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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 13.1853

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[Ziegler, Jakob Melchior]: Johannes Aberli, Medailleur, Stein- und Stempelschneider
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https://doi.org/10.11588/diglit.28588#0006
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er von Bern mitgenommen; zeichnete auch vfter nach der Natur und hatte Gelegenheit viehe Ausflüge in der
schvnen Gegend zu machen und nahm Theil an Freud' und Leid der Familie, der er als ein Glied anzugehvren
sich freute. Der Eidam des Hauses, Zoh. Georg Müller, unterrichtete ihn als Neocommunicanten und gab ihm
einen kleinen eigcnhändig geschriebcnen Auszug seines Rcligionsunterrichtes, den Aberli sorgfältig geheftet bis
an sein Ende in Ehren gehalten hat.

Der neue Vormund der Aberlischen Kinder tvar ein angesehener Herr und sorglich für die Mündel bedacht,
abcr dabei cin genauer und fest an dcn Verordnungen des Gesetzes haltender Mann, was dem liebenden Sohne
Herzeleid berettete, indem die Erbschaft des Oheims der Schwester und ihm allein und in kcinem Theile der
Mutter zugefallen, er aber auf keine Weise noch befugt war, aus dem Seinen die Lage der Mutter zu erleichtern.
Sehr oft finden sich hierüber in seinen Briefen wehmüthige Anklänge. —

Unmuth tst ost bloßer Wahn,

Laßt uns ewtg ihm entfliehn,

Selbst auf unbesuchter Bahn
Ftndet man etn Veitchen blühn,

Glücklich, wer es dankbar Pflückt,

Und ntcht achtloS niederdrückt.

(I. A's. Tagebuch aus fener Zeit.)

Die freundschaftliche Behandlung Herrn Gaupp's äußerte sich gegen Zohannes nicht bloß während der Ge-
schäftszeit; er unterließ es nicht, ihm auch schriftliche Warnungen und guten Rath zu ertheilen. Er lobt ihn
um seiner Treue und seines Betragens willen, das er als „ xröveiumt" bezeichnet, und „wodurch er sich die
„Achtung der Anderen crworbcn, er müssc sich jedoch nicht täuschcn laffen, dadurch sich cinschläfern zu lasscn, denn
„das sei nur eine Art äußeren guten Anstandes." — Aberli nahm, von woher ihm Ermahnungen kamen —
und dieses war ntcht selten von verschiedenen Seiten der Fall — dieselben in ein empfängliches Herz auf,
dankte jedcö Mal, vcrsprach Besscrung und Wachsamkeit auf sich sclber. — Harmlos und rein ist die Stimmung
in welcher er lebte, welche ihn dcmüthiglich häusig obligate Zusprüche entgegen nehmen hieß, und um so mehr
zu schätzen, als er dazumal schon sehr viele Spuren zeigte von eincm, später bei ihm vorherrschcnde Zuge zur
Satyre und zu feiner Beobachtung aller Blvßen seiner Nebenmenschen. — Solches mildernd, mußte sich dcr glück-
liche Zug seineö Wesens nach stiller Jnnerlichkcit wohl schon früh in ihm ausgebildet habcn. Diese Neigung
machte ihn viellcicht abgcschloffcner gegen Andcre, als er dieses selbcr wnßte und wollte, sctzte ihn aber doch
mannigfaltiger Mißkcnnung aus. Dicses um so mchr, als eine gar schwere Prüfung dem Jüngling vom Schicksal
auferlegt ward und er nach und nach inne werden mußtc, wie dcr Beruf, den cr, zunächft aus kindlichcr Liebe
freudig ergriffcn, nicht scincr Bcstimmung cntsprcchen kvnne. — Scin Gehvr nahm spürbar ab, als er kaum die
halbe Lehrzeit hinter sich hatte. Eö wurden drei Aerzte in Schaffhausen berathcn, cbenso der Chirurgus in
Rafz; in Zürich consultirte man für ihn; er reiöte zu wiederholtcn Malen nach Richrersweil, wo eine medizini-
sche Autorität um Hülfe angcrufen war. Nach alle dcm folgte eine „Reinigungskur" bci dcr Muttcr in Rafz,
wo zuglcich durch wiederholte Blasenpflaster Arme und Nacken geplagt wurden. — Daß er ungeachtct wiederholter
und abcrmal „ durchprobter" Arzncimittel die Hoffnung nicht sinkcn ließ, ist natürlich, daß er aber die Jdee an
scine Kunst nicht wieder crfaßte, liegt in dem vorherrschenden Sinnen und Trachten, mvglichst bald der Mutter
zur Stütze zu werden.

„Es ist traurig" — schrieb er von Rafz an Herrn Gaupp — „der rinzige Umstand, daß uns Kindern das
Erbtheil von unserm Oncle, statt vom Vater herkam, beraubte die Mama alles Genuffes desselben. Käme es
vom Vatcr, so wäre es zuerst Mama heimgefallen und dann hättc sie sowohl mit dem Gelde als mit mir
anstellen könncn, was ihr am zuträglichsten und erfreulichsten gcwcscn wäre."

Hcrr Gaupp blicb wohlwollend, gestattete ihm Absenzcn, bcricth sich für ihn mit andern theilnehmenden
Freunden und trat in Correspondenz mit dem Vormunde. Aber, wie es zu geschehen pflegt, es wurden dem
Rathbedürftigen nur zu viel Meinungen bcigebracht, daß ein Ausweg nur noch schwierigcr zu siuden war.

Der gewissenhaftc Junge schrieb nach Neuchatel, nach Zürich, nach Bern und Winterthur, dann stattete er
der Mama wieder Bericht ab und war in stcter Corrcspondenz, immcr hoffend und stets cincn Ausweg suchcnd;
dcnn nach den Eincn sollte er Baumwollwcber, nach den Anderen Modelstccher, wicder nach „cinsichtiger" Mciuung
 
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