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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 27.1867

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I. Wilhelm Scheuchzer. Eine biographische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.28602#0005
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I

Wilhelm Scheuchzer.

Eine biographische Skizze.

Das Menschenleben währet eine kurze Spaline Zeit. Ehe wir uns vcrsehen, sind wir alt geworden, und der Tod
überrascht uns inmitten nnserer Entwnrfe und unserer hochfliegenden Pläne, und drückt uns das Auge zu, ehe wir
uns noch recbt umgesehen in dieser Welt, und uns recht k!ar geworden sind über Ziel und Bestimmuug dieser flüch-
tigen Erdenwallsahrt. Was sind sechzig und sicbenzig Jahre trotz aller Fülle von Erfahrungen nnd Genüssen, die
sic uns boten, ivenn wir die Summe des wirklich Errcichten dem gegenüber halten, was wir zu erstrebeu gewillt
warcn!

Wenn uns bei dem Gedanke der engen zeitlichen Schrank'en, die unserer irdischen Wirksamkeit gezogcn ist, das Ge-
sühl des Schmerzes und der Perzagtheit unwillkührlich überrascht, so müssen wir andererseits cinen ausgleichendeu
und versöhncndeu Trost ans der Ucberzcugnng schöpfen, daß für alles menschliche Wirken der Maaßstab der Treff-
lichkeit im festen,'klaren und bcsonnenen Willen, in dem unbcirrten Streben nach einem hohen und schönen Ziele
tiege. Der moralische Werth eines Mannes beurtheilt sich nach der Stetigkeit und Sicherheit, womit er auf der
Bahn der Entwicklung sorlschrcitet. Das gilt vom Künstler wie vom Dichter, vom Gclehrten und Staatsmann wie
vom schlichten Handwert'er. Geben wir einem Solchen das Geleite zu seiner letzten Ruhestätte, so mögcn wir mrt
Claudius sprechen:

„>Wir haben einen guten Mann begraben!"

Wenn je Einer, so gehörte unser vercwigte Freund Wilhelm Schenchzer zu denen, die cines solchen Nach-
rnfes im vollen Maaße würdig siud. Er hat jene allgemcine, hninanc Anfgabe des Menschenlebens getreulich gelöst,
und sein redliches Streben auf dem von ihm gewählten Gebiete der Knnst hat ihn auch trotz aller Fährlichkeiten
und Hindernisse zu cinem im hohen Grade achtungswerthen Ziele geleitet. Allen denen, die ihu — den Liebeswür-
digen — persönlich kannten nnd liebten, und all den vielcn Freundcn, welche er durch seine künstlerischen Schö-
psnngen gewann, seien die nachfolgenden Zcilen zur freundlichen Erinncrung an den Verlebten gewidmet.

Wilhelm Schenchzer gehörte einem uraltcn Schweizergeschlechte an, das noch, wie alle alteu bürgerlichen Ge-
schlechter, Familienwappen und Stammbaum uud zudem einen eigencn Familienfond besitzt. Schon im Jahre 1480
waren die Scheuchzer in Zürich eingebürgert, und wie damals die Pfarrstellen des Kantons sast ausschließlich durch
Bürger der Stadt, denen das Studium der Theologie, gerade auch durch die Familienfonds, bedeutend erleichtert war,
bcsetzt wurdeu, so stand der Vater unsers Freundes zur Zeit seiuer Geburt an derjenigen in Hansen.

Am 24. März 1803 erblickte Wilhelm das Licht dcr Welt. An der Straße nach Zug, westlich vom Albis, nahe
der Grenze gegen die innere Schweiz, liegt seine Geburtsstätte, das Pfarrdorf Hausen, Kantons Zürich. Diese erste,
bergumgürtete Heimat mußtc er schon im siebenten Zahre verlassen, da sein Vater nach dem ansehnlichen Psarrdorf
Basserstorf an der dazumal sehr belebten Landstraße von Zürich uach Winterthur als Scelsorger berufeu wurde.
Hier verlebte er seine Knabenjahre und reifte unter der sorgsamen Pflegc liebender Eltern znm Zünglinge herau.

Schon im Knaben regte sich die leise Ahnung künftiger Bestimmung; dic Kunst trat an ihn hcran, bereitete ihn
vor zu ihrer Jüngerschaft und leitete die kleine Hand bci dcu crsten Versucheu, das einwohnende Schönheitsgefühl zum
Ausdruck zu bringen. Seine liebste Beschäftigung fand er im Zeichnen. Er vergaß darüber das Spiel, und dic
 
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