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der beiden Vitae. Auch die Hagiographen gingen mit verschiedenen
Zielsetzungen an ihr Thema heran. Die Vita des Kaisers kann bei all
ihrer legendären Verbrämung den biographischen Grundzug nicht
verleugnen, während die Vita Cunegundis deutlich den Hang ihres
Verfassers zum Kontemplativen und Mystischen verrät. So wird die
Tatsache der keuschen Ehe des Kaiserpaares nur ganz nebenbei, fast
beiläufig erwähnt, daraus aber eine lange und ausführliche Nutz-
anwendung gezogen und ein Loblied auf die Jungfräulichkeit im
allgemeinen und die jungfräuliche Ehe im besonderen angeknüpft.
Nur in einem einzigen Satz aber wird die Pflugscharenprobe erwähnt,
die einem Biographen der Kaiserin als Zeugnis der zu Unrecht an-
gezweifelten Unschuld seiner Heldin eigentlich von besonderer Wich-
tigkeit hätte sein sollen. Um so breiteren Raum nehmen dafür die
Wunder der Kaiserin in Kaufungen ein, durch die ihr Ruhm und
ihre Heiligkeit schon zu Lebzeiten offenbar wurden. Diese breit er-
zählten Wunder geben auch dem Stil der Vita seinen Charakter.
Zahlreiche Bibelzitate sind in den Text eingeflochten, und wo die
Heinrichsvita sich einer sachlichen Sprache bedient, ist der Ver-
fasser der Vita Cunegundis abstrakt und nicht weit vom Mystischen
entfernt.
Gehen wir kurz auf seine Schilderung ein; das erste Kapitel be-
handelt die Stellung der Kaiserin, die Gründung Bambergs und
schließlich die Stiftung des Klosters Kaufungen und seine reiche Do-
tation mit liturgischen Geräten und Gewändern. Das zweite Kapitel
ist im wesentlichen ein Preislied der beiden Heiligen, ihrer geistigen
Liebe zueinander, die sie zu den höchsten Tugenden befähigte und sie
ein gottgefälliges Leben führen ließ. Der Autor gerät in heilige Be-
geisterung bei dem Gedanken an die Ehe des Herrscherpaares, die so
vollständig Gott und seinem Dienste geweiht war: O sanctum. ma-
trimonium, ubi una fides inviolate castitatis, ubi unus spiritus miseri-
cordie et veritatis, ubi idem veile in virtutibus idemque nolle in
vitiis; ubi nec primuš nec alter discerni potuit, dum alter quod pri-
muš voluit; ubi par animus in multijariis operum effectibus pares
in duobus ostendit ajfectus™. Im Kapitel 3 gilt ein kurzer Rück-
blick dem Tode des Kaisers, dann wendet sich der Verfasser ganz der
Kaiserin Kunigunde zu und berichtet von ihrem Entschluß, der Welt
zu entsagen und sich Gott zu weihen66 67. Ein eingeflochtener Brief der
66 Vita Cunegundis c. 2, SS. IV p. 822.
67 Vita Cunegundis c. 3, SS. IV p. 822: Heinrico itaque suo, sue casti-
tatis pacientissimo semper custode, ubi eam suis virginem, uti transduxerat,
in Christo resignavit, ad celestia, que iugiter suspirabat, gaudia translato,
illa se ad Deum ut semper totam contulit.
der beiden Vitae. Auch die Hagiographen gingen mit verschiedenen
Zielsetzungen an ihr Thema heran. Die Vita des Kaisers kann bei all
ihrer legendären Verbrämung den biographischen Grundzug nicht
verleugnen, während die Vita Cunegundis deutlich den Hang ihres
Verfassers zum Kontemplativen und Mystischen verrät. So wird die
Tatsache der keuschen Ehe des Kaiserpaares nur ganz nebenbei, fast
beiläufig erwähnt, daraus aber eine lange und ausführliche Nutz-
anwendung gezogen und ein Loblied auf die Jungfräulichkeit im
allgemeinen und die jungfräuliche Ehe im besonderen angeknüpft.
Nur in einem einzigen Satz aber wird die Pflugscharenprobe erwähnt,
die einem Biographen der Kaiserin als Zeugnis der zu Unrecht an-
gezweifelten Unschuld seiner Heldin eigentlich von besonderer Wich-
tigkeit hätte sein sollen. Um so breiteren Raum nehmen dafür die
Wunder der Kaiserin in Kaufungen ein, durch die ihr Ruhm und
ihre Heiligkeit schon zu Lebzeiten offenbar wurden. Diese breit er-
zählten Wunder geben auch dem Stil der Vita seinen Charakter.
Zahlreiche Bibelzitate sind in den Text eingeflochten, und wo die
Heinrichsvita sich einer sachlichen Sprache bedient, ist der Ver-
fasser der Vita Cunegundis abstrakt und nicht weit vom Mystischen
entfernt.
Gehen wir kurz auf seine Schilderung ein; das erste Kapitel be-
handelt die Stellung der Kaiserin, die Gründung Bambergs und
schließlich die Stiftung des Klosters Kaufungen und seine reiche Do-
tation mit liturgischen Geräten und Gewändern. Das zweite Kapitel
ist im wesentlichen ein Preislied der beiden Heiligen, ihrer geistigen
Liebe zueinander, die sie zu den höchsten Tugenden befähigte und sie
ein gottgefälliges Leben führen ließ. Der Autor gerät in heilige Be-
geisterung bei dem Gedanken an die Ehe des Herrscherpaares, die so
vollständig Gott und seinem Dienste geweiht war: O sanctum. ma-
trimonium, ubi una fides inviolate castitatis, ubi unus spiritus miseri-
cordie et veritatis, ubi idem veile in virtutibus idemque nolle in
vitiis; ubi nec primuš nec alter discerni potuit, dum alter quod pri-
muš voluit; ubi par animus in multijariis operum effectibus pares
in duobus ostendit ajfectus™. Im Kapitel 3 gilt ein kurzer Rück-
blick dem Tode des Kaisers, dann wendet sich der Verfasser ganz der
Kaiserin Kunigunde zu und berichtet von ihrem Entschluß, der Welt
zu entsagen und sich Gott zu weihen66 67. Ein eingeflochtener Brief der
66 Vita Cunegundis c. 2, SS. IV p. 822.
67 Vita Cunegundis c. 3, SS. IV p. 822: Heinrico itaque suo, sue casti-
tatis pacientissimo semper custode, ubi eam suis virginem, uti transduxerat,
in Christo resignavit, ad celestia, que iugiter suspirabat, gaudia translato,
illa se ad Deum ut semper totam contulit.