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Dix, Otto [Ill.]
Ausstellung Otto Dix: Katalog mit Verzeichnis der gesamten Graphik bis 1925 — Veröffentlichungen des Kunstarchivs, Berlin, Band 2/​3: Berlin: Das Kunstarchiv Verlag, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.63099#0007
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OTTO DIX VON PAUL FERD. SCHMIDT

Ein Maler des bitteren und grotesken Ernstes, wie unsere Zeit ihn
braucht. Weil er gestalten kann, wie nur wahrhaft große Künstler
und den Mut aufbringt, der Wahrheit des Lebens ins Gesicht zu
sehen, ohne Nachgiebigkeit mit jener so seltenen Unbeirrbarkeit der
Gesinnung, darum ist Otto Dix ohne Zweifel der repräsentative
Maler des heutigen Deutschland — vielleicht des heutigen Europa.
Nicht nur ein Könner ersten Ranges, sondern ein Genie, das heißt,
ein Mensch, der seine Zeit durchschaut hat und sie objektiv, unbe-
fangen, mit der vollkommenen Aufrichtigkeit eines Kindes darstellt.
Dies ist der Grund, warum Ästheten, die ihre Zeit nicht begriffen,
sein gewaltiges Kriegsbild ablehnten. Daß Kunst in einer Zeit
großer Menschennot sich mit ihren Gegenständen indentifizieren
könne und müsse, geht freilich nicht in das Begriffsvermögen von
Genießern, die im französischen Impressionismus Höhe und End-
punkt der europäischen Kunst überhaupt erblicken.
Aber wir Mitlebenden sind stolz darauf, zu gestehen, daß wir mit
einer Kunst des schönen Blendwerks nichts mehr anzufangen
wissen; daß wir verlangen: der Künstler sei Bekenner seiner Zeit
und unbarmherziger Henker überkommener Mißbräuche; daß wir
Otto Dix just darum lieben und an die Spitze stellen, weil er dieses
verruchte Dasein so gestaltet, wie er es sieht.
Dix wurde 1891 bei Gera als der Sohn eines Eisenarbeiters ge-
boren. Beide Eltern leben noch. Er hat sie zweimal gemalt und man
sieht, es ist da nichts verschönt und nichts weggelassen, es sind
zwei von harter Fron zusammengekrümmte Arbeitermenschen, an
deren Bildnis auch der feinsinnigste Kunstästhet nichts Sentimen-
tales und seelisch Ausgepolstertes entdecken kann.
Auch sein Kindchen hat er mit dieser Hingabe gemalt, die nichts
für unwichtig hält und mit Zarathustra der Ansicht ist: „Seele —
das ist ein Etwas am Leibe“. Und sich selber und seine Frau und
seine nächsten Freunde malte er, oft und oft, malte, radierte, litho-
graphierte, aquarellierte. Nichts blieb ihm fremd, keine Technik
und keine Seelen- und Bügelfalte. Alle müssen sich seine Unbarm-
herzigkeit gefallen lassen. Und er bevorzugt durchaus nicht glück-

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