Farbskala entwickelt. So ist dieses Blau etwa als Schatten-
ton den nackten Figuren mitgegeben, so daß sie damit
zugleich auf den Himmel bezogen erscheinen. Wenn wir
von der „sinnlich-sittlichen“ Wirkung der Farben aus-
gehen, so ist diesem Blau eine bestimmte seelische Er-
scheinungswelt zugeordnet. Hören wir, was Goethe in
seinem „Entwurf einer Farbenlehre“ dazu zu sagen hat:
„So wie Gelb immer ein Licht mit sich führt, so kann
man sagen, daß Blau immer etwas Dunkles mit sich
führe. Diese Farbe macht für das Auge eine sonderbare
und fast unaussprechliche Wirkung. Sie ist als Farbe eine
Energie; allein sie steht auf der negativen Seite . . .
Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe im
Anblick. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge
blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zu-
rückzuweichen. Wie wir einen angenehmen Gegenstand,
der vor uns flieht, gerne verfolgen, so sehen wir das
Blaue gerne an, nicht weil es auf uns dringt, sondern
weil es uns nach sich zieht.“ (§ 778—781.)
Könnte man klarer ausdrücken, was von dem weiten,
blauen Geviert des Himmels in diesem Bilde sich ver-
breitet? Diese lichte Tiefe — ist sie nicht die Grund-
erfahrung von Cezannes Malerauge, aus der heraus die
Welt sich ihm enthüllt, zu der hin sich jede Enthüllung
zurückbezieht? Und haben wir nicht überall im Bilde er-
fahren, wie etwas „Widersprechendes von Reiz und
Ruhe“ darin enthalten ist, so daß wir jetzt sagen kön-
nen, daß diese Spannung von Ruhe und Bewegtheit in
der Komposition genauso wie in seinem farbigen Tenor
existiert. Diesem Blau des Mittagshimmels, der zwischen
Grün und Rot die Schwebe hält, wohnt die feierliche
Stille des unendlichen Raumes inne. Über das hinaus,
indem es als „Blau an sich“ die Grunddominante des Bil-
des ausmacht, ist es ein Element der Vereinheitlichung,
des Zusammenhaltens, so etwa wie eine Messe in h-Moll
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ton den nackten Figuren mitgegeben, so daß sie damit
zugleich auf den Himmel bezogen erscheinen. Wenn wir
von der „sinnlich-sittlichen“ Wirkung der Farben aus-
gehen, so ist diesem Blau eine bestimmte seelische Er-
scheinungswelt zugeordnet. Hören wir, was Goethe in
seinem „Entwurf einer Farbenlehre“ dazu zu sagen hat:
„So wie Gelb immer ein Licht mit sich führt, so kann
man sagen, daß Blau immer etwas Dunkles mit sich
führe. Diese Farbe macht für das Auge eine sonderbare
und fast unaussprechliche Wirkung. Sie ist als Farbe eine
Energie; allein sie steht auf der negativen Seite . . .
Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe im
Anblick. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge
blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zu-
rückzuweichen. Wie wir einen angenehmen Gegenstand,
der vor uns flieht, gerne verfolgen, so sehen wir das
Blaue gerne an, nicht weil es auf uns dringt, sondern
weil es uns nach sich zieht.“ (§ 778—781.)
Könnte man klarer ausdrücken, was von dem weiten,
blauen Geviert des Himmels in diesem Bilde sich ver-
breitet? Diese lichte Tiefe — ist sie nicht die Grund-
erfahrung von Cezannes Malerauge, aus der heraus die
Welt sich ihm enthüllt, zu der hin sich jede Enthüllung
zurückbezieht? Und haben wir nicht überall im Bilde er-
fahren, wie etwas „Widersprechendes von Reiz und
Ruhe“ darin enthalten ist, so daß wir jetzt sagen kön-
nen, daß diese Spannung von Ruhe und Bewegtheit in
der Komposition genauso wie in seinem farbigen Tenor
existiert. Diesem Blau des Mittagshimmels, der zwischen
Grün und Rot die Schwebe hält, wohnt die feierliche
Stille des unendlichen Raumes inne. Über das hinaus,
indem es als „Blau an sich“ die Grunddominante des Bil-
des ausmacht, ist es ein Element der Vereinheitlichung,
des Zusammenhaltens, so etwa wie eine Messe in h-Moll
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