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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1903

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Adolf Stäbli
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https://doi.org/10.11588/diglit.43207#0007
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Adolf Stäbli.

Beim Durchschreiten der Schweizer Kunstausstellungen der
letzten zwanzig Jahre sind wohl jedem ernsten Beschauer gross-
zügige, mächtig wirkende Landschaften aufgefallen, Bilder voll tiefen
Stimmungsgehaltes und ergreifender Poesie. Sie waren anders als die
Mehrzahl der übrigen Landschaften, die nur Veduten gaben oder
möglichst getreu im Freien gemalte Naturausschnitte darstellten.
Sie boten mehr als einen Abklatsch der Natur; sie redeten eine
eigene Sprache, die Sprache einer grossen Persönlichkeit, die sich
mit ganzer Seele in dem Bilde gab und den Beschauer in den Bann-
kreis ihrer Stimmung zog. Es war nicht nur ein guter Maler, sondern
vor allem auch ein Poet, der stets etwas Bedeutendes zu sagen hatte.
Welch feierlicher Ernst lag in seinen Abendstimmungen, welche
machtvolle Grösse im aufziehenden Gewitter und tobenden Sturme,
welch verhaltene Schwermut in den säuselnden Birken, welche Trost-
losigkeit in der grossen Überschwemmung und wieder welche er-
lösende und erfrischende Kraft im warmen Regen des Maien.
Die Bilder waren einfach, breit und kräftig gemalt, stets als
organisches Ganzes gedacht und vorzüglich gezeichnet. Alles Detail
verschwand gegenüber den grossen Massen, alles Unnötige, ja alles
Gefällige war unterdrückt; die Farbe war kräftig und harmonisch,
manchmal etwas eintönig —■ wie alles übrige, war sie niemals um
ihrer selbst willen da, auch sie diente nur der grossen Gesamtwirkung
des Ganzen. Gerade durch diese fast herbe Einfachheit und Grösse
der Darstellung wirkte der Stimmungsgehalt der Bilder um so
mächtiger und nahm den Beschauer unwillkürlich gefangen. Und
 
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