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Deutscher Museumsbund [Mitarb.]
Museumskunde: Fachzeitschrift für die Museumswelt — 8.1912

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Thurnwald, Richard: Über Völkerkundemuseen, ihre wissenschaftlichen Bedinungen und Ziele
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https://doi.org/10.11588/diglit.70501#0221

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Thurnwald, Über Völkerkundemuseen, ihre wissenschaftlichen Bedingungen und Ziele. 21 3

Hieran knüpft sich die Abteilung, welche Verkehr, Handel und Geld zur An-
schauung brächte. Von der Darstellung des einfachen Buschwegs, vom Einbaum, den
Schwimmsäcken, zur Karawanenstraße, zum kunstvollen Kanu und zur Organi-
sierung von Posten, der Signaldienst mit Feuer und Trommel, die Orientierung nach
Sternen, Stabkarten, der Bau von Straßen, die Anlage von Häfen und Wasserwegen
(Kanälen) würden im Modelle hier vorgeführt werden.
Der Handel käme in den einfachsten Formen des Aussetzungsverfahrens,
dann des Markthandels, Geschenkeaustauschs und im Karawanenhandel zur Dar-
stellung, um dann die höheren Formen zu zeigen, die sich an ausgebildete Wirt-
schaft und an die Bevölkerungskonzentration an größeren Orten knüpft.
Damit stehen die vielerlei Formen des Geldes im Zusammenhang, die auch
nicht als bloße Kuriositäten gezeigt werden sollten, sondern in Verbindung mit den
Bedingungen ihrer Entstehung aus dem Tausch und dem Gebrauchs- oder Kon-
sumsbedürfnis gewisser Wirtschaftsgüter.
Diese Darstellung würde ein auf exakter empirischer Grundlage be-
ruhende Anschauung soziologischer Verhältnisse vermitteln, die zur Aufklärung
über die wirklichen Verhältnisse und Bedingungen mehr beitragen könnten als
die leider häufig auf schwankenden Boden bauenden soziologischen Theorethiker.
e) Eine Abteilung wäre noch von besonderem Reiz, die die Formen und Folgen
des Eindringens der europäischen Kultur vor Augen führte. Es ist bekannt, daß
dieses Eindringen ein zweischneidiges Schwert ist, das mit Vorteilen auch Nachteile
mit sich bringt. Hier könnten die Veränderungen zur Darstellung gebracht werden,
die sich unter der modernen Einwirkung im Leben, Kleiden, Wohnen und auch in
den Sitten und Gebräuchen vollzogen haben. Andererseits wäre dabei zu be-
achten, daß vielfach nur die Erscheinungsformen weniger das Denken selbst sich
ändert.
f) Aber es müßten auch die Träger der verschiedenen Kulturen an den geeigneten
Stellen zur Darstellung gebracht werden durch Typen nicht nur der raßlichen Be-
standteile, sondern auch der politischen und sozialen Schichten.
Bei der vorgeschlagenen Anordnung der Gegenstände, wäre es möglich, das
gewaltige Gebiet mit seinen reichen Zusammenhängen nach verschiedenen Richtungen
zu durchleuchten. Nur so würden sich die wichtigeren Zusammenhänge und Gesichts-
punkte offenbaren, unter denen wir die Kultur, die wär hier zur Darstellung zu
bringen suchten, betrachten müssen.
Die vorgeschlagene Aufstellung würde nicht so große Geldmittel als Aufwand
an geistiger Arbeit und Vertiefen in die Probleme erfordern. Allerdings wäre auch
der Lohn ein großer, eine Übersicht und ein Durchdringen des Völker- und Kultur-
chaos ohnegleichen, das nicht nur dem Laien, sondern auch dem Fachmann eine
unerschöpfliche Quelle der Belehrung und Anregung bieten würde, und den Menschen
in dem Formenreichtum seiner Existenz und seiner kulturellen »Organe« zeigen könnte.

Museumskunde. VIII, 4.

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