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92

Karl Wolf

Kirche erfolgte in Nassau in den nächsten Jahren nicht mehr so sehr unter
niederländischem Einfluß, als daß unter den aus Kursachsen und Kurpfalz ver«
triebenen Professoren, die in Nassau und Wittgenstein aufgenommen worden
waren, zwei, Pezel und Olevian, Johanns maßgebende Berater wurden. Sie
wußten den Grafen so sehr in der Ueberzeugung zu stärken, Gott werde ihn
ebenso wenig bei seinem Vorhaben, das zur Vermehrung der Ehre Gottes die«
nen solle, verlassen, wie er seinem Bruder Wilhelm bei seinem gefährlichen
Unternehmen seine Hilfe versagt habe, daß er gerade in schwierigster Zeit den
Anschluß an die im Reiche verfolgte kalvinische Kirche beschloß. Während
er sich in den Niederlanden Amt und Wirksamkeit zu erwerben versuchte, er«
hielten seine Prediger im Jahre 1578 den Befehl, die Bevölkerung auf die be«
vorstehende Reform der nassauischen Kirche vorzubereiten, die dann nach des
Landesherren Rückkehr aus Gelderland (1580) durchgeführt wurde. Nassau
wurde mit seiner Hohen Schule zu Herborn die Hochburg des Kalvinismus
im Reiche.10
Um zu zeigen, wie auch in Nebenfragen eine Beeinflussung im Sinne
niederländischer Einstellung bei dem Grafen sich einstellen konnte, sei auf
den Streit zwischen Vater und ältestem Sohn hingewiesen, der sich anläßlich
des Heiratsplanes von Wilhelm Ludwig entwickelte (1585). In den nassau«
ischen Kirchen wurde jedes Jahr das Verbot der Verwandtenehen unter An«
drohung schwerer Strafen gemäß den aus dem Papsttum übernommenen Vor«
Schriften verkündet. Es war daher folgerichtig, daß der Vater mit der Absicht
seines Sohnes, die Tochter Anna seines Oheims Wilhelm zu ehelichen, nicht
einverstanden war. Da aber bereits der Prinz sein Einverständnis erteilt hatte,
außerdem nach der in den Niederlanden herrschenden Sitte die Ehe zwischen
Verwandten zweiten Grades keinen Anstoß erregte, so bestand der Sohn auf
dem Abschluß der Ehe. Da es ihm gelang, die Zustimmung der nächsten Ver«
wandten seiner Braut in Deutschland zu finden und besonders von diesen Land«
graf Wilhelm dem Vater das verwerfliche Festhalten am Papismus in diesem
Falle recht deutlich vor die Augen rückte, so konnte Johann schließlich nicht
anders, als seinen ablehnenden Standpunkt aufzugeben.11
Als den Grafen seine Statthalterschaft in Gelderland in nächste
Berührung mit den niederländischen kirchlichen Verhältnissen gebracht hatte,
da gefiel ihm die in Middelburg entstandene Kirchenordnung so gut, daß er
sich i. J. 1582 entschloß, sie in seiner nassauischen Kirche einzuführen.12
Sein Wunsch wurde es, daß seine Untertanen ebenso aktiv an dem kirch«
liehen Leben durch die Einrichtung von Presbyterien und Synoden teilnähmen
wie die nicht auf obrigkeitlichen Befehl, sondern gerade im Gegensatz zu ihrer
Regierung evangelisch gewordenen Niederländer. Voraussetzung hierzu aber
war, daß seine Bergbauern im Westerwald ebenso wie diese eifrig die Bibel zur
Hand nähmen und sich mit dieser Grundlage christlichen Glaubens bekannt
machten. Aber da der Pegel ihrer Bildung wesentlich unter dem des nieder«
ländischen Volkes lag, der bei weitem größte Teil von ihnen des Lesens und
Schreibens unkundig war, so erwies sich die Uebertragung der unter andern
kulturellen Bedingungen entstandenen Kirchenordnung in die nassauische
Kirche als ein Mißgriff, da die notwendigen Voraussetzungen hier nicht ge«
geben waren.
Diese zu schaffen, nahm sich der Graf vor, indem er sich seit 1582 ernst«
lieh bemühte, die Volksbildung zu fördern, eine allgemeine Volksschule für
den Unterricht in religiösen Lehrstoffen und den hierfür notwendigen Hilfs«
mitteln wie in Lesen und Schreiben zu gründen. Wurde nach niederländischem
10 Steubing, Kirchen« u. Reformationsgeschichte. 1804.
11 M, Korresp. des Ldgr. Wilhelm mit Nass.«Dillenburg.
12 Steubing, a. a. O. S. 169ff.
 
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