Nr. 7-
Münchner kunsttechnische Blätter.
39
Angelegenheit zu Beginn dieser Arbeiten ist durch
die Leitsätze gekennzeichnet, welche ich auf Ver-
anlassung von Dr. Krais in Tübingen im Anfang
des vorigen Jahres veröffentlichte. Diese Leit-
sätze stellten die Summe dessen dar, was von
fachmännischer Seite damals als richtig bezüglich
der Grundlagen der Farbenlehre angesehen wurde
und meine öffentliche Bitte um ihre Kritik ergab,
abgesehen von einer einzigen völlig laienhaften
Gegenäusserung, keinerlei Reaktion unter den
Fachgenossen. Die Sätze durften also als all-
gemein anerkannt angenommen werden.
Bei dem praktischen Versuche nun, auf diesen
Grundlagen eine Systematik der Farben durch-
zuführen, stellte sich heraus, dass diese nicht nur
lückenhaft, sondern zum Teil auch unrichtig be-
stimmt waren und ich sah mich zu einer viel
tiefergreifendenBearbeitung der allgemeinen Fragen
gezwungen, als ich zu Beginn dieser Unter-
suchungen angenommen hatte. Diese Arbeiten
haben mich seitdem unausgesetzt beschäftigt und
ich habe, immer unter dem Gesichtspunkt der
praktischen Herstellung des Atlas, mich bemüht,
dort, wo ich Lücken fand, sie auszufüllen und
dort, wo die Fundamente nicht zulänglich er-
schienen, neue zu legen.
Dies ist gegenwärtig, soviel ich beurteilen,
kann, in ausreichendem Masse gelungen. Die
wissenschaftlichen Grundlagen für den Aufbau
einer systematischen Sammlung aller möglichen
und denkbaren Farben sind heute vorhanden und
von dem Aufbau selbst sind zur Probe eine An-
zahl Teile verwirklicht worden, wobei sich heraus-
gestellt hat, dass diese Verwirklichung überall
in vorausgesehener Weise ausführbar war. Es bleibt
daher nur noch übrig, das Verfahren systematisch
über den ganzen Farbenkreis anzuwenden, um
eine Darstellung und Bezeichnung aller möglichen
und denkbaren Farben durchzuführen. Gleich-
zeitig haben sich die Methoden der Analyse und
der Synthese der Farben entwickelt, so dass man
gegenwärtig im Stande ist, von jeder vorgelegten
Farbe nach einigen einfachen Messungen zahlen-
mässig anzugeben, aus welchen optischen Bestand-
teilen sie besteht. Weiterhin kann man sie nach
diesen Angaben wieder aus den Bestandteilen zu-
sammensetzen, so dass die analysierte Farbe
innerhalb der psychophysischen Unterscheidungs-
fähigkeit wiederum hergestellt wird.
Hierdurch ist gleichzeitig die Unterlage für eine
rationelle und allgemeingültige Bezifferung aller
denkbaren Farben gegeben. Man ist also nicht
mehr gezwungen, wie bisher, wenn man eine be-
stimmte Farbe bestellt, eine Aufstrichprobe einzu-
senden, nach welcher der Fabrikant sein Produkt
herstellt. Sondern es ist möglich, durch die
Angabe einiger Ziffern oder Buchstaben die ge-
wünschte Farbe so genau zu bezeichnen, dass
sie überall, wo die allgemeinen Hilfsmittel vor-
handen sind, mit völliger Sicherheit hergestellt
und kontrolliert werden kann. Wenn auch die
Mitteilung der Arbeiten, die zu diesem Resultate
geführt haben, in wissenschaftlicher Form einen
ziemlich ausgedehnten Umfang beansprucht, so
lassen sich doch die Hauptzüge dieses Farben-
systems entsprechend ihrer grundsätzlichen Ein-
fachheit ohne besondere wissenschaftliche Voraus-
setzungen darlegen, so dass ein Verständnis der
Methode und die Fähigkeit, die Analyse und
Synthese der Farben mit Sicherheit zu handhaben,
leicht erworben werden können.
Es ist seit langer Zeit bekannt, dass jede
Farbe durch drei Veränderliche bestimmt ist, als
welche man bisher den Farbton, die Reinheit und
die Helligkeit angesehen hat. Unter dem Farbton
versteht man jene Verschiedenheiten, welche durch
die alten Farbnamen Gelb, Blau, Rot, Grün usw.
gekennzeichnet ist. Die Farbtöne lassen sich, wie
gleichfalls seit langer Zeit bekannt ist, sämtlich
in eine Reihe ordnen, die aber nicht etwa wie
eine bestimmte Zahlenreihe mit einem kleinsten
Wert anfängt und einem grössten endigt, sondern
in sich selbst zurückläuft. Man hatte daher von
jeher die Farbtöne den Punkten eines Kreises
zugeordnet und diese Ordnung als den Farben-
kreis bezeichnet. Stellt man sich die einzelnen
Farben wie Perlen vor, so kann jedermann, der
normalen Farbensinn besitzt, diese Perlen der
Reihe nach auf eine Schnur reihen, so dass immer
die ähnlichsten Farben Zusammenkommen und
diese Reihe wird von sämtlichen Farbentüchtigen
als richtig anerkannt und in gleicher Weise her-
gestellt, hat also eine völlig eindeutige Beschaffen-
heit. Sie geht, um gleich von vornherein die
Vorstellung festzuhalten, von Gelb über Orange
oder Gold nach Rot, Purpur, Violett, Blau und
Grün und das Grün lässt sich wiederum durch
ununterbrochene stetige Abtönung durch Gelbgrün
bis zum Gelb zurückführen.
Eine weitere Tatsache war bekannt, welche
eine bestimmte Beziehung dieser einzelnen Farben
zueinander herstellt. Zu jeder Farbe des Farben-
kreises gibt es nämlich nur eine, welche mit ihr
vermischt ein neutrales Grau ergibt. So kann
man beispielsweise reines Gelb mit Ultramarinblau
zu Grau vermischen. Nimmt man statt des Ultra-
marinblau Violett, so bekommt man rötliche Farb-
töne; nimmt man Preussischblau, so bekommt man
grünliche Mischungen; nur das Ultramarinblau
gibt ein völlig neutrales Grau. Dabei darf freilich
die Mischung nicht so hergestellt werden, dass
man entsprechend gefärbte Pigmente miteinander
vermengt, denn hierbei enstehen sehr verwickelte
Verhältnisse, die ich hier nicht auseinandersetzen
kann. Vielmehr ist es notwendig, die Mischung
optisch vorzunehmen, indem man die Lichtstrahlen
von beiden Flächen her in das Auge leitet. Ich
habe einen verhältnismässig einfachen Apparat,
Münchner kunsttechnische Blätter.
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Angelegenheit zu Beginn dieser Arbeiten ist durch
die Leitsätze gekennzeichnet, welche ich auf Ver-
anlassung von Dr. Krais in Tübingen im Anfang
des vorigen Jahres veröffentlichte. Diese Leit-
sätze stellten die Summe dessen dar, was von
fachmännischer Seite damals als richtig bezüglich
der Grundlagen der Farbenlehre angesehen wurde
und meine öffentliche Bitte um ihre Kritik ergab,
abgesehen von einer einzigen völlig laienhaften
Gegenäusserung, keinerlei Reaktion unter den
Fachgenossen. Die Sätze durften also als all-
gemein anerkannt angenommen werden.
Bei dem praktischen Versuche nun, auf diesen
Grundlagen eine Systematik der Farben durch-
zuführen, stellte sich heraus, dass diese nicht nur
lückenhaft, sondern zum Teil auch unrichtig be-
stimmt waren und ich sah mich zu einer viel
tiefergreifendenBearbeitung der allgemeinen Fragen
gezwungen, als ich zu Beginn dieser Unter-
suchungen angenommen hatte. Diese Arbeiten
haben mich seitdem unausgesetzt beschäftigt und
ich habe, immer unter dem Gesichtspunkt der
praktischen Herstellung des Atlas, mich bemüht,
dort, wo ich Lücken fand, sie auszufüllen und
dort, wo die Fundamente nicht zulänglich er-
schienen, neue zu legen.
Dies ist gegenwärtig, soviel ich beurteilen,
kann, in ausreichendem Masse gelungen. Die
wissenschaftlichen Grundlagen für den Aufbau
einer systematischen Sammlung aller möglichen
und denkbaren Farben sind heute vorhanden und
von dem Aufbau selbst sind zur Probe eine An-
zahl Teile verwirklicht worden, wobei sich heraus-
gestellt hat, dass diese Verwirklichung überall
in vorausgesehener Weise ausführbar war. Es bleibt
daher nur noch übrig, das Verfahren systematisch
über den ganzen Farbenkreis anzuwenden, um
eine Darstellung und Bezeichnung aller möglichen
und denkbaren Farben durchzuführen. Gleich-
zeitig haben sich die Methoden der Analyse und
der Synthese der Farben entwickelt, so dass man
gegenwärtig im Stande ist, von jeder vorgelegten
Farbe nach einigen einfachen Messungen zahlen-
mässig anzugeben, aus welchen optischen Bestand-
teilen sie besteht. Weiterhin kann man sie nach
diesen Angaben wieder aus den Bestandteilen zu-
sammensetzen, so dass die analysierte Farbe
innerhalb der psychophysischen Unterscheidungs-
fähigkeit wiederum hergestellt wird.
Hierdurch ist gleichzeitig die Unterlage für eine
rationelle und allgemeingültige Bezifferung aller
denkbaren Farben gegeben. Man ist also nicht
mehr gezwungen, wie bisher, wenn man eine be-
stimmte Farbe bestellt, eine Aufstrichprobe einzu-
senden, nach welcher der Fabrikant sein Produkt
herstellt. Sondern es ist möglich, durch die
Angabe einiger Ziffern oder Buchstaben die ge-
wünschte Farbe so genau zu bezeichnen, dass
sie überall, wo die allgemeinen Hilfsmittel vor-
handen sind, mit völliger Sicherheit hergestellt
und kontrolliert werden kann. Wenn auch die
Mitteilung der Arbeiten, die zu diesem Resultate
geführt haben, in wissenschaftlicher Form einen
ziemlich ausgedehnten Umfang beansprucht, so
lassen sich doch die Hauptzüge dieses Farben-
systems entsprechend ihrer grundsätzlichen Ein-
fachheit ohne besondere wissenschaftliche Voraus-
setzungen darlegen, so dass ein Verständnis der
Methode und die Fähigkeit, die Analyse und
Synthese der Farben mit Sicherheit zu handhaben,
leicht erworben werden können.
Es ist seit langer Zeit bekannt, dass jede
Farbe durch drei Veränderliche bestimmt ist, als
welche man bisher den Farbton, die Reinheit und
die Helligkeit angesehen hat. Unter dem Farbton
versteht man jene Verschiedenheiten, welche durch
die alten Farbnamen Gelb, Blau, Rot, Grün usw.
gekennzeichnet ist. Die Farbtöne lassen sich, wie
gleichfalls seit langer Zeit bekannt ist, sämtlich
in eine Reihe ordnen, die aber nicht etwa wie
eine bestimmte Zahlenreihe mit einem kleinsten
Wert anfängt und einem grössten endigt, sondern
in sich selbst zurückläuft. Man hatte daher von
jeher die Farbtöne den Punkten eines Kreises
zugeordnet und diese Ordnung als den Farben-
kreis bezeichnet. Stellt man sich die einzelnen
Farben wie Perlen vor, so kann jedermann, der
normalen Farbensinn besitzt, diese Perlen der
Reihe nach auf eine Schnur reihen, so dass immer
die ähnlichsten Farben Zusammenkommen und
diese Reihe wird von sämtlichen Farbentüchtigen
als richtig anerkannt und in gleicher Weise her-
gestellt, hat also eine völlig eindeutige Beschaffen-
heit. Sie geht, um gleich von vornherein die
Vorstellung festzuhalten, von Gelb über Orange
oder Gold nach Rot, Purpur, Violett, Blau und
Grün und das Grün lässt sich wiederum durch
ununterbrochene stetige Abtönung durch Gelbgrün
bis zum Gelb zurückführen.
Eine weitere Tatsache war bekannt, welche
eine bestimmte Beziehung dieser einzelnen Farben
zueinander herstellt. Zu jeder Farbe des Farben-
kreises gibt es nämlich nur eine, welche mit ihr
vermischt ein neutrales Grau ergibt. So kann
man beispielsweise reines Gelb mit Ultramarinblau
zu Grau vermischen. Nimmt man statt des Ultra-
marinblau Violett, so bekommt man rötliche Farb-
töne; nimmt man Preussischblau, so bekommt man
grünliche Mischungen; nur das Ultramarinblau
gibt ein völlig neutrales Grau. Dabei darf freilich
die Mischung nicht so hergestellt werden, dass
man entsprechend gefärbte Pigmente miteinander
vermengt, denn hierbei enstehen sehr verwickelte
Verhältnisse, die ich hier nicht auseinandersetzen
kann. Vielmehr ist es notwendig, die Mischung
optisch vorzunehmen, indem man die Lichtstrahlen
von beiden Flächen her in das Auge leitet. Ich
habe einen verhältnismässig einfachen Apparat,