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herzensgute Frau, in ihm durch ihr eigenes Beispiel und religiöse Belehrung edle Gefühle
weckte und ihm die Pfade der Ehrbarkeit und Tugend wies, die er zeitlebens nie verlassen hat.
Bei allem Gehorsam und aller Lenksamkeit zeigte sich bei Antonio eine schwache Seite:
schon in frühester Kindheit, als er kaum stehen konnte, kritzelte er auf alle Wände des
Hauses, auf jeden Fetzen Papier, dessen er habhaft werden konnte, Zeichen und Figuren
der verschiedensten Art; da nützte keine Mahnung und keine Strafe. Freilich waren die
letzteren von Seite der Mutter nicht allzuscharf, ja recht strafen konnte sie überhaupt nicht,
und mitten in ihrem Arger über die verunzierten Wände schimmerte es in ihrem Geiste
auf wie eine Ahnung von ihres Sohnes künftiger Berühmtheit. «Wie oft haben wir sie,»
Casa Ciseri in Ronco.
so erzählt Antonios Bruder, «in ihrem hohen Alter triumphierend sagen hören: , Habe ich
nicht immer gesagt, mein Tonin werde un bravo pittore werden?1»
Schon im zehnten Altersjahr nahm der Vater seinen Tonin nach Florenz mit, wo er
vom Grossvater und dessen unverheiratetem Bruder mit Jubel aufgenommen wurde. Freilich war
die Trennung schwer gewesen für den Knaben, allein mehr noch für die Mutter, die so lange
sie lebte, oft von dem schmerzlichen Abschied sprach; allein sie musste sich damals, wie
manche ihrer Dorfgenossinnen in das, was man im Interesse der Familie als unvermeidlich
ansah, fügen. Der Vater wusste es einzurichten, dass das noch so junge Bürschchen an der
Zeichnungsschule der Akademie Zeichnungsunterricht nehmen durfte, um so früh als möglich
herzensgute Frau, in ihm durch ihr eigenes Beispiel und religiöse Belehrung edle Gefühle
weckte und ihm die Pfade der Ehrbarkeit und Tugend wies, die er zeitlebens nie verlassen hat.
Bei allem Gehorsam und aller Lenksamkeit zeigte sich bei Antonio eine schwache Seite:
schon in frühester Kindheit, als er kaum stehen konnte, kritzelte er auf alle Wände des
Hauses, auf jeden Fetzen Papier, dessen er habhaft werden konnte, Zeichen und Figuren
der verschiedensten Art; da nützte keine Mahnung und keine Strafe. Freilich waren die
letzteren von Seite der Mutter nicht allzuscharf, ja recht strafen konnte sie überhaupt nicht,
und mitten in ihrem Arger über die verunzierten Wände schimmerte es in ihrem Geiste
auf wie eine Ahnung von ihres Sohnes künftiger Berühmtheit. «Wie oft haben wir sie,»
Casa Ciseri in Ronco.
so erzählt Antonios Bruder, «in ihrem hohen Alter triumphierend sagen hören: , Habe ich
nicht immer gesagt, mein Tonin werde un bravo pittore werden?1»
Schon im zehnten Altersjahr nahm der Vater seinen Tonin nach Florenz mit, wo er
vom Grossvater und dessen unverheiratetem Bruder mit Jubel aufgenommen wurde. Freilich war
die Trennung schwer gewesen für den Knaben, allein mehr noch für die Mutter, die so lange
sie lebte, oft von dem schmerzlichen Abschied sprach; allein sie musste sich damals, wie
manche ihrer Dorfgenossinnen in das, was man im Interesse der Familie als unvermeidlich
ansah, fügen. Der Vater wusste es einzurichten, dass das noch so junge Bürschchen an der
Zeichnungsschule der Akademie Zeichnungsunterricht nehmen durfte, um so früh als möglich