DAS FOLKWANG-MUSEUM ZU HAGEN I. W.
VON
KURT FREYER.
on allen kulturellen Organisationen ist das Museum — wenigstens das ideale
Museum — dem Kunstwerk am meisten verwandt. Ich möchte es mit dem Werke
des Architekten vergleichen. Wie dieser hat auch der Museumsorganisator seine
Aufgabe nicht vollendet mit der Erfüllung der praktischen Notwendigkeiten — der
Ansammlung schöner Werke, der richtigen und wirksamen Disposition —, sondern
nun gilt es, die zweckvolle Form mit lebendigem Ausdruck zu erfüllen, bis das viel-
fältige Werk zum einheitlichen Abbild seines Geistes wird. Um dies Ziel zu erreichen,
hatte das Folkwang-Museum schon die eine günstige Vorbedingung, daß es tradi-
tionslos war. Es brauchte nicht den Ballast früherer oft recht verfehlter Sammlungs-
ergebnisse mit sich zu schleppen, sondern konnte, zumal in dieser Zeit künstlerischer
und kunstwissenschaftlicher Neueroberungen, von vorn anfangen. Dazu kommt,
daß es als Privatbesitz eines unabhängigen Mannes nicht unter dem hemmenden
Einfluß von Behörden und Kommissionen steht, daß es nicht einmal nach dem
Urteil der öffentlichen Meinung zu fragen braucht, — es hat also auch das mit dem
Kunstwerk gemein, daß es sein Gesetz in sich selber trägt. Es ist nicht .das Produkt
von Konzessionen, sondern hier hat der Geist und Wille eines Menschen Gestalt
gewonnen. So wird mit dem Bilde des Werkes zugleich das seines Schöpfers vor uns
erstehen, ohne daß von diesem selbst viel gesagt zu werden braucht, und für den,
der die Formen dieses Werkes zu deuten weiß, wird seine Betrachtung genußreich
sein, wie der Anblick eines großen Kunstwerkes.
Zehn Jahre sind am 9. Juli 1912 vergangen, seit Karl Ernst Osthaus das
Folkwang-Museum in Hagen eröffnete. Oft mag uns dieser Zeitraum zu kurz er-
scheinen, um ihn schon mit Feier und Rückblick zu beschließen. Hier halten wir
es für berechtigt, nicht nur weil dieses Museum in zehn Jahren mehr erreicht hat,
als manches andere in fünfundzwanzig, sondern weil wir glauben, daß es jetzt an
einem Wendepunkt steht, am Übergang vom stillen, nur im engeren Kreise beachteten
Werden zur Wirkung ins Weite. Wir glauben, daß das in diesen zehn Jahren begrün-
dete Werk nun eintritt in die Reihe der großen Kulturfaktoren unserer Zeit.
Es ist bezeichnend, daß schon das Gebäude des Folkwang-Museums ein Pro-
gramm bedeutet. Zwar zeigt das Außere noch den Imitationsstil, wie er in den
Museumskunde. VIII, 3. ig
VON
KURT FREYER.
on allen kulturellen Organisationen ist das Museum — wenigstens das ideale
Museum — dem Kunstwerk am meisten verwandt. Ich möchte es mit dem Werke
des Architekten vergleichen. Wie dieser hat auch der Museumsorganisator seine
Aufgabe nicht vollendet mit der Erfüllung der praktischen Notwendigkeiten — der
Ansammlung schöner Werke, der richtigen und wirksamen Disposition —, sondern
nun gilt es, die zweckvolle Form mit lebendigem Ausdruck zu erfüllen, bis das viel-
fältige Werk zum einheitlichen Abbild seines Geistes wird. Um dies Ziel zu erreichen,
hatte das Folkwang-Museum schon die eine günstige Vorbedingung, daß es tradi-
tionslos war. Es brauchte nicht den Ballast früherer oft recht verfehlter Sammlungs-
ergebnisse mit sich zu schleppen, sondern konnte, zumal in dieser Zeit künstlerischer
und kunstwissenschaftlicher Neueroberungen, von vorn anfangen. Dazu kommt,
daß es als Privatbesitz eines unabhängigen Mannes nicht unter dem hemmenden
Einfluß von Behörden und Kommissionen steht, daß es nicht einmal nach dem
Urteil der öffentlichen Meinung zu fragen braucht, — es hat also auch das mit dem
Kunstwerk gemein, daß es sein Gesetz in sich selber trägt. Es ist nicht .das Produkt
von Konzessionen, sondern hier hat der Geist und Wille eines Menschen Gestalt
gewonnen. So wird mit dem Bilde des Werkes zugleich das seines Schöpfers vor uns
erstehen, ohne daß von diesem selbst viel gesagt zu werden braucht, und für den,
der die Formen dieses Werkes zu deuten weiß, wird seine Betrachtung genußreich
sein, wie der Anblick eines großen Kunstwerkes.
Zehn Jahre sind am 9. Juli 1912 vergangen, seit Karl Ernst Osthaus das
Folkwang-Museum in Hagen eröffnete. Oft mag uns dieser Zeitraum zu kurz er-
scheinen, um ihn schon mit Feier und Rückblick zu beschließen. Hier halten wir
es für berechtigt, nicht nur weil dieses Museum in zehn Jahren mehr erreicht hat,
als manches andere in fünfundzwanzig, sondern weil wir glauben, daß es jetzt an
einem Wendepunkt steht, am Übergang vom stillen, nur im engeren Kreise beachteten
Werden zur Wirkung ins Weite. Wir glauben, daß das in diesen zehn Jahren begrün-
dete Werk nun eintritt in die Reihe der großen Kulturfaktoren unserer Zeit.
Es ist bezeichnend, daß schon das Gebäude des Folkwang-Museums ein Pro-
gramm bedeutet. Zwar zeigt das Außere noch den Imitationsstil, wie er in den
Museumskunde. VIII, 3. ig