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Naeher, Julius [Hrsg.]
Die Baudenkmäler der unteren Neckargegend und des Odenwaldes: Aufnahme, Autographie und Beschreibung (Band 1): Die Umgebung von Heidelberg: Handschuhsheim, Dilsberg, Neckarsteinach, Hirschhorn mit Erschheim, Schönau, Stolzeneck und Eberbach ; archäologische Studien, Aufnahmen und Autographien — Heidelberg, [1891]

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https://doi.org/10.11588/diglit.12542#0010
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-4

V.

Die Knrg Hirschtzorn.

Eines der stolzesten Baudenkmäler der miitelalterlichen
Kriegsbauknnst im Neckarthal ist die Burg Hirschhorn. Die
ursprüngliche und älteste Anlage derselben ist ungeachtet
des großartigen Umbaues, welchen dieselbe im 16. Jahr-
hundert erfahren hat, noch klar zu unterscheiden. Das
Hauptdefensivwerk derselbcn ist die die Angrifsseite (Lerg-
seite) deckende mächtige Schildmauer, wclche den sogen.
schwäbisch-alemannischen Baustil kennzeichnet, da diese Bau-
technik in dieser Eigenheit nur bei den ältesten Burgen in
Schwaben nachgewiesen werden kann. Der Hauptihurm, in
die Schildmauer eingefügt oder frei hinter derselben stehend,
ist eine Bervollständigung der späteren Zeit.

Das schlanke hohe Wachthürmchen, der sogen. Hexen-
thurm, welches sich am Ende der Schildmauer in Hirsch-
horn erhebt, ist nicht in die Kategorie der Hauptthürme
oder der sogen. Bergfriede einzureihen, sondern es kann
dasselbe nur als ein zur Schildmauer gehöriger Aufbau
betrachtet werden.

Da diese hohe und mächtige Mauer das hinter der-
selben stehende Ritterhaus mit dem Burghof vollständig
deckte und vor den Geschossen, welche von dem rückwarts
anstehenden und beherrschenden Berge geschleudert wurden,
sicherte, so ist die Bezeichnung dieses Hauptdefensivwerkes
als Schildmauer sehr bezeichnend und zwcckentsprechend.
Diese Mauern sind mit den mächligsten Buckelquadern 'ver-
klcidet, durch keine Thor- und Fensteiöffnungen geschwächt,
die Abwehr dcs Feindes geschah allein von dem auf der
Zinne derselben befindlichen Wehrgange aus. Je breiter
der Rücken ist, welcher den Burgranm mit dem Haupt-
gebirge verbindet und woher der Angriff am erfolgreichsten
geschehen konnte, desto länger ist auch die Schildmauer.
Die Höhe derselben beträgt oft 20—25 rn und die Stärke
3—4 w.

Jn Hirschhorn hat dieselbe eine Länge von 22 na, eine
Höhe von 23 ui und eine Stärke von 3 iir.

Wie bei den Bergfrieden der Burgen ist der Eingaug
in diese Schildmauer ca. 10 — 12 rn oberhalb des Burg-
hofes mittelst eines siiegenden Steges, meist vom Dache
des dahinter stehenden Ritterhauses aus zugänglich.

Dieses stand hier der Neck'arseite zu dicht hinter der
Schildmauer und durch diese vollkommen gedeckt. Es hatte
dasselbe mit der Kapelle eine Länge von 20 m und eine
Breite von 7 m. Erst Ende des 16. Jahrhunderts wurde
das geräumige jetzt noch stehende drei Stockwerk hohe

Riiterhaus vor das alte angebaut, wie der an ersterem
angebrachte Wappenstein vom Jahr 1586 bezeugt. Es
war Ritter Ludwig von Hirschhorn und nach seinem Ab-
leben seine Wittwe, eine geborene von Hatzfeld zu Wilden-
burg, welche von 1583—1586 nicht nur diesen Bau, son-
dern auch die großartigen Borwerke mit den Dienstgebäuden
herstellten. Drei Anschlußmauern führen von den Um-
fassungsmauern der Burg herunter zur Stadtbefestigung,
so daß einst Hirschhorn den Durchgang durch das Ncckar-
thal vollständig beherrschte. Es ist selten ein Schloß der
alten Zeit so gut erhalten, wie Hirschhorn; wir sehsn uns
beim Anblick der mächtigen Mauern und Thürme derselben
in die romantische Ritterzeit Zurückoersctzt. Bekanntlich
starb im Jahre 1632'in Heilbroun der letzte Sproß des
mächtigen Rittergeschlechtes der von Hirschhorn. Er war
derselbe, der im Jahr 1600 den letzten Ritter von Hand-
schuhsheim in einem Zweikamps zu Heidelberg erstach.

VI.

Das Kloster Schöuim.

Jn einer lieblichen Verbreiterung des Steinachthales,
welches, eine Stunde entfernt, bei Ncckarsteinach in das Thal
des Neckars einmündet, liegt jetzt das frcundliche Städtchen
Schönau. Diese Oertlichkeit erwählte sich der Bischoff
Burkart (Luggo) von Worms im Jahre 1135 zur Grün-
dung eines Klosters, welches er mit den Ordensbrüdern
der Cisterzienser besetzte.

Jn der Klosterkirche erhielten die ersten Wohlthäter
dieses geistlichen Stiftes, namentlich der Pfalzgraf Conrad
und sein Enkel Heinrich der Jüngere, ihre Rllhestätte. Der
letzte und 50ste Abt dieses Klosters, Wolfgang Kartheuser,
starb im Jahre 1563. —

Von den umfangreichen von einer starken Ringmauer
mit vorliegendem Graben umgebenen Klostergebäulichkeiten
steht nur noch das sogen.: So mm er r e fec t o r i um (jetzt
die piotestantische Kirche); ein Klosterthor mit dem Namen:
öooeriovis. (eine andere Aufschrift ist ansgemeißeli), ferner
ein altes Wohnhaus aus der romanischen Zeit und ein
Theil der Klostermauer. Nebenbei trifft man noch bei den
Wohngebäuden Substructionen von früheren Klostergebäuden
und an den Häusern zunächst dcs früheren Kreuzganges
manche sehr interessante meist in das 14. Jahrhunüert
zurückgehende Gradsteine von Rittern, welche hier begraben
liegen. Einer der schöusten dieser Grabsteine soll in die
Alterthumssammlung vou Erbach übergeführt worden sein.

Am sehenswerihesten ist das noch in die romanische
Bauzeit (12.—13. Jahrhundert) fallendc sogen. Sommer-!

refectorium, das jedoch auch schon Anbauten in späterer
Zeit und in diesem Jahrzehnt einen schlanken Thurmauf-
satz (Dachreiter) erhalten hat. Jmmerhin ist die künstlerische
in deu krästigen Formen des romanischen Baustiles auf-
geföhrte südliche Abschlußseite dieses Refcctoriums noch ein
beredter Zeuge der jetzt ganz verschwundenen mittelalterlichen
Klosterherrlichkeit. Da bei den Klosteranlagen das Refec-
torium oder der Speisesaal in der Regel auf der der Kirche
gegenüberliegenden südlichen Seite des ein Viereck bildenden
Klausurhofes lag, so müssen wir die Stelle der Kloster-
kirche, von der jede Spur verwischt ist, nördlich etwa da
suchen, wo die Häuser den Platz einschließen.

Der Kreuzgang ist durch die Häuser gekennzeichnet, an
denen die Grabsteine eingemauert sind. Auch bcfindet
sich ein sehr schöner Grabstein im Kellergang eines Wohn-
hauses.

Man sieht, erstaunt sich, wie seiner Zeit diese geweihten
Monumente verschleudert und profanirt werden konnten.

Schönau halte 3 Thore, von welchen nur noch das
gegen Westen gekehrte erhalten ist. Die beiden die durch-
gehende Thalstraße absperrenden Thoreingänge sind schon
in den 20er Jahren abgetragen worden. Die den Kloster-
raum einschließende Ringmauer mit vorliegendem naffem
Graben machte das Kloster sturmfrei und vertheidigungs-
fähig, wie sich auch nicht verkennen lüßt, daß dieser Ort
im Mittelaltcr, welcher ven ganzen Durchgang in den
Odenwald absperrte, eine nicht unwichtige militärische Po-
sttion war. Eine so durchgebildete Befestigung hingegen,
wie sie noch beim Kloster Maulbronn erhalten ist, läßt
sich jedoch hier nicht nachweisen.

Von Schönan's mittelalterlichem Aussehen besitzen wir
eine Abbildung in einem aus 10 Tafeln bestehenden in
das Jahr 1540 zurückgehenden Werk von Handzeichnungen,
von welchem die hiesige Schloßsammlung eine Copie an-
fertigen ließ.

Namentlich muß uns die Tafel ansprechen, welche die
Abbildung des Klosters enthält und dasselbe in seiner
Blüthezeit darstellt. Wir sehen hier den Haupteingang mit
2 Eingängen nebeneinander, Uebei demselben einen Wehr-
gang, in Holzbau ausgeführt, zur Vertheidigung. Die
Klosterkirche mit dem Dachreiter über der Vieruug des
Querhanses, die kleine Kapelle neben dem Thor, die Mühle
mit dem Kanal nnd so manche andere Gebäulichkeiteu sind
mit ihren Giebeln sehr klar dargestellt. Wenn man sie
aber der Wirklichkeit der noch bestehenden baulichen Reste
des Klosters anpaßt, so kommt man auf manche Schwierig-
 
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