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Künstler-Gesellschaft Zürich [Editor]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 40.1880

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Bernardino Luini
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https://doi.org/10.11588/diglit.43131#0007
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Die Neujahrsblätter der Zürcher Künstlergesellschaft stellen sich die Aufgabe, in populärer Form
kurze Biographien von verstorbenen Meistern der Schweiz zu geben. AVenn diesmal von dem Programm
abgegangen und ein Italiener des Cinquecento auf den Schild gehoben wird, so geschieht es, weil sich
ein Hauptwerk von demselben auf Schweizer Boden befindet. Die Passion in Sta. Maria degli Angeli
in Lugano ist vielleicht nicht das vollendetste Bild Luini’s, aber jedesfalls das monumentalste, was er
je geschaffen hat, und das genügt zur Rechtfertigung des von einheimischen Kreisen für Luini bean-
spruchten Interesses.

Luini gehört zu der nicht geringen Zahl von Künstlern, deren Leben in undurchdringliches Dunkel
gehüllt ist. Weder sein Geburts- noch sein Todesjahr ist bekannt, weder seine Vaterstadt noch der
Ort, an dem er seine reiche Thätigkeit beschloss. Der Umstand, dass er in Dokumenten, welche sich
auf die Geisselung in der Ambrosiana und seine Fresken in Lugano beziehen, Bernardino da Luvino
und Bernardino de Luyno genannt wird, legt den Gedanken nahe, dass Luino am Lago maggiore seine
Heimat war; allein bis jetzt hat sich das noch durch kein Kirchenregister des Orts bestätigt gefunden.
Setzt er, was in den seltensten Fällen vorkommt, seinen Namen unter ein AVerk, so nennt er sich latini-
sirt Bernardinus Lovinus; aus dieser Form, die sich z. B. auf dem Madonnenbilde in der Brera von 1521
und den Fresken in Saronno von 1525 findet, geht aber hervor, dass sein eigentlicher Name Bernardino
Lovino oder Luino lautete. Andere Formen, wie Lovini, aus dem Luini geworden ist, und del Lupino,
kommen in Schriftstellern des sechszehnten Jahrhunderts, wie Lomazzo, Vasari und Cesariano vor; die
Form del Lupino, die etwa unserm Wölflin entsprechen würde, findet sich bei Vasari und Cesare
Cesariano1). Giuseppe Bossi hält sie für die richtige, allein seine Gründe sind durchaus nicht über-
zeugend 2).
AVo Luini die ersten künstlerischen Eindrücke empfing, ist unbekannt, nur soviel steht fest,
dass Keiner in dem Maasse wie Lionardo da Vinci auf ihn eingewirkt hat, darum darf jedoch noch nicht
mit absoluter Sicherheit angenommen werden, dass er je auf die Akademie des grossen Florentiners
gegangen sei. Er kann sich dessen Vortrag durch das Studium seiner AVerke angeeiguet haben, und die
Lehre Lionardo’s mag ihm indirect zugetragen worden sein. Uebrigens war er, was seine geistigen
Anlagen betrifft, grundverschieden von demselben. Lionardo war eine objektive, Luini hingegen eine
subjektive Künstlernatur, Ersterer besass ein allumfassendes Genie, Letzterer ein hochbedeutendes, aber
begrenztes Talent. AV ährend der Eine unabhängig war und Fürstengunst ihm erlaubte, mit Musse
zu arbeiten, nötliigten den Andern zuweilen Familiensorgen, die ihm übergebenen Aufträge rasch aus-
 
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