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Künstler-Gesellschaft Zürich [Editor]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 38.1878

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J. J. Ulrich, Kunstmaler und Professor
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https://doi.org/10.11588/diglit.43129#0021
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Spezialität zu ergreifen, denn mit Geist und Leben wusste er das ewig wechselnde Element auf die
Leinwand zu bannen.
Doch siehe ! die herrlichen Eichen des Newforest fesselten ihn wieder und von Woche zu Woche ver-
schiebt er die Abreise, bis er seinen Gegenstand völlig beherrscht. Es ist wieder jener Anklang an die
Kinderjahre, der ihn bannt und überwältigt, wie wir diess aus seinen eigenen Worten ersehen können.
„Ungeachtet alles dessen, was man mir sagt, glaube ich recht gethan zu haben“ — so schreibt
er — „meinem ersten Gefühle, das sich in meiner Jugend gezeigt und mich immer beschäftigt hat, zu
„folgen, das Landschaftsfach vorzugsweise zu behandeln. Stille Waldgegenden haben mich immer ent-
zückt, und ich will es dahin bringen, meine Gefühle in meinen Gemälden auszudrücken. — In London
„habe ich herrliche Gemälde gesehen; sie haben einen ungemein lebhaften Eindruck auf mich gemacht,
„und mir scheint Ruisdael in allen seinen Bildern eben das aufgefasst zu haben, was in dem Walde,
„wo ich studirte, so mächtig auf mich einwirkte.
„Ich kam von London mit neuem Muthe zu meinen lieben, wilden Waldgegenden zurück und
„war oft in ungewohntem Entzücken, wenn ich diese herrlichen Natur-Szenen mit etwelchem Erfolge
„nachahmen konnte. Wie oft in diesen dunkeln Hainen entschlüpften meinen Lippen die Namen Ruis-
„dael, Hobbema, Rubens, Rembrandt, alles Meister, die die Natur verstanden und die Poesie derselben
„im höchsten Grade der Vollkommenheit in ihren Bildern ausgedrückt haben. Gross und edel kamen
„mir diese Meister vor, wenn ich die Wahrheit derselben in Gegenwart des Meisters aller Meister, der
„Natur, erkennen musste.“
„Nein, ich bereue nicht ausgeharrt zu haben, ich fühle, dass es auch mit mir besser kommen
„muss, und das giebt mir Muth und Freude zur Arbeit. Der Gedanke, in der Schweiz die herrlichen
„Naturszenen studiren zu können, nachdem ich meines Pinsels Meister bin, macht mir am meisten Freude.
„— Ich bedauere nicht, diesen Sommer nicht nach der Schweiz gekommen zu sein; ich hoffe, ihr werdet
„mich als Meister und nicht als Lehrjungen wiedersehen. — Lasst mich daher meinem Wunsche folgen,
„mich sogleich an ein bedeutendes Bild für die künftige Ausstellung zu begeben und meine Reise nach
„dem Vaterlande noch um einige Zeit aufschieben.“
Und dass der Meister schon jetzt anerkannt wurde, davon zeugte die goldene Medaille, die sein
Bild (motif dans la plaine de Brie) im Salon von 1835 davon getragen hatte, welches vom Könige für
die Galerie royale angekauft worden war.
Im Mai 1836 sollte endlich die Freude des Wiedersehens Ulrich und seiner Familie zu Theil
werden, und auch die obenerwähnte Hoffnung erfüllte sich. — Noch ehe er die Vaterstadt erreichte,
war sein Ruhm ihm vorangeeilt. Der „Courrier francjais“ enthielt nämlich kurz nach Eröffnung des Salons
eine Kritik, welcher im „Republikaner“, einem Blatte, dem die in der Ulricli’schen Offizin erscheinende
„Wochenzeitung“ Opposition machte, Erwähnung gethan wurde.
„Unter den gegenwärtig im Auslande lebenden Schweizer-Künstlern“ — so schreibt der Repu-
blikaner — „steigt Herr Ulrich von hier (Bruder des Herrn Oberrichters), ungemein im Ansehen. Er
„lebt seit Jahren wieder in Paris, hatte früher als Dilettant Kunst ausgeübt, dann aber ausschliesslich
„diesem Fache sich gewidmet und seine Tiefen in Rom ergründet. Nun steht er, nach dem „Courrier“
„fran^ais, der neulich die Produktionen dortiger Künstler kritisirte, als einer der ersten Landschaftsmaler
„Frankreichs da. Alle Freunde der Kunst müssen einem solchen Manne Glück wünschen, dass er die-
jenige Anerkennung gefunden, die seinen Verdiensten gebührt. In unserm Vaterlande, das seinem weitaus
 
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