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Künstler-Gesellschaft Zürich [Hrsg.]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 35.1875

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Leonhard Tanner, Portraitmaler, von Lützelflüh, Kanton Bern
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https://doi.org/10.11588/diglit.43126#0015
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Portraitmaler, von Lützelflüh, Kanton Bern.

Unter denjenigen Städten der deutschen Schweiz, in welchen die Kunst seit Jahrhunderten
einigermassen geübt und gehegt wurde, zeichnen sich Basel. Bern und namentlich Zürich aus. An
letzterem Orte lobte und wirkte zur Reformationszeit Hans Asper; ihm folgte die Künstlerfamilie Maurer,
Gotth. Ringgli, im folgenden, 17. Jahrhundert Sam. Hofmann, die Künstlerfamilien Füssli und Meier.
In ununterbrochener Reihenfolge gab es in Zürich stetsfort einzelne Träger der Kunst. Zu Ende des
vorigen Jahrhunderts sehen wir dort eine ganze Reihe namhafter Künstler auftreten, welche die
verschiedensten Gebiete der Malerkunst bebauten. Ich erinnere an Salom. Gessner, Job. Mart. Usteri,
Sal. Landolt, H. Wüst, J. C. Huber, Heinr. Füssli, Ludw. Hess, J. Heinr. Füssli, Freudweiler. Diesen
folgten, zu Anfang dieses Jahrhunderts: Konr. Gessner, J. Heinr. Lips. Pfenninger, Heinr. Keller. Ludw.
Vogel. Dav. Sulzer. J. J. Oeri. — Ein reges Kunstleben entwikelte sich damals in Zürich.
In diese Zeit fällt die Geburt unseres Künstlers, den 12. Mai 1812. Sein Vater besass und
betrieb in dem nahe bei Zürich gelegenen Höttingen eine Tapetenfabrik. Der Knabe kam natürlich
schon in früher Jugend öfters nach der nahegelegenen Stadt. Sein Lieblingsaufenthalt war stets vor den
Schaufenstern der Füssli’schen Kunsthandlung zur Meise; dort empfieng er, sich selbst, unbewusst, die
erste Anregung zu seinem künftigen Berufe. Der Knabe fieng aus eigenem Antrieb an zu zeichnen.
Mit Wohlgefallen bemerkte es der Vater und da. er bei seinem Sohne Anlagen zu entdecken glaubte,
entschloss er sich, dieselben, so weit es seinen Kräften stand, ausbilden zu lassen, in der Hoffnung, ihm
damit ein Capital an die Hand zu geben, das später reichliche Zinse bringen könnte. Dem Vater
schwebte zwar keineswegs der Plan vor, seinen Sohn zum Künstler ausbilden zu lassen; er dachte sich
bloss, für die einmal erlangte Fertigkeit im Zeichnen werde sich später auf irgend eine Weise eine
nützliche Verwendung finden. Der Knabe erhielt also die Erlaubniss, die Zeichnungsschule des Herrn
Karl Schulthess zu besuchen. Das war eine vortreffliche Schule. Tanner hat stets mit dankbarer
Anerkennung von seinem Lehrer gesprochen. Die Lehrmethode war ungefähr folgende: Nachdem der
Schüler einige Fertigkeit im Zeichnen nach Vorlagen erlangt, hatte, ertheilte ihm der Lehrer Unterricht,
in der Perspektive, und zwar mehr in praktischer als in theoretischer Weise; er brachte ihm die
Grundbegriffe derselben bei und liess ihn sogleich nach einfachen plastischen Körperformen zeichnen.
Darauf folgte das Zeichnen nach Gypsmodellen, welche meistentheils in Abgüssen nach Antiken bestanden.
Diese Zeichnungen wurden in verschiedenen Manieren ausgeführt, mit Bleistift, Kreide. Tusch, mit dem
 
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