Von der Frühzeit der Reformation am Hofe und
in der Grafschaft Wilhelms des Reichen
Grafen von Nassau-Dillenburg
Ein Beitrag zur nassauischen Kirchengeschichte
Von f Carl Heiler, Wiesbaden.
Die folgenden Zeilen sollen ein Beitrag zur nassauischen Kirchengeschichte
sein und handeln hauptsächlich von Graf Wilhelm dem Reichen von Nassau«
Dillenburg und von den frühesten Knabenjahren seines großen Sohnes Wil«
heim, des berühmten Schweigers.
Im ersten Teile will ich die Einstellung Wilhelms des Reichen zu
Luthers Lehre bis etwa 1533 erörtern.
Der zweite Teil sucht zu beweisen, daß Graf Wilhelm der Reiche 1537
die „Instruktion für die einfältigen Pfarrherrn und Kirchendiener“ seiner Graf«
schäft erließ und damit offen sich von der alten Kirche auch als Landesherr
lossagte, ferner daß er dabei von dem Reformator Niedersachsens Antonius
Corvinus stark beeinflußt war.
Der dritte Teil behandelt die Frage, wie die Taufe Wilhelms des
Schweigers vom konfessionellen Standpunkte aus zu beurteilen ist.
Der vierte Teil handelt von Justus Hoen aus Gelnhausen, dem Haus«
lehrer Wilhelms des Schweigers, und von Johann Schnepf aus Abenberg in
Mittelfranken, der zur Unterstützung Hoens nach Dillenburg berufen wurde,
als Johann der Aeltere, der jüngere Bruder des Schweigers, seinen ersten Leh«
rer bekam.
I.
Fragen wir uns zunächst, wie sich die konfessionellen Verhält«
nisse in der Grafschaft Nassau«Dillenburg und am Hofe des
regierenden Grafen entwickelten! Dabei ist festzustellen, daß Graf Wilhelm
der Reiche nur langsam für das Luthertum gewonnen wurde. Hat er doch noch
1528 in der Martinikirche zu Siegen einen neuen Heiligkreuzaltar errichtet.1
Es ist eben lediglich eine neuzeitliche, durch keine geschichtliche Quelle zu
begründende Vermutung2, der Graf hätte von dem Reichstage zu Worms
1521, wo er Luther persönlich gesehen hatte, einen tiefen Eindruck von dem
Wittenberger Mönch mit nach Hause genommen, wie es auch in keiner Weise
aus zeitgenössischen Quellen zu erweisen ist, daß Wilhelm in Worms mit
Luther gar in persönlichen Verkehr getreten wäre, was seit Arnoldis und
Steubings3 Zeiten immer wieder behauptet wird. Es mag zwar sein, es
läßt sich aber nicht beweisen. Daß Wilhelm aber um dasselbe Jahr 1528, wo
er den neuen Altar in Siegen errichtete, daran dachte, den entscheidenden
Schritt zu tun und sich wenigstens zunächst für seine Person Luthers Lehre an«
zuschließen, ist nicht etwa eine willkürliche Vermutung. Wir haben vielmehr
hier durch zwei an Graf Wilhelm gerichtete Briefe einen gesicher«
1 s. A r n o 1 d i, Geschichte der oranien«nassauischen Länder, 1801, III, 1, S. 169
und Cuno, Geschichte der Stadt Siegen, 1872, S. 126. — 2 Sie wird z. B. geäußert von
N e b e in seinen sonst überaus verdienstvollen Studien „Zur Geschichte der evangelischen
Kirche in Nassau“ II, 3, S. 4 (Denkschrift des Herborner Seminars 1864). — 3 Kir«
chen« und Reformationsgeschichte der oranisch«nassauischen Lande, 1804, S. 15 und Ar«
in der Grafschaft Wilhelms des Reichen
Grafen von Nassau-Dillenburg
Ein Beitrag zur nassauischen Kirchengeschichte
Von f Carl Heiler, Wiesbaden.
Die folgenden Zeilen sollen ein Beitrag zur nassauischen Kirchengeschichte
sein und handeln hauptsächlich von Graf Wilhelm dem Reichen von Nassau«
Dillenburg und von den frühesten Knabenjahren seines großen Sohnes Wil«
heim, des berühmten Schweigers.
Im ersten Teile will ich die Einstellung Wilhelms des Reichen zu
Luthers Lehre bis etwa 1533 erörtern.
Der zweite Teil sucht zu beweisen, daß Graf Wilhelm der Reiche 1537
die „Instruktion für die einfältigen Pfarrherrn und Kirchendiener“ seiner Graf«
schäft erließ und damit offen sich von der alten Kirche auch als Landesherr
lossagte, ferner daß er dabei von dem Reformator Niedersachsens Antonius
Corvinus stark beeinflußt war.
Der dritte Teil behandelt die Frage, wie die Taufe Wilhelms des
Schweigers vom konfessionellen Standpunkte aus zu beurteilen ist.
Der vierte Teil handelt von Justus Hoen aus Gelnhausen, dem Haus«
lehrer Wilhelms des Schweigers, und von Johann Schnepf aus Abenberg in
Mittelfranken, der zur Unterstützung Hoens nach Dillenburg berufen wurde,
als Johann der Aeltere, der jüngere Bruder des Schweigers, seinen ersten Leh«
rer bekam.
I.
Fragen wir uns zunächst, wie sich die konfessionellen Verhält«
nisse in der Grafschaft Nassau«Dillenburg und am Hofe des
regierenden Grafen entwickelten! Dabei ist festzustellen, daß Graf Wilhelm
der Reiche nur langsam für das Luthertum gewonnen wurde. Hat er doch noch
1528 in der Martinikirche zu Siegen einen neuen Heiligkreuzaltar errichtet.1
Es ist eben lediglich eine neuzeitliche, durch keine geschichtliche Quelle zu
begründende Vermutung2, der Graf hätte von dem Reichstage zu Worms
1521, wo er Luther persönlich gesehen hatte, einen tiefen Eindruck von dem
Wittenberger Mönch mit nach Hause genommen, wie es auch in keiner Weise
aus zeitgenössischen Quellen zu erweisen ist, daß Wilhelm in Worms mit
Luther gar in persönlichen Verkehr getreten wäre, was seit Arnoldis und
Steubings3 Zeiten immer wieder behauptet wird. Es mag zwar sein, es
läßt sich aber nicht beweisen. Daß Wilhelm aber um dasselbe Jahr 1528, wo
er den neuen Altar in Siegen errichtete, daran dachte, den entscheidenden
Schritt zu tun und sich wenigstens zunächst für seine Person Luthers Lehre an«
zuschließen, ist nicht etwa eine willkürliche Vermutung. Wir haben vielmehr
hier durch zwei an Graf Wilhelm gerichtete Briefe einen gesicher«
1 s. A r n o 1 d i, Geschichte der oranien«nassauischen Länder, 1801, III, 1, S. 169
und Cuno, Geschichte der Stadt Siegen, 1872, S. 126. — 2 Sie wird z. B. geäußert von
N e b e in seinen sonst überaus verdienstvollen Studien „Zur Geschichte der evangelischen
Kirche in Nassau“ II, 3, S. 4 (Denkschrift des Herborner Seminars 1864). — 3 Kir«
chen« und Reformationsgeschichte der oranisch«nassauischen Lande, 1804, S. 15 und Ar«