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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 25.1865

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Ueber Heinrich Keller’s geographische Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.28600#0024
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Flächen bemalte er in blau. Meist sind seine Grrmdrisse zur schärferen Unterscheidung der Gegenstände in Farben
ausgeführt*). Den Plan von Zürich (Reduktion 1: 6600) gründete er auf den Breitinger'schen vom Zahre 1814,
gab demselben von 1824 an die selbstständige Erweiternng der Umgebungen der Stadt. Alle neuen Verbessernngen
hat er mit seiner gewohnten Genauigkeit nachgetragen.

Es wird immer bewundernswerth bleiben, wie der Verewigte mit den geringsten Hülfsmitteln hausgehalten hat,
so daß seine Karten den best subventionirten seiner Zeit an Zuverläßigkeit und Vollständigkeit überlegen waren.

Bei der stets schwankenden Gesundheit in der Zugend mußte ihm regelmäßige Fachbildung in frühern Jahren
abgehen, aber sein ausdauerndes Streben nnd der wissenschaftliche Sinn, der in ihm lebte, trieb ihn dermaßen voran,
daß er sich zu Lösung von wissenschaftlichen Aufgaben anschickte, die er, wir wissen nicht auf welchem Wege, immerhin
annähernd vollführte. So z. B. ist für Fachmänner, wie Topographen, die möglichst günftige Projektionsweise der
Erdoberfläche als zusammenhängendes Ganzes und abweichend von der Merkator-Projektion, welche die Erdräume
um die Pole gewaltig verzerrt, in diesem Jahrzehnt als Problem nen aufgetaucht und hat zu verschiedenen Methoden
geführt. Keller hat in diesem Sinne zn seinem Schulatlas, dann wieder zu den Zonengemälden ein approximatives
Netz der Meridiane nnd Parallelen auf Eiire Ebene gelegt und die regelrechte Zeichnung der Welttheile darnach
eingetragen.

Der Geograph ist auf das vielfältigste in Anspruch genommen. Er muß seine Anfmerksamkeit in steter Be-
weglichkeit halten, durch kalte wie warme Zonen, durch die bevölkertsten Gegenden der alten und die Llanos der
nenen Welt seine Theilnahme tragen. Ja, der Geograph wird nachgerade cin Kosmopolit und ein Philosoph. Zhnr
gelten die braunen, die weißen oder schwarzen Menschen, insofern als sie die Bewegungen oder die Fortschritte auf
unserem Erdenrnnd vermitteln, sei's anf der festen oder flüssigcn llnterlage. — Anch wenn Keller kein Buch ge-
schrieben und den Tert seiner Karten kurz faßte, so lagen alle jene Jdeen und Gedanken in ihm. Das beweisen am
meisten seinc Zonen-Gemälde. Ein großes Werk, worin er von 1834 bis 1837 in 10 lithographirten Bildertafeln
(zusammen 16 Fuß lang) die Menschen, die Thiere, die Gegenden, die Wohnnngen und geographischen oder geschicht-
lich wichtigen Erdstellen in vcrhältnißniäßiger Größe nach gegebenem Maßstabe darstellte. Dieses Werk ist, zumal
in Schulen und Erziehungsanstalten, fast in Zedermanns Händen als eben so bclehrendes, wie unterhaltendes Unter-
richtsmittel. Wir erwähnen nur noch, daß Heinrich Keller mit dem großen Geographen Carl Ritter insoweit
znsammentrifft, als ersterer bemüht war, die Gegensätze der Dimensionen von Pflanzen nnd Thieren nach verjüngtem
Maßstabe neben einander zn ordnen, letzterer bei seinem llnterricht der Hollweg'schen Kinder, bis auf die größten Thierc,
Alle in natürlicher Größe zeichnete oder nach seiner Jnstrnktion zeichnen ließ. Unvermerkt kömmt durch's Bild dem
Menschen eine unrichtige, wie eine richtige Jdee. Das bemerkt man zu oft nnd meist von der nachtheiligen Seite,
wie unser Anschauungs- und Vorstellungsverniögen kümmerlich der Wirklichkeit nachhinkt und wie die ersten salschen
Bilder nur mit Gewalt oder gar nicht aus der vorgcfaßten Zdee wegzubringen sind nnd Leben lang nnrichtige Schlüsse
veranlassen können. Schon im Kinde lag bei Heinrich Keller der Sinn für richtige Maaße und richtige Verhältnisse
der Entfernungen. Es sind aus dem Zahr 1790 einige Blätter vorhanden, welche der kranke Knabc im Bette ge-
zeichnct: zwei Planigloben verschiedener Größe, ein Kärtchen von Portugal, ein Plan der Festung Mannheim. Bis
auf Wappen, Schrift und allem äußern Schmuck der damaligen Noceoco-Beigabe ist Alles genau nachgemacht. Erst
jetzt schaut man in den ängstlichen Strichen das vielseitig in ihm verborgen liegende Talent.

Die Ausführung von Panoramas hat mehr von der Landschaftszeichnung zu borgen, als von der Topo-
graphie. Allein sie bedarf ihrer zu richtiger Unterschcidung der Thäler - Einsenknngen, der Abtheilung von Gebirgs-
zügen und Kämmen, die dem Beschauer aus der Ferne incinanderfließen. Dnrch kleine Linien wußte Keller in seine
Rundfernsichten die geographische Belehrung hineinzulegen zum richtigen Verständniß der gegenseitigen Lage aller Objekte.

Es liegt noch manche unedirte Arbeit unseres Künstlers nnd Kartographen in Manuskript da, werth der Ver-
öffentlichnng. Vor Allem wünschten wir das 12 Fuß lange, noch nie erschienene Nigi-Panorama bald dem Publitüm in
Knpferstich zugänglich. Darin hat der Verewigte Alles hineingetragen, so viel als künstlerische Darstellung, geogra-
phisches Verständniß, äußerste Schärfe und Liebe für den Gegenstand in ihm gelebt haben.

*) Er hat aber auch PlLne ganzer Ortschaften dnrch alle Gassen mit erkennbaren Hänsern in Vogelperspeküve gczeichnet. Zierlich
sind zumal die Originale von Heiden, Glarns und Appenzell von 1839. LetztereS darum interessanr, weil ähnliche Darstellnngen
von 1540 und 1630 damit zn vergleichen sind.
 
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