Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rembrandt; Neumann, Carl [Hrsg.]
Das radierte Werk des Meisters in originalgetreuen Handkupferdrucken (Band 1): Das radierte Werk des Meisters in originalgetreuen Handkupferdrucken — Berlin: Amsler & Ruthardt, 1928

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.50172#0021
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gibt wohl keinen Künstler, der so viel Selbstbildnisse hinterlassen hätte, daß,
wenn man bei Rembrandt Gemälde, Radierungen und Zeichnungen zusammen-
nimmt, eine Art Selbstbiographie aus dieser Folge von Bildnissen gewonnen werden
könnte. Freilich gehört der größte Teil dieser Stücke der Leidener Jugendzeit des Künst-
lers an; auch sind viele nur dem Modell nach Selbstbildnisse, tatsächlich aber Aus-
drucksköpse, an denen der angehende Historienmaler biblischer Stoffe (der Maler des
Bileam, des reuigenIudas usw.) die aufgeregte Augenblicksmimik und die leidenschaft-
verzerrten Züge menschlicher Gesichter versuchte und studierte. Dazu war der eigene, im
Spiegel beobachtete Kopf das billigste und bequemste Modell, und es wäre verkehrt
zu meinen, Eitelkeit sei es gewesen, der wir diese zahlreichen Zeugnisse von Rembrandts
Aussehen verdanken.
Rembrandt lebt bis zu seinem fünfundzwanzigstenIahr (16zi) in seiner Geburtsstadt,
dem durch seine Universität berühmten Leiden. Lateinschule und Studententum konnten
ihn nicht festhaltcn. Er wurde Maler. Als er in dem nun erwählten Beruf die Lehrzeit
hinter sich hatte, versuchte er es bei einem berühmten Amsterdamer Maler, Lastman, hielt
es aber nur ein halbes Jahr aus und kehrte in die Heimat zurück. Für seine Jugend ist
diese Flucht aus der für andere junge Leute anziehenden großen Stadt und die selbst-
gewählte Einsamkeit das unterscheidende Merkmal. Er scheint nicht sehr stark von Ge-
sundheit gewesen zu sein; ein Stubenhocker, grübelte er in seiner Werkstatt und spann
alles von früh an aus sich heraus, nur mit dem Sonnenstrahl Zwiesprache haltend, der
durch die lädenverdunkelten Fenster kam. Einige der Selbstbildnisse zeigen schmächtige
Zuge, schmale Schultern. Dann wird das Körperliche voller bis zur Vergröberung.
Willensstärke und Instinktsicherheit künden den genialen Starrkopf, der die sorgliche
Frage, ob er denn nicht gleich allen anderen Kunstgenoffen die höherenWeihcn im„Land
der Kunst", in Italien, holen wollte, abweisend beantwortete, er habe keine Zeit für eine
solche italienische Reise. Es ist die frühe Entscheidung des Künstlers, der berufen sein
sollte, der Seele des Nordens und germanischer Kunst endlich zu selbständiger Sprache
und zur Freiheit von Renaiffanceketten zu helfen. 16zi siedelt er nach Amsterdam über:
er muß sich innerlich fertig gefühlt haben und bedurfte nicht mehr kleinstädtischer Um-
hegung. Er wurde nun sofort Mode. Die Bildnisaufträge strömten ihm zu. Als er
Geld genug zu haben schien und dazu noch eine vermögende Friesländerin, seine Saskia,
heiratete, konnte er sich von Bestellungen freier machen und arbeiten, was er mochte.
Für ein paar Jahre, von seinem dreißigsten Jahr an, wird er der gefeiertste holländische
Künstler und scheint Wert darauf gelegt zu haben, auch als vornehmer Mann in der
Gesellschaft zu gelten. Diese Freiheit drückt sich bis in die Einzelheiten seiner Kunst-
tätigkeit aus. Es eilt ihm nicht mit Fertigwerden. Das Blatt 8.19 enthält Willkür-
lichkeiten einer wechselnden Laune. Die Halbfigur der Saskia ist im Verhältnis zum

I?
 
Annotationen