missge-
schick wünschen und nicht ihr Wohlergehen, des-
halb verdienen sie nicht den Namen Diener, son-
dern Freund.
S.: Seine Güte verpflichtet mich dazu.
L.: Fürwahr, auch der meinige ist nicht weniger
wert; ich würde mein Blut für ihn geben, und ich
selbst stimme auf ihr Wohl ein.
S.: Wahrlich! Der Wein ist nicht geringer als
die Liebe, sie verdienen beide gleicherweise ge-
ehrt zu werden, wie es sich schickt.
L.: Hier ist niemand, der uns antreibt, wir
können uns gemächlich Zeit lassen, und dann will
ich dich gerne darin unterweisen, mit der Berei-
tung der Leinwand beginnen und nach und nach
von allem handeln, was damit zusammenhängt:
Denn diese Dinge sind nicht Sache des Malers,
wenn sie ihm auch dienlich sind.
S.: Wir sind zu Ende (mit der Mahlzeit), Ihr
könnt abräumen, lasst nur den Wein, der wird uns
dazu dienen, unsere Unterhaltung im Fluss zu halten.
L.: Trinkt nur unverdrossen, ich habe noch
mehr davon.
S.: Daran wird es, ohne Zweifel, nicht fehlen.
L.: Also !Nun willich dir sagen,wasduwünschest:
Und zuerst sei davon unterrichtet, dass die Lein-
wänden gut, fest, eben und gut gearbeitet seien,
damit sie mit geringen Mengen grundiert werden
können. Die Güte hat den Zweck, das Gemälde
so lange zu erhalten als die Leinwand hält, und
es ist ein Schaden für den Käufer, denn die schlechte
Leinwand wird in kurzer Zeit abgenutzt. Die glatten
Leinwänden erfordern weniger Grundierungsmasse,
und wenn zu reichlich gegeben, bräunt sie die
Farbe durch den Ueberschuss des Oeles, das da-
rin ist, ebenso die oftmalige Wiederholung der
Grundierung. Deshalb nimm gute Leinwand, spanne
sie auf den Rahmen, und gib eine Lage von Schnitzel-
Heim*), denn damit gelingt es besser. Die Per-
gament-Leime sind fest oder streng, sie erzeugen
*) Diese Stelle bietet der Uebersetzung Schwierig-
keiten durch die bis zur Unleserlichkeit schlechte
Schrift des Original-Manuskriptes. In der Ausgabe von
Merriheld (II. S. 729) stehen die Worte: colla di ritagli
di nonnateomaschiette; die italienische des G.
Baseggio setzt dafür: colla di ritagli di varoteri o mu-
schieri. Merriheld übersetzt Leim von Abschnitzeln
der Häute sehr junger Schweine (glue of the parings
of very young pigs skins), während für die Worte der
italien. Ausgabe keine sinngemäße Uebertragung ge-
funden werden kann.
Armenini bezeichnet den zur Grundierung von Lein-
wänden dienenden Leim als „weichen Leim" (colla dolce),
der mit ein wenig gesiebtem Mehl auf die Leinwand
gestrichen wird, um die Zwischenräume zu verkleistern.

gewisse Spannungen der Leinwand, die schlechten
Effekt machen, deshalb mache es, wie ich dir sage.
Nach dem Trocknen, glätte die Leinwand mit Bim-
stein und gib eine zweite Lage Leim wie zuerst,
achte aber darauf, dass sie nicht zu stark und
nicht zu schwach sei. Die zu schwache schützt
die Leinwand nicht vor dem Einsaugen des Oeles,
die zu starke reisst den Rahmen entzwei. Die
gute muss weich sein wie Gele, die ausgekühlt ist.
S.: Wenn die Grundierung mit reinem Oel ohne
Leim gegeben wird, wie wäre das?
L.: Wenn die Leinwand keinen Leim hat, der
sie vom Oel schützt, dann kann sie ihre Stärke
nicht wahren, denn das Oel trocknet in der Weise
wie eine Baumrinde und wollte man sie vom Rahmen
abnehmen, dann kappt sie und bricht.
S.: Ich sah in einigen Handlungen Kleister zu
Grundierungen im Gebrauch. Ist das vielleicht
nicht gut?
L.: Der Mehlkleister ist das schlechteste, denn
da er ziemlich stark ist, berstet die Farbe und
schält sich ab. Und wenn er nur schwach ist,
verdirbt die Feuchtigkeit die Leinwand und die
Mäuse fressen davon. Nur Leute benutzen ihn,
die die schlechteste Leinwand bereiten, die in
acht oder zehn Jahren aufgebraucht ist. Nur um
die Zwischenräume der Leinwand zu stopfen, nimmt
man den Kleister.
S.: Was ist's mit der Verwendung von Gips?
L.: Mit dem Gips ist es wie mit dem Glücks-
spiel, denn man sieht viele alte Gemälde infolge
der Gipsschichte gesprungen, und viele wieder gut
erhalten. Dies kommt von der Art des Leimes
her, je nachdem er zu stark oder zu schwach ist.
Der bessere ist der schwache, denn der starke
reisst sicherlich: und auf diese Art bedarf man
nur sehr wenig Gips. Ich habe an Bildern des
Bassano beobachtet, dass die mit wenig Gips grun-
dierten sich erhalten, die mit zu viel gesprungen
sind. Das ist an dem Gewebe der Leinwand kennt-
lich, bei der die Erhöhungen verdeckt sind, wenn
auch der Gipsgrund und die Farben nach der Mal-
arbeit darauf gegeben sind. Und die glatten, die stark
gegipst sind, blättern ab. Ausser bei den Lein-
wänden, sieht man an Beispielen von sehr gut er-
haltenen alten Tafelbildern, dass dies mit jenem
Verfahren des Leimens zusammenhängt. Aber auch
der Staub verdirbt viel, wie ich bei den Mönchen
und Klosterbrüdern beobachtete, die ihre Gemälde
gegen Staub verwahren und sich dann aufs beste
erhalten. Tatsächlich kann man sehen, dass der
Gips das Kolorit sehr gut konserviert. Aber um
diese (obigen) Schwierigkeiten zu beheben, ver-
wende ich einfachen Leim, wie ich es gesagt habe,
gebe zwei Lagen und bimse jedes mal nach dem
Trocknen ab, damit sie glatt werden. Darauf gebe
Unter „muschieri" sind vielleicht die Moosflechten wie
sog. isländisches Moos zu verstehen, die auch ein kleb-
riges Bindemittel abgeben.
 
Annotationen