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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

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Literarische Neuheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0160
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Literarische Neuheiten.

DAS FÜRSTENBERGER PORZELLAN, von Christian Scherer. (Berlin, Georg Reimer 1909.) Das
herzogliche Museum in Braunschweig gehört zu den festgefügten, gewordenen, auf alte fürstliche Schätze
aufgebauten Sammlungen, die ihre Physiognomie nicht mehr wesentlich ändern. Zum Unterschiede
von manchen Kunstgewerbemuseen, die in einem Jahrzehnt in ganz andere Anstalten verwandelt
worden sind, werden da immer einige, altberühmte Gruppen im Vordergrunde stehen, u. a. be-
sonders das Elfenbein und die Porzellanerzeugnisse der ehemaligen herzoglich braunschweigischen
Manufaktur von Fürstenberg. Professor Dr. Christian Scherer muß somit als ein idealer Vorstand
dieses Museums bezeichnet werden, da er seine ursprünglichen Arbeitsgebiete über antike Statuen oder
über Holzintarsien verließ und seit Jahren ganz in den beiden genannten Gebieten aufgeht. Als
gewiegter Kenner aller späteren Elfenbeinarbeiten steht er jetzt geradezu konkurrenzlos da; aber
auch als Spezialist des Fürstenberger Porzellans hat er sich bereits durch verschiedene Aufsätze
namentlich im Braunschweigischen Magazin vorteilhaft eingeführt, daß man auch auf diesem Gebiete
das Beste erwarten konnte. Und trotzdem hat uns das große, fast 300 Seiten umfassende Werk,
das soeben erschienen ist, überrascht. Diese Ueberraschung bezieht sich nicht so sehr auf die ge-
wissenhafte und überaus fleißige Arbeitsleistung des Verfassers, von der man ja in allen Fach-
kreisen im voraus überzeugt war, sondern namentlich auf den Produktionsumfang der alten Fürsten-
berger Fabrik, den man trotz der reichhaltigen Braunschweiger Porzellansammlung, die übrigens
Scherer in vorzüglicher Weise auszugestalten und abzurunden verstanden hatte, nicht so groß ein-
geschätzt hätte. Nun ersehen wir es deutlich, daß die Fürstenberger Porzellanfabrik, die von
Herzog Karl I. im Jahre 1747 ins Leben gerufen wurde, obgleich sie sich mit Meißen oder Wien
nicht messen wird, doch hinter den zahlreichen anderen Schwesteranstalten, wie Höchst, Berlin,
Nymphenburg, Frankental oder Ludwigsburg nicht wesentlich zurücksteht, ja in manchen Erzeug-
nissen jeden Vergleich aushält. — Bisher waren wir durch Heinrich Stegmann (1893) nur im all-
gemeinen über die geschichtliche Seite unterrichtet gewesen; aber selbst diese wurde nicht so aus-
führlich behandelt, wie es der heutigen Leidenschaft für altes Porzellan entspricht. Und was
die Hauptsache ist: Die Porzellane selbst, sowohl die Plastik als auch die Formerei und Malerei,
waren kaum gestreift worden, so daß hier für Scherer so gut wie alles erst zu tun war. Und
Scherer hat in jahrelanger, unermüdlicher Arbeit seine Aufgabe völlig und restlos gelöst. Sowohl
die Frühzeit bis gegen 1770, als auch die Blüteperiode der darauffolgenden zwanzig Jahre, wie
auch die Nachblüte unter Gerverots Leitung (1794—1814) und schließlich die Nachklänge bis 1856
werden uns vollständig anschaulich; je auf Grund des überreichen archivalischen Materials, wie
durch feine Stilkritik geling! hier fast die Zuweisung aller besseren Erzeugnisse an die Modelleure
und Maler, also bereits eine so weitgehende Erörterung, daß sie nicht mehr überboten werden kann.
Von großem Interesse sind auch die in den Beilagen veröffentlichten Verzeichnisse der Arbeiten
und Preislisten. „Usque ad finem" ist hier alles geleistet. — Eine kleine Einschränkung des Lobes
bezieht sich nur auf den illustrativen Teil. Nicht als ob die 180 Klischeebilder der Zahl nach un-
zureichend wären! Auch daß diesmal — zum Unterschiede von den letzten großen Porzellan-
werken — keine farbigen Tafeln beigegeben wurden, soll nicht bemängelt werden; denn es ist leider
ein offenes Geheimnis, daß die intimen Reize der Porzellanmalerei auch in der besten, modernen
Reproduktionstechnik fast nie mit allen Imponderabilien herauskommen. Aber verschiedene Text-
abbildungen sind nicht gelungen, ob infolge weniger geeigneten Photographien-Vorlagen oder infolge
der Tonätzung lassen wir dahingestellt. Jedenfalls ist auf diesem Gebiete viel mehr erreichbar,
und der Verlag, der in Museums- und Sammlerkreisen einen ausgezeichneten Ruf genießt, wird
hier bei einer zweiten Auflage einzelnes verbessern, bezw. erneuern können. Uebrigens für 18
bezw. 20 Mark kann man von einem so reichhaltigen Werke nicht mehr verlangen. g. e. p.
 
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