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Künstler-Gesellschaft Zürich [Editor]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 38.1878

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J. J. Ulrich, Kunstmaler und Professor
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https://doi.org/10.11588/diglit.43129#0026
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welche die Schönheit in der einfachen, ursprünglichen Naturwahrheit suchte und welcher das naive Ver-
ständniss über Alles ging, konnte um so weniger ihn unberührt lassen, als einer ihrer besten Vor-
kämpfer, Corot, Ulrichs Mitschüler und Altersgenosse war. Ulrichs frühere und spätere Arbeiten
zeigen aber, dass er sich niemals durch diese Richtung hat beherrschen lassen. Sein solider Geschmack
bewahrte ihn davor, sich ohne Rückhalt von dieser Strömung fortreissen zu lassen, und sein fester Wille
liess ihn stets die Grenzen im Auge behalten, welche die Eigenart seines Talentes ihm gezogen hatte,
womit keineswegs gesagt sein soll, dass er nicht später, in den Fünfziger-Jahren, Alles gethan habe,
um, soweit es ihm innerhalb dieser Grenzen thunlich schien, sich die wirklichen Vorzüge dieser Schule
anzueignen, ohne in deren extreme Fehler zu fallen. —
Ulrichs erstes Wort über das Studium der Landschaftsmalerei lautete: „Die Natur und die alten
Meister!“ und es drückt sich in demselben das Motto seiner Künstlerlaufbahn aus. Sein zweites fast
ebenso schwer wiegendes Wort hiess: „Die Zeichnung!“ womit er kurz und schlagend andeutete, dass
die Farbe nur da zu ihrem Rechte kommen dürfe, wo die Form durch Umriss, Licht und Schatten-
Massen völlig verständlich ausgedrückt sei.
Wie wir es seinen Briefen entnommen und es ihn selbst oft aussprechen gehört haben, standen
unter den alten Landschaftern Ruvsdael und Claude ihm am höchsten. Der Eindruck, den die Ruvsdael’-
schen landschaftlichen Bilder auf ihn machten, wurde ganz zufällig unterstützt durch Ulrichs Besuch im
Northerwood (Hampshire, England), denn hier in New-Forest bietet die Natur selbst Ruysdael’sche
Waldmotive, schöner vielleicht, als das Beste, was Ruysdael im eigenen Vaterlande vorfand. Dieser
doppelte Eindruck lässt sich vielfach an Studien und Bildern nachweisen. — Doch konnte Ulrich nicht im
Waldesdunkel stehen bleiben, die Sonne forderte ihre Rechte und der lichte Strand der Insel Wight wie
früher der Golf von Neapel, gab ihm Gelegenheit, die Wirkung der untergehenden, dem Beschauer gegenüber-
stehenden Sonne zu studiren. Die Bilder von Claude hatten ihm in diesem Punkte die werthvollsten Aufschlüsse
gegeben und was er sich an Wissen und Können in dieser Beziehung errungen hatte, war ein bleibender Gewinn,
wovon alle seine spätem Sonnenuntergänge, auch an den Ufern unserer Schweizer-Seen beredtes Zeugniss
ablegen. — Wie Ulrichs beste Waldlandschaften ganz einfache Motive zum Vorwurf hatten, so war
dieses noch im höhern Masse bei seinen Ufer- und Strand-Bildern der Fall, und sonderbar — das Beste
was er schuf, ist entweder die fast beruhigte sonnige Wasserfläche, oder das Wasser in seiner höchsten
Bewegung, wo Küste und Felsen dazu dienen konnten, den Eindruck von Wasser und Luft zu erhöhen
und zu erklären. — Bestimmte, complizirte Bergformen waren Ulrich oft im Wege und das kalte Gletschereis
schien ihm zu malerischer Behandlung ungeeignet. Vordergründe aller Art hat er mit Kenntniss und
Glück behandelt und verwerthet und oft gelang es ihm durch ihre Hülfe einem undankbaren oder
gewöhnlichen Motive das Aeusserste abzugewinnen.
Die im Licht der untergehenden Sonne sich auflösende Wasserfläche des Vierwaldstättersees von
Brunnen aus gesehen*), und besonders das blendende Mittelmeer mit der Riviera**); dann wiederum
der tobende Sturm an einer nördlichen Küste***) waren wohl die Perlen der reichhaltigen Aus-
stellung.
Auch die Figur hat Ulrich gut gezeichnet und seine Staffage hat er an den richtigen Ort zu
*) Im Besitze der Frau Bodmer-Stockar.
♦f) „ „ des Herrn Stadtrath Landolt.
***) „ „ des Herrn Dr. Alfred Escher.
 
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